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Die Predigt vom 17. Mai 2007 (Christi Himmelfahrt):
»Der Himmel ist nicht oben«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
40 Tage nach Ostern begeht die Kirche das Fest Christi Himmelfahrt. Sein Thema ist die „Machtergreifung“ Jesu Christi. Evangelium (1. Lesung) war die Himmelfahrtsdarstellung nach Lukas und Epistel (2. Lesung) die Darstellung der Apostelgeschichte. Als Predigttext wurde ein neues Himmelfahrtslied ausgewählt:
Predigttext
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Der Predigttext
1. Wir feiern deine Himmelfahrt mit Danken und mit Loben. Gott hat sich machtvoll offenbart, das Kreuz zum Sieg erhoben. Er sprach sein wunderbares Ja. Nun bist du immer für uns da, entgrenzt von Raum und Stunde.

2. Das Reich, in das du wiederkehrst, ist keine ferne Höhe. Der Himmel, dem du zugehörst, ist Herrschaft und ist Nähe. Präg du uns ein, Herr Jesu Christ: Gott ist nicht, wo der Himmel ist; wo Gott ist, da ist Himmel.

3. Nimm uns in deinen Machtbereich, gib Kraft zu Tat und Leiden und mach uns deinem Wesen gleich im Wollen und Entscheiden. Wir freuen uns, Herr Jesu Christ, dass da auch ein Stück Himmel ist, wo wir dein Wort bezeugen.

4. Du hast die Angst der Macht beraubt, das Maß der Welt verwandelt. Die wahre Macht hat nur, wer glaubt und aus dem Glauben handelt. Wir danken dir, Herr Jesu Christ, dass dir die Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden.

5. Du trittst beim Vater für uns ein, auch wenn wir es nicht sehen. Trotz Widerspruch und Augenschein kann uns doch nichts geschehen, was deinem Wort, Herr Jesu Christ, und deinem Sieg entgegen ist. Hilf uns darauf vertrauen.

6. Wenn diese Welt zu Ende geht, bewahre und errette, was deinem Namen untersteht. Bereite uns die Stätte und hol uns heim, Herr Jesu Christ, dahin, wo du der König bist, der Friede ohne Ende.

Text: Detlev Block 1978
Melodie: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut (Nr. 326)
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Die Predigt

Wo ist der Himmel?

Himmelfahrt - die Engländer tun sich beim Verstehen dieses Tages sprachlich ein wenig leichter, weil sie zwei Wörter für „Himmel“ haben: „heaven“, das ist Gottes Himmel, und „sky“, das ist der sichtbare Himmel, an dem die Wolken ziehen.
Den Wolkenhimmel über uns: Den kann man zeigen. Den kann man auch den Kindern erklären. Aber wenn jemand Gott sucht, dann findet er ihn nicht, indem er nach oben in die Wolken starrt. Auch nicht, wenn er sich Instrumente zur Hilfe nimmt, mit denen er weiter und noch weiter schauen kann.
Vielleicht kennen Sie die kleine Geschichte, die vom ersten Menschen in der Erdumlaufbahn, dem Russen Juri Gagarin, erzählt wurde. Als er wieder zurück auf der Erde war, soll er gesagt haben: „Jetzt war ich so weit oben, wie noch nie ein Mensch oben war, und ich habe keinen Gott gefunden.“
Und das hat er damals durchaus ernst gemeint: Als atheistisch erzogener Mensch war er bei einer kindlichen Vorstellung von Gott und von Himmel stehen geblieben. Wenn Kinder sich Gott und den Himmel vorstellen oder malen sollen, dann denken sie automatisch wie die Menschen des Mittelalters oder auch wie die Menschen zur Zeit der Bibel: Die Erde eine flache Scheibe. Der Himmel spannt sich wie eine Käseglocke von Horizont zu Horizont. Unten die Unterwelt. Oben die Wolken und die Sterne. Und noch weiter oben Gott. Ist es ein Wunder, dass man zur Zeit der Bibel und auch im Mittelalter Himmelfahrt immer so gedacht und gemalt hat, dass Jesus nach oben entschwebte? Doch nur, wenn man an eine Scheibe denkt, gibt es oben und unten. Wo soll bei einer Kugel oben sein?

Himmelfahrt als Machtergreifung

Wo und was ist der Himmel Gottes? Und was bedeutet es für den Glauben, dass Jesus mit seiner Himmelfahrt nun dort zu finden ist? Dieser Frage hat sich einer unserer zeitgenössischen Liederdichter, Detlev Block, in seinem Himmelfahrtslied gestellt. Es findet sich unter der Nr. 561 im Gesangbuch. Ich will es zusammen mit Ihnen bedenken und gleich in der Predigt Strophe für Strophe singen:

1. Wir feiern deine Himmelfahrt mit Danken und mit Loben. Gott hat sich machtvoll offenbart, das Kreuz zum Sieg erhoben. Er sprach sein wunderbares Ja. Nun bist du immer für uns da, entgrenzt von Raum und Stunde.

Himmelfahrt ist eine Art Machtergreifung, wenn auch eine ganz andere als die, die den Älteren unter Ihnen bei diesem Wort zuerst in den Sinn kommt: Nicht die Gewalt, nicht die Machtsucht haben gesiegt. Das Kreuz hat gesiegt: die Hingabe, die Leidensbereitschaft, die Sanftmut.
Oder Himmelfahrt ist eine Art Thronbesteigung: Der in den Himmel Aufgefahrene sitzt, so sagt die Bibel bildlich, „zur Rechten Gottes“. Wenn wir in unserer deutschen Sprache sagen: Der Soundso ist in seinem Betrieb oder seiner Behörde „die rechte Hand“ des Chefs, dann ist das ja nicht wörtlich gemeint, sondern man will sagen, er ist sein wichtigster und entscheidender Mitarbeiter. Jesus „zur Rechten Gottes“ sagt ebenso nichts über den Ort. Jesus sitzt nicht da oben, weder links noch rechts von Gott. „Zur Rechten Gottes“ heißt: Er hat die Macht gleichbedeutend mit Gott.
„Entgrenzt von Raum und Stunde“: Die Grenzen von Raum und Zeit, die Grenzen unserer drei irdischen Dimensionen gelten für diesen Jesus nicht mehr. Der irdische Jesus konnte zur gleichen Zeit immer nur an einem Ort sein. Er konnte sich immer nur einem einzigen Menschen zuwenden. Nun, mit der Himmelfahrt, mit seiner Befreiung von den irdischen drei Dimensionen gelten diese Grenzen für ihn nicht mehr.
Wir singen die Strophe 1 des Liedes ...

Der Himmel ist nicht fern, sondern nah

2. Das Reich, in das du wiederkehrst, ist keine ferne Höhe. Der Himmel, dem du zugehörst, ist Herrschaft und ist Nähe. Präg du uns ein, Herr Jesu Christ: Gott ist nicht, wo der Himmel ist; wo Gott ist, da ist Himmel.

Noch einmal: der Himmel ist nicht oben. Oder genauer: Er ist nicht nur oben. Und was Detlev Block in dieser zweiten Strophe vor allem wichtig ist: Gott thront nicht wie in der kindlichen Vorstellung ganz weit weg in der Ferne, so dass ihn die kleinen Geschehnisse auf dieser Erde eigentlich nicht sehr interessieren. Jesus ist im Himmel. Das heißt: Er ist dir und mir so nah, wie er nur nah sein kann.
Und: Was in unserer Bibel „Himmelreich“, „Reich der Himmel“ heißt, bedeutet eigentlich „Reich Gottes“, noch richtiger „Herrschaft Gottes“. Himmel ist in der Bibel kein räumlicher Begriff: Da, wo Menschen Gott wirklich Gott sein lassen und dann auch danach leben, da ist der wahre Himmel. Der alte, falsche Himmel, irgendwo fern weit oben, das ist eher der Himmel, wo man Gott einen guten Mann sein lässt. So auf die Art: „Bleib nur weit weg und stör uns nicht, lieber Gott."
Detlev Block erinnert dabei an einen treffenden Satz des Theologieprofessors Gerhard Ebeling, den man sich geradezu auf der Zunge zergehen lassen muss: „Nicht wo der Himmel ist, ist Gott, sondern, wo Gott ist, ist der Himmel.“ Nachzulesen unter dem Lied 123, das wir vorhin gesungen haben. „Nicht wo der Himmel ist, ist Gott, sondern, wo Gott ist, ist der Himmel.“ Überall da, wo Menschen an Gott glauben, wo Menschen Gott Gott sein lassen, da ist ein Stück Himmel.
Wir singen die Strophe 2 des Liedes ...

Wo man Gott Gott sein lässt

3. Nimm uns in deinen Machtbereich, gib Kraft zu Tat und Leiden und mach uns deinem Wesen gleich im Wollen und Entscheiden. Wir freuen uns, Herr Jesu Christ, dass da auch ein Stück Himmel ist, wo wir dein Wort bezeugen.

Gott Gott sein lassen: Was heißt das? Es heißt z.B., sagt Detlev Block: Gott und sein Wort bezeugen. Zeuge sein: anderen erzählen, was man mit diesem Gott erfahren und erlebt hat. Der Auferstandene ist lebendig insofern, dass Menschen ihn in ihrem Leben als lebendig und wirksam erfahren.
Gott Gott sein lassen ganz persönlich, heißt: Seiner Macht etwas zutrauen, sich in seinen Machtbereich hineinnehmen lassen. Von ihm die Kraft erhalten für das tägliche Tun und, wenn es sein muss, für das Leiden. Das eigene Wollen und Entscheiden von Gott in die richtige Richtung lenken lassen.
Wir singen die Strophe 3 des Liedes ...

Wer hat die Macht?

4. Du hast die Angst der Macht beraubt, das Maß der Welt verwandelt. Die wahre Macht hat nur, wer glaubt und aus dem Glauben handelt. Wir danken dir, Herr Jesu Christ, dass dir die Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden.

Himmelfahrt als eine Art Machtergreifung, aber, wie gesagt, eine andere als damals. Eine andere auch, wie heute noch Machtergreifungen sind: Menschliche, irdische Macht basiert auf Angst und Abhängigkeit. Mächtige haben Macht, weil Untergebene sich fügen aus Bequemlichkeit oder Angst: In einem Betrieb, in einer Behörde, in einem Verein, ja sogar in der Kirche. Herrschaft durch Angst, das ist, so sagt Detlev Block, das Maß der Welt.
Dieses Maß der Welt hat Gott verwandelt, er hat es durchkreuzt. Und auch heute noch werden Menschen verwandelt, wenn sie auf einmal diese Befreiung durch den Glauben begreifen und erleben. Wer das erfährt, dass es nur diesen einen Herrn gibt und alle anderen Herren relativ sind, der hat begriffen, was Himmelfahrt ist.

(Dazu eine mündliche Einfügung zur aktuellen politischen Lage: Die Atom-Macht des fränzösischen Staatspräsidenten. Die Wirtschafts-Macht Putins.)
Wir singen die Strophe 4 des Liedes ...

Hat Gott wirklich die Macht?

5. Du trittst beim Vater für uns ein, auch wenn wir es nicht sehen. Trotz Widerspruch und Augenschein kann uns doch nichts geschehen, was deinem Wort, Herr Jesu Christ, und deinem Sieg entgegen ist. Hilf uns darauf vertrauen.

An die Himmelfahrt glauben, heißt als nicht, an das Nach-oben-Entschweben Jesu zu glauben, sondern daran, dass er die Macht hat. Das mag eine Erleichterung für die Vernunft sein, eine Erleichterung für den Glauben ist es nicht: Wir brauchen nur die Nachrichten anzusehen und die Zeitung zu lesen, um täglich neu an Gottes Macht im politischen und im Weltgeschehen zu zweifeln.
Detlev Block verschweigt diesen Widerspruch nicht. Er löst ihn nicht auf. Wie könnte er auch? Er lenkt stattdessen unseren Blick weg von den Weltereignissen, über die man nur den Kopf schütteln kann, hin auf unser persönliches Leben: Uns, dir und mir, die wir an Gott glauben, kann und wird nichts geschehen, was gegen Gottes guten Willen ist. Darauf dürfen wir vertrauen. „Hilf uns dazu!“ bittet Detlev Block.
Wir singen die Strophe 5 des Liedes ...

Das Ende zählt

6. Wenn diese Welt zu Ende geht, bewahre und errette, was deinem Namen untersteht. Bereite uns die Stätte und hol uns heim, Herr Jesu Christ, dahin, wo du der König bist, der Friede ohne Ende.

Und noch einmal ganz persönlich und nicht allgemein gesprochen: Wenn Jesus Christus die Macht hat, wenn er der König ist, dann ist er es auch am Ende unseres Lebens und über die Grenze von Leben und Zeit hinaus.
Was seinem Namen untersteht, wer also auf seinen Namen getauft wurde, wessen Namen, wie es auf unserem Taufkalender steht, „im Himmel geschrieben ist“, der soll bewahrt und errettet bleiben. Der wird eine Heimat finden und zuhause sein. Da redet nicht mehr die Vernunft. Da redet der Glaube.
Wir singen die sechste und letzte Strophe dieses Liedes ...

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

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