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Die Predigt vom 4. März 2001: »Die süßeste Versuchung ...«


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  Die Evangelische Kirche beging den 1. Sonntag der Passionszeit Invokavit („Er ruft mich an“). Seine Thema ist die Versuchung: Evangelienlesung ist Jesu Versuchung in der Wüste, Epistellesung der Hinweis auf die alltägliche Versuchung. Der Predigttext steht im Lukasevangelium Kapitel 22:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

  31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. 32 Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder. 33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. 34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, daß du mich kennst.

Predigt

  Paul Gerhardt und der Satan

Er ist einer der bekanntesten Liederdichter unseres Gesangbuches. Ein fester, unerschütterlicher und trotziger Glaube ist aus seinen Versen herauszuhören. "Befiehl du deine Wege." "Gib dich zufrieden und sei stille." "Warum sollt ich mich denn grämen". Paul Gerhardt. Hätten wir an seiner Stelle unseren Glauben an einen guten Gott behalten: Er wächst im 30jährigen Krieg auf, wo zwei Drittel der Bevölkerung durch Krieg und Pest zu Tode kommen. Sein Bruder stirbt an der Pest. Er heiratet spät und verliert dann drei seiner vier Kinder und auch seine Frau. Unter seinem Bild in der Kirche in Lübben im Spreewald, seiner letzten Pfarrstelle, wo er auch starb, steht geschrieben: "Theologus in cribro Satanae versatus." "Ein Theologe, in Satans Sieb geschüttelt."

Die bildliche Redewendung kommt aus dem heutigen Predigttext. Nach dem letzten Abendmahl spricht Jesus den Petrus an. Die ersten Worte finden wir nur im Lukasevangelium:

31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. 32 Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder. 33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. 34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, daß du mich kennst.

Die Spreu vom Weizen trennen

"Die Spreu vom Weizen trennen." Das kennen wir auch als Sprichwort. Aussortieren. Das Brauchbare vom Unbrauchbaren trennen. Schauen, auf wen man sich im Ernstfall verlassen kann.

Wie ging das damals? Das reife, von Hand geerntete Getreide wurde auf dem Lehmboden der Tenne ausgebreitet. Unsere Vorfahren verwendeten Dreschflegel. Im alten Israel zogen Ochsen einen schweren Dreschschlitten über die Halme. Damit und mit ihren Hufen stampften sie die Körner aus den Ähren. Man trennte die Spreu vom Weizen, indem man das entstandene Gemisch aus Stroh und Körner nach oben warf, und der starke Westwind vom Meer her fegte das leichte Stroh von der Tenne. Was übrig blieb, wurde zuerst durch ein grobes Sieb geworfen, durch dessen Geflecht die Weizenkörner gerade noch hindurch paßten. Steine, Halme und andere Fremdkörper bleiben im Sieb zurück. Und dann kam alles noch einmal durch ein feines Sieb, dessen Geflecht kleiner war als die Körner. Sie blieben übrig, doch Sand, Brösel des Lehmbodens oder kleine Samenkörner fielen hindurch: 31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.

Die süßeste Versuchung ...

Das Wort fällt zwar nicht, aber es ist gemeint: Versuchung. Der Glaube der Jünger wird hart auf die Probe gestellt.

Versuchung. Wenn wir in der Werbung oder in der jetzt begonnenen Fastenzeit das Wort hören, dann geht es vor allem die süße Versuchung. Und, was entscheidend ist: Die Werbung möchte, daß wir der Versuchung nicht widerstehen! Vom eigentlichen Ernst des Wortes bleibt damit nicht mehr viel. Als ob das Naschen das größte Problem wäre...

Die alltägliche Versuchung

Nach einer Umfrage in Faschingshochburgen am Rhein haben 30 bis 40 Prozent keine Probleme mit einer kleinen Versuchung außerhalb ihrer Ehe oder Partnerschaft. Es gehöre halt zum Fasching dazu. Seitensprung-Agenturen bieten mittlerweile sehr ungeniert ihre Dienste an. Und wer will, kann zum Tauschen in diskrete Clubs gehen.

Oder denken Sie an die Versuchung des Geldes. Die Versuchung, ein klein wenig zu betrügen oder zu verschweigen, z.B. dem Finanzamt gegenüber. Oder die Versuchung der Macht: Die Versuchung der Macht in der Politik, die dann mit allen Mitteln an dieser Macht klebt. Die Versuchung der Macht bei der Gentechnik: Daß man dann auch alles macht, was machbar ist. Die Versuchung der Macht in Behörden, Einrichtungen oder Betrieben. Das Ausnutzen der eigenen Position.

Ist Gott an allem schuld?

Die Versuchung ist alltäglich. Alltäglich werden Spreu und Weizen getrennt. Alltäglich wird durch das Sieb geschüttelt. Wo kommt sie her, die Versuchung? Die biblischen Schriftsteller sind sich weitgehend, aber doch nicht ganz einig: Gott selbst führt Menschen in Versuchung oder er läßt Versuchung zu. Aber es gibt auch Protest dagegen: Gott stellt das Vertrauen des Abraham bei der scheinbaren Opferung seines Sohnes auf die Probe. (1. Mose 22) Gott prüft die Israeliten auf ihrem Weg ins versprochene Land: Werden sie in der Wüste durchhalten, auch wenn das Ziel noch weit ist? (5. Mose 8) Der Satan bekommt eine begrenzte Freiheit, den Glauben des Hiob auf die Probe zu stellen. (Hiob 1+2) Jesus wird vom Satan versucht: Würde er die anvertraute Macht für eigene Bedürfnisse einsetzen? (Matthäus 4)

Auch Paulus geht davon aus, daß Gott Versuchung zuläßt. Aber er ist sich sicher: Gott ist treu, der euch nicht versuchen läßt über eure Kraft, sondern macht, daß die Versuchung so ein Ende nimmt, daß ihr's ertragen könnt. (1. Korinther 10,13)

Ist der Teufel schuld?

Es bräuchte eine eigene Predigt, ob und wie man sich den Satan als Versucher vorstellen kann oder muß. Einig ist sich die Bibel wo weit: Es gibt keine zweite, böse Macht neben Gott. Aber Gott, der Schöpfer, läßt dem Menschen Freiheit – auch die Freiheit zum Bösen. Da ist Satan, wo Menschen ihre Freiheit zum Bösen ausleben.

Eine andere Linie, die schon in der Bibel beginnt, hat große Probleme damit, Gott als Urheber oder Zulasser von Versuchung zu sehen. So steht im Jakobusbrief zu lesen: Niemand sage, wenn er versucht wird, daß er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. 14 Sondern ein jeder, der versucht wird, wird von seinen eigenen Begierden gereizt und gelockt. (Jakobus 1,13-14) Und so schreibt auch Martin Luthers in seiner Auslegung zur Vaterunserbitte: "Und führe uns nicht in Versuchung." Gott versucht zwar niemand; aber wir bitten in diesem Gebet, daß uns Gott behüte und erhalte, damit uns der Teufel, die Welt und unser Fleisch nicht betrüge und verführe ... und wenn wir damit angefochten würden, daß wir doch endlich gewinnen und den Sieg behalten.

Die eigentliche Versuchung

31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. 32 Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.

Hier zwischen Jesus und Petrus geht es um die Versuchung, den Glauben hinzuwerfen. Die Versuchung, Gott untreu zu werden. Des Petrus Glaube soll nicht aufhören. Er soll trotz aller Versuchungen durchhalten. Die Geschichte seines Scheiterns ist bekannt. Die großspurigen Ankündigungen wird er noch in derselben Nacht nicht durchhalten. Aber Jesus reicht ihm nach der Auferstehung erneut die Hand. Dieser spätere neue Anfang ist herauszuhören in den Worten Jesu: "Wenn du dereinst dich bekehrst, dann stärke deine Brüder." Das Beispiel des Petrus zeigt, daß Versuchungen, Tiefpunkte und Versagen zum Alltag gehören. Wer kann sogar für sich selber die Hand ins Feuer legen? Über Nacht kann es anders werden: "Bevor der Hahn kräht." Oder besser: Noch am selben Tag, denn nach jüdischer Vorstellung beginnt der neu Tag schon mit dem Vorabend. Nur mit Gottes Hilfe halten wir durch oder bekommen neue Anfänge geschenkt, nicht aus eigener Kraft: 32 Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre.

Entscheidend sind die neuen Anfänge. Und daß gerade dem Petrus dieser neue Anfang ermöglicht wurde, zeigt: Nur wer selber durch Versuchungen hindurchgegangen ist, kann für die anderen da sein. Nur wer selber schon ganz unten war, kann jemand in dieser Situation recht verstehen. Nur wer selbst Trost gesucht und gefunden hat, kann andere trösten.

1. Ich möchte Glauben haben, der über Zweifel siegt, der Antwort weiß auf Fragen und Halt im Leben gibt.

2. Ich möchte Hoffnung haben für mich und meine Welt, die auch in dunklen Tagen die Zukunft offenhält.

3. Ich möchte Liebe haben, die mir die Freiheit gibt, zum andern ja zu sagen, die vorbehaltlos liebt.

4. Herr, du kannst alles geben: daß Glauben in mir reift, daß Hoffnung wächst zum Leben und Liebe mich ergreift. (Gesangbuch Nr. 622)

Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de