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Die Predigt |
Der Prophet als
Marktschreier
Wie ein altorientalischer Marktschreier, wie einer der im heißen
Orient allgegenwärtigen Wasserverkäufer steht der Prophet
Jesaja auf dem Marktplatz und ringt mit anderen zusammen um die Gunst
der Kunden. Und er setzt noch eins drauf: Bei ihm kostet es gar nichts.
1 Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und
die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft
ohne Geld und umsonst Wein und Milch!
Weil es sich hier aber um ein Bibelwort handelt, und weil Jesaja als
Prophet die Stimme Gottes ist, vermuten Sie richtig: Das mit der Marktschreierei
ist nicht wörtlich gemeint. Er hat was zu verkaufen, ja, er hat
was zu verschenken, aber es geht nicht vordergründig um Essen
und Trinken. Wenn Gott etwas zu verschenken hat, dann geht es um Entscheidendes.
Es geht um das, was wirklich satt macht und in Wahrheit den Durst
löscht.
Was den eigentlichen Durst stillt
Hat man nicht manchmal den Verdacht, jemand stillt seinen äußeren
Durst nur deswegen übermäßig, weil er meint, damit
seinen inneren Durst befriedigen zu können? Der Alkohol kann
für begrenzte Zeit Sorgen oder auch eine innere Leere verschwinden
lassen. Aber es ist ja allgemein bekannt, dass sie sich nicht ersäufen
lassen, sondern nüchtern wieder da sind, vielleicht sogar noch
drängender als vorher.
Auch Frustesser soll es geben. Menschen, die aus Unzufriedenheit essen
und essen und doch innerlich leer bleiben. Und dann das noch größere
Problem der sog. Ess-Brech-Sucht, wo sich Fress- und Fastenattacken
abwechseln.
Was wirklich zufrieden und satt macht, kann man sich offensichtlich
nicht kaufen. Man kann es sich nur – wie es Jesaja als Marktschreier
andeutet –
schenken lassen.
Um das was wirklich zufrieden und satt macht, genau darum geht es
dem Propheten Jesaja. Die Fortsetzung zeigt es deutlich:
Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! 2 Warum
zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren
Verdienst für das, was nicht satt macht?
Brot und Wasser, Wein und Milch, sie stehen stellvertretend für
das, was wirklich satt macht. Was Menschen brauchen, um innerlich
zufrieden und mit sich selbst, der Welt und Gott im Reinen zu sein.
Wie viel Geld und saurer Verdienst mag dafür hingelegt werden?
Was wird da nicht alles angeboten und ausgegeben?
Das Evangelium anbieten wie eine Ware?
Wird aber der, der wirklich für Leib und Seele etwas anzubieten
hat, auch gehört? Jesaja:
Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am
Köstlichen laben. 3 Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir!
Höret, so werdet ihr leben!
Wenn die moderne Welt um uns herum so laut und penetrant Werbung macht:
Wenn nur der gehört wird, der am lautesten schreit; die Zeitung
gelesen wird, die die größten Buchstaben und einfachsten
Sätze hat; der Elektronikmarkt vorne dran ist, der die frechsten
Ansagen hat; - dann bleibt Gott offenbar nichts weiter übrig,
als sich den Menschen genauso hartnäckig und laut anzubieten.
Wenn für oft unnötige Dinge so viel Werbung und Lärm
gemacht wird, wäre es nicht wirklich angebracht, für das,
was wirklich satt macht, genauso laut und mutig und frech zu werben?
Aber hat Gott das wirklich nötig? So könnte man fragen.
Hat der Prophet Jesaja wirklich angemessen von Gott geredet, wenn
er ihn wie einen Marktschreier reden lässt? Können Sie sich
einen Pfarrer auf dem Marktplatz vorstellen im Konzert und in Konkurrenz
mit Bananen-Ede, Obst-Erich und Wurst-Helmut, oder wie sie alle heißen
mögen?
Jesus bietet sich selbst an
In den Worten des Propheten Jesaja lässt Gott sich tatsächlich
auf diese Stufe herab, um dem Menschen nahe zu sein. Er lässt
sich herab, nicht weil er etwas zu verkaufen, sondern weil er etwas
zu verschenken hat. Er schickt auch nicht wie der Hausherr im vorhin
gehörten Gleichnis seine Boten auf die Straßen und an die
Zäune, sondern er geht selber. 500 Jahre nach Jesaja wird er
in der Person Jesu selber kommen und mit ähnlichen Worten zu
sich einladen. Johannes 7:
37 Aber am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat
Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!
38 Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden
Ströme lebendigen Wassers fließen. (Joh 7,37-38)
Kirche und Werbung
Und Kirche und Gemeinde heute: Darf sie das? Darf sie marktschreierisch
auftreten? Muss sie alle modernen Methoden der Werbung und der Verkaufsstrategien
mitmachen und nachmachen?
Ja und nein, meine ich. Die Wahrheit wird wie so oft in der Mitte
liegen:
Nein, sie darf und kann nicht alles nachmachen, nur um modern zu sein,
nur um „in“ zu sein, nur um nicht hinterher zu hinken.
Sie darf nicht einfach Methoden und Mittel übernehmen, die ihrem
Auftrag und ihrem Wesen entgegen stehen.
Auf der anderen Seite hat Kirche auf dem Markt der Möglichkeiten
auch dem Menschen von heute etwas anzubieten. Oder genauer gesagt:
Gott hat dem Menschen von heute etwas anzubieten. Dem Menschen zumindest,
der auf der Suche nach Sinn ist. Dem Menschen, der sich mit der Leere
in sich nicht zufrieden geben will. Dem Menschen, der sauren Verdienst
für Schönheit, Wellness und Urlaubsanimation ausgegeben
hat, und hinterher auch nicht zufriedener ist als vorher.
Wir sollen ja als Gemeinde, als Pfarrer, als Kirchenvorsteher, als
Mitarbeiter, als Besuchsdienst, als christliche Nachbarin nicht uns
selber verkaufen. Wir sollen nicht unsere Lösungen anbieten,
sondern wir sollen dafür sorgen, dass der Gott, der etwas anzubieten
hat, auch Gehör bekommt. Denn wenn er bei einem Menschen Gehör
findet, dann wird sich der Rest von alleine finden.
Wenn Gott wirklich etwas anzubieten hat, warum nicht alle Phantasie
aufwenden, dass er Gehör findet? Zwei Beispiele: Unter dem Motto
„Das Evangelium unter die Leute bringen" und „Hin
zu den Menschen“ lädt unsere bayerische Landeskirche alle
Interessierten zu einem Kongress nach Nürnberg ein. Da geht es
genau darum: Wie sagen wir in dieser lauten Welt und bei den vielen,
vielen Angeboten das Evangelium so, dass Menschen es heute hören.
Und auch ein aktuelles Beispiel aus Norddeutschland hat mir gefallen:
Da hat man in einer Region alle Eltern angeschrieben, bei denen Kinder
nicht getauft waren. Und gestern wurden nun bei einem großen
Tauffest 62 Kinder aus 43 Familien getauft.
Das Evangelium unter die Leute bringen
„Das Evangelium unter die Leute bringen." Dafür sollten
Christen wirklich auf den Markt gehen, auch alle modernen Kommunikationsmittel
nützen und vielleicht auch einmal laut und frech sein. Wenn die
Evangelische Kirche nicht auf den Markt geht, dann überlässt
sie den Markt den anderen, die lauter und hartnäckiger schreien:
den Freikirchen, den Sekten und den Angstmachern.
1 Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und
die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft
ohne Geld und umsonst Wein und Milch! 2 Warum zählt ihr Geld
dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für
das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr
Gutes essen und euch am Köstlichen laben. 3 Neigt eure Ohren
her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben!
Der Prophet Jesaja macht notgedrungen mit und folgt den Gesetzen des
Marktes. Aber eigentlich ist die Stimme Gottes leiser als die marktschreierischen
Stimmen unserer Zeit.
Öffnen Sie als Predigthörer selbst immer wieder neu Ihre
Ohren. Entfliehen sie dem Geplärr der Kaufhäuser, der Fernseher,
Radios und Autos immer wieder einmal, hinein ins stille Kämmerlein,
oder hinaus in die stille Natur, um auch das Leise zu hören.
Und wenn Sie bei anderen Menschen eine innere Leere sehen oder erahnen,
dann versuchen sie doch, ihnen die Ohren zu öffnen für die
leisen Töne. Dann wir sich der Rest finden. |
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