Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom Karfreitag 13. April 2001: »Der Global Player am Kreuz«


Kirchenjahr

Evang. Kirchenjahr: Überblick
Evang. Kirchenjahr: Hinweise
Feiertagskalender (Tabelle)

  Die Evangelische Kirche beging den Karfreitag, den „Tag der Kreuzigung des Herrn“. Evangelium ist der Bericht nach Johannes, Epistel der Aufruf des Paulus, sich mit Gott versöhnen zu lassen. Predigttext war der Bericht des Matthäus von der Kreuzigung:

Predigttext

Sie können Texte auch online in der Lutherbibel nachlesen.
(Weitere Bibellinks finden Sie unter
Glaube und Leben.)

  33 Und als sie an die Stätte kamen mit Namen Golgatha, das heißt: Schädelstätte, 34 gaben sie ihm Wein zu trinken mit Galle vermischt; und als er's schmeckte, wollte er nicht trinken. 35 Als sie ihn aber gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider und warfen das Los darum. 36 Und sie saßen da und bewachten ihn. 37 Und oben über sein Haupt setzten sie eine Aufschrift mit der Ursache seines Todes: Dies ist Jesus, der Juden König. 38 Und da wurden zwei Räuber mit ihm gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken. 39 Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe 40 und sprachen: Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz! 41 Desgleichen spotteten auch die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen: 42 Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König von Israel, so steige er nun vom Kreuz herab. Dann wollen wir an ihn glauben. 43 Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn. 44 Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren. 45 Und von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. 46 Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? 47 Einige aber, die da standen, als sie das hörten, sprachen sie: Der ruft nach Elia. 48 Und sogleich lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm und füllte ihn mit Essig und steckte ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken. 49 Die andern aber sprachen: Halt, laß sehen, ob Elia komme und ihm helfe! 50 Aber Jesus schrie abermals laut und verschied. 51 Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriß in zwei Stücke von oben an bis unten aus. 52 Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen standen auf 53 und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen. 54 Als aber der Hauptmann und die mit ihm Jesus bewachten das Erdbeben sahen und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!

Predigt

  Der höchste Feiertag?

Da wird hin und wieder, z.B. in den Tageszeitungen davon gesprochen, daß der Karfreitag der höchste evangelische Festtag sei. Läßt man einmal außer Acht, daß die Frage nach dem höchsten Feiertag keinen großen Sinn hat, so muß man sagen: Ohne Ostern kann man den Karfreitag nicht verstehen. Ohne die Auferstehung kann man das Kreuz nicht verstehen. Wäre Ostern und die Begegnung des Auferstandenen mit den Jüngern nicht gewesen, wir würden wohl gar keinen Karfreitag feiern. Denn wäre die Geschichte beim Karsamstag stehen geblieben, dann wäre Jesus kläglich gescheitert, dann wäre auch die christliche Kirche nicht entstanden.

Mit der Brille von Ostern

Wir können rückblickend das Kreuz Jesu nur durch Ostern hindurch, als wie durch eine Art österliche Brille anschauen. Und andersherum: Ostern ist ohne den Karfreitag nicht zu verstehen. Das wird in der Osternacht wieder deutlich werden: Wer das Dunkel nicht kennt, weiß nichts vom Licht. Und so wie wir das Kreuz nur durch eine österliche Brille, nur mit den Augen des Glaubens anschauen können, so ist es auch bei den vier Evangelisten gewesen. Alle vier Kreuzigungsberichte sind deutlich voneinander unterschieden. Alle vier heben mit den Augen des Glaubens aus ihrer Sicht einen ganz bestimmten Aspekt des Geschehens hervor. Und erst, wenn wir alle zusammen sehen, nähern wir uns der Wahrheit. Das ist keine Täuschung des Bibellesers, sondern ganz menschlich.

Im Evangelium haben Sie die Passion nach dem Johannesevangelium gehört. Johannes betont vor allem, wie Jesus bis zuletzt Herr des Geschehens bleibt. Das entspricht den Darstellungen, wo der Gekreuzigte wie ein König mit ausgebreiteten Armen und erhobenem Haupt am Kreuz hängt.

Das Kreuz als globales Geschehen

Hören sie nun als Predigttext, wie der Evangelist Matthäus das Geschehen beschreibt. Er verschweigt Jesu Verlassenheit nicht, auch nicht die Schmähungen der Umstehenden. Es liegt ihm daran, deutlich zu machen, wie unterschiedlich die Reaktionen sind: Die da unter dem Kreuz stehen, und von Ostern nichts wissen, können nur den Kopf schütteln. Doch wer tiefer blickt, merkt, was da Weltbewegendes geschieht: Der Tod merkt es. Die Naturgewalten merken es. Ein römischer Hauptmann merkt es. Ein globales Geschehen, so würde man mit heutigen Worten sagen.

33 Und als sie an die Stätte kamen mit Namen Golgatha, das heißt: Schädelstätte, 34 gaben sie ihm Wein zu trinken mit Galle vermischt; und als er's schmeckte, wollte er nicht trinken. 35 Als sie ihn aber gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider und warfen das Los darum. 36 Und sie saßen da und bewachten ihn. 37 Und oben über sein Haupt setzten sie eine Aufschrift mit der Ursache seines Todes: Dies ist Jesus, der Juden König. 38 Und da wurden zwei Räuber mit ihm gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken. 39 Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe 40 und sprachen: Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz! 41 Desgleichen spotteten auch die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen: 42 Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König von Israel, so steige er nun vom Kreuz herab. Dann wollen wir an ihn glauben. 43 Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn. 44 Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren. 45 Und von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. 46 Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? 47 Einige aber, die da standen, als sie das hörten, sprachen sie: Der ruft nach Elia. 48 Und sogleich lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm und füllte ihn mit Essig und steckte ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken. 49 Die andern aber sprachen: Halt, laß sehen, ob Elia komme und ihm helfe! 50 Aber Jesus schrie abermals laut und verschied. 51 Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriß in zwei Stücke von oben an bis unten aus. 52 Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen standen auf 53 und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen. 54 Als aber der Hauptmann und die mit ihm Jesus bewachten das Erdbeben sahen und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!

Hohn und Spott für den Loser

Wir können denen, die da unter dem Kreuz stehen und ihn schmähen nicht böse sein. Sie wußten nichts von Ostern. Und wären wir damals dabei gewesen und hätten ebenso nichts von Ostern geahnt, wer weiß, wie wir geredet hätten? Überdeutlich und schmerzlich muß man mit ansehen, wie das Kreuz ohne Ostern verstanden werden muß: Am Kreuz hängt nach alttestamentlicher Überzeugung der von Gott Verfluchte und Verlassene. Alle Beteiligten verhöhnen ihn.

Es beginnt mit den römischen Soldaten. "König der Juden" steht an seinem Kreuz. Zu einem Narrenkönig haben sie ihn gemacht: Schon im Prätorium mit Dornenkrone, Holzstab und Purpurmantel. Schläge waren ihre Huldigung. Und nun thront er dort zwischen zwei Räubern als seinem Hofstaat.

Auch die Vorübergehenden verhöhnen ihn: Zum Passafest waren Tausende Pilger nach Jerusalem gekommen. Viele von ihnen hatten offenbar große Hoffnungen in ihn gesetzt, als sie ihn am Sonntag vorher mit Palmzweigen wie einen König empfangen haben. Mit einem Mal waren ihre Hoffnungen zerbrochen. Auf einen Versager, auf einen Schwächling, auf einen Verlierer hatten sie in ihren Augen gesetzt. Und in ihrem Frust haben sie nur noch Spott und Hohn übrig: Hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz! Oder war in diesem Satz vielleicht doch noch der letzte Funke Hoffnungen: Könnte Jesus vielleicht noch im allerletzten Moment seine Macht erweisen?

Unfreiwillige Zeugen der Wahrheit

Und nicht zuletzt verspotten ihn auch die geistlichen Würdenträger, die Hohenpriester und Schriftgelehrten. Deutlich kann man ihre Erleichterung spüren. Denn nie war die Frage ganz erledigt: Was ist, wenn er doch von Gott gesandt ist? Nun meinen sie den Beweis zu haben: 43 Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn. Ihre menschliche Logik sagt ihnen: Wer am Kreuz stirbt, der kann nicht von Gott gekommen sein. Und sie können nicht wissen, daß das Kreuz mit menschlicher Logik nicht zu begreifen ist.

Hintergründig beschreibt Matthäus für die, die offene Ohren haben, wie sie in all ihrem Spott letztlich die Wahrheit sagen müssen: 42 Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ja, er hat anderen geholfen. Sein ganzes Leben war Hilfe. Sein ganzes Leben war auf die anderen ausgerichtet. Und nun kommt dieses Leben gerade darin zum Ziel, daß er sich eben nicht selbst hilft. Schon am Anfang seines Weges stand die Versuchung des Teufels, die Macht zu ergreifen. Er widersteht ihr bis zum Ende.

Und noch eine Wahrheit müssen die Spötter verkündigen: Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat. Ja, er hat Gott vertraut, ganz konsequent bis zum Ende. Bis zum bitteren Ende, wenn man seine letzten Worte recht versteht: Eli, Eli, lama asabtani? das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Es sind offenbar nicht die spontanen Worte eines Verzweifelten, sondern Jesus spricht den Psalm 22, das alttestamentliche Gebet eines Frommen, der in seiner äußersten Not nichts anderes weiß, als sich an eben jenen Gott zu wenden, von dem er sich verlassen fühlt. Nicht mit einer Absage an Gott auf den Lippen geht Jesus in den Tod, sondern mit dem Gebet eines letzten verzweifelten Vertrauens. Mit einem zweifachen "Mein Gott" gibt er sich ganz bewußt in seine Hände. Aber Jesus schrie abermals laut und verschied.

Was nicht jeder sehen konnte

Ein Fotoreporter, ein unbeteiligter Beobachter, hätte an dieser Stelle seine Sachen eingepackt. Doch jetzt, so könnte man sagen, beginnt der eigentliche "Bericht" des Matthäus. "Bericht" in Anführungszeichen wohlgemerkt. Matthäus war damals nicht unter dem Kreuz, hat nicht mit Reporteraugen zugeschaut, sondern berichtet durch die Brille von Ostern. Von Ostern her fällt ein Lichtschein auf das Kreuz und läßt erkennen, was Reporteraugen verborgen ist: 51 Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriß in zwei Stücke von oben an bis unten aus. 52 Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen standen auf.

Der Himmel ist offen

Was hat es mit dem Vorhang im Tempel auf sich? Gemeint ist der Vorhang vor dem sogenannten Allerheiligsten im Tempel. Dort sahen die Juden Gott in besonderer Weise gegenwärtig. Nur einmal im Jahr und nur durch den Hohenpriester durfte es betreten werden. Einmal im Jahr konnte der Hohepriester die Sünden des Volkes durch ein Opfer vor Gott in Ordnung bringen. Mit dem Tod Jesu ist der Vorhang, der die Menschen von Gott trennt, ein für allemal zerrissen. Der Weg zu Gott ist frei. Es braucht keine Opfer mehr. Das Kreuz stellt die damalige Welt auf den Kopf.

... und auch die Hölle

Die Welt, als hätte sie im Gegensatz zu den hartherzigen Lästerern ein Gespür dafür, merkt es, und ist bis in ihre Grundfesten erschüttert. Sogar der Tod als der zweitmächstigste auf der Welt merkt es: Er kann die Menschen nicht mehr festhalten. Nicht nur der Zugang zu Gott ist frei. Auch die Pforten der Hölle sind offen. [Bildlich macht das Matthäus deutlich, indem er von den Heiligen spricht, die aus ihren Gräbern aufstehen. Wörtlich ist es nicht gemeint, denn nach dem übereinstimmenden Zeugnis der Bibel ist Jesus der erste, den der Tod nicht festhalten kann.]

Logisch ist es nicht

Und dann beschämt noch der Nichtjude, der Ungläubige, der Hauptmann der römischen Hinrichtungsmannschaft alle gläubigen Lästerer: 54 Als aber der Hauptmann und die mit ihm Jesus bewachten das Erdbeben sahen und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen! Daß auch wir vor dem Kreuz nicht bei unseren logischen Sackgassen, bei unseren Zweifeln und unserem Unverständnis stehen bleiben, sondern das Kreuz im österlichen Licht sehen können, das schenke Gott uns allen. Amen

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de