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Die Predigt vom 17. Juni 2007 (2. Sonntag nach Trinitatis):
»Kirche auf dem Markt«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 2. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist die „große Einladung Gottes". Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis vom großen Abenmahl und Epistel (2. Lesung) die Zugehörigkeit der Heidenchristen zum Volk Gottes. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus Jesaja 55:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
1 Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! 2 Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben. 3 Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben!
Predigt
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Die Predigt
Der Prophet als Marktschreier

Wie ein altorientalischer Marktschreier, wie einer der im heißen Orient allgegenwärtigen Wasserverkäufer steht der Prophet Jesaja auf dem Marktplatz und ringt mit anderen zusammen um die Gunst der Kunden. Und er setzt noch eins drauf: Bei ihm kostet es gar nichts.
1 Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!
Weil es sich hier aber um ein Bibelwort handelt, und weil Jesaja als Prophet die Stimme Gottes ist, vermuten Sie richtig: Das mit der Marktschreierei ist nicht wörtlich gemeint. Er hat was zu verkaufen, ja, er hat was zu verschenken, aber es geht nicht vordergründig um Essen und Trinken. Wenn Gott etwas zu verschenken hat, dann geht es um Entscheidendes. Es geht um das, was wirklich satt macht und in Wahrheit den Durst löscht.

Was den eigentlichen Durst stillt

Hat man nicht manchmal den Verdacht, jemand stillt seinen äußeren Durst nur deswegen übermäßig, weil er meint, damit seinen inneren Durst befriedigen zu können? Der Alkohol kann für begrenzte Zeit Sorgen oder auch eine innere Leere verschwinden lassen. Aber es ist ja allgemein bekannt, dass sie sich nicht ersäufen lassen, sondern nüchtern wieder da sind, vielleicht sogar noch drängender als vorher.
Auch Frustesser soll es geben. Menschen, die aus Unzufriedenheit essen und essen und doch innerlich leer bleiben. Und dann das noch größere Problem der sog. Ess-Brech-Sucht, wo sich Fress- und Fastenattacken abwechseln.
Was wirklich zufrieden und satt macht, kann man sich offensichtlich nicht kaufen. Man kann es sich nur – wie es Jesaja als Marktschreier andeutet –
schenken lassen.

Um das was wirklich zufrieden und satt macht, genau darum geht es dem Propheten Jesaja. Die Fortsetzung zeigt es deutlich:
Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! 2 Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht?
Brot und Wasser, Wein und Milch, sie stehen stellvertretend für das, was wirklich satt macht. Was Menschen brauchen, um innerlich zufrieden und mit sich selbst, der Welt und Gott im Reinen zu sein. Wie viel Geld und saurer Verdienst mag dafür hingelegt werden? Was wird da nicht alles angeboten und ausgegeben?

Das Evangelium anbieten wie eine Ware?

Wird aber der, der wirklich für Leib und Seele etwas anzubieten hat, auch gehört? Jesaja:
Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben. 3 Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben!
Wenn die moderne Welt um uns herum so laut und penetrant Werbung macht: Wenn nur der gehört wird, der am lautesten schreit; die Zeitung gelesen wird, die die größten Buchstaben und einfachsten Sätze hat; der Elektronikmarkt vorne dran ist, der die frechsten Ansagen hat; - dann bleibt Gott offenbar nichts weiter übrig, als sich den Menschen genauso hartnäckig und laut anzubieten.
Wenn für oft unnötige Dinge so viel Werbung und Lärm gemacht wird, wäre es nicht wirklich angebracht, für das, was wirklich satt macht, genauso laut und mutig und frech zu werben?
Aber hat Gott das wirklich nötig? So könnte man fragen. Hat der Prophet Jesaja wirklich angemessen von Gott geredet, wenn er ihn wie einen Marktschreier reden lässt? Können Sie sich einen Pfarrer auf dem Marktplatz vorstellen im Konzert und in Konkurrenz mit Bananen-Ede, Obst-Erich und Wurst-Helmut, oder wie sie alle heißen mögen?

Jesus bietet sich selbst an

In den Worten des Propheten Jesaja lässt Gott sich tatsächlich auf diese Stufe herab, um dem Menschen nahe zu sein. Er lässt sich herab, nicht weil er etwas zu verkaufen, sondern weil er etwas zu verschenken hat. Er schickt auch nicht wie der Hausherr im vorhin gehörten Gleichnis seine Boten auf die Straßen und an die Zäune, sondern er geht selber. 500 Jahre nach Jesaja wird er in der Person Jesu selber kommen und mit ähnlichen Worten zu sich einladen. Johannes 7:
37 Aber am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! 38 Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. (Joh 7,37-38)

Kirche und Werbung

Und Kirche und Gemeinde heute: Darf sie das? Darf sie marktschreierisch auftreten? Muss sie alle modernen Methoden der Werbung und der Verkaufsstrategien mitmachen und nachmachen?
Ja und nein, meine ich. Die Wahrheit wird wie so oft in der Mitte liegen:
Nein, sie darf und kann nicht alles nachmachen, nur um modern zu sein, nur um „in“ zu sein, nur um nicht hinterher zu hinken. Sie darf nicht einfach Methoden und Mittel übernehmen, die ihrem Auftrag und ihrem Wesen entgegen stehen.
Auf der anderen Seite hat Kirche auf dem Markt der Möglichkeiten auch dem Menschen von heute etwas anzubieten. Oder genauer gesagt: Gott hat dem Menschen von heute etwas anzubieten. Dem Menschen zumindest, der auf der Suche nach Sinn ist. Dem Menschen, der sich mit der Leere in sich nicht zufrieden geben will. Dem Menschen, der sauren Verdienst für Schönheit, Wellness und Urlaubsanimation ausgegeben hat, und hinterher auch nicht zufriedener ist als vorher.
Wir sollen ja als Gemeinde, als Pfarrer, als Kirchenvorsteher, als Mitarbeiter, als Besuchsdienst, als christliche Nachbarin nicht uns selber verkaufen. Wir sollen nicht unsere Lösungen anbieten, sondern wir sollen dafür sorgen, dass der Gott, der etwas anzubieten hat, auch Gehör bekommt. Denn wenn er bei einem Menschen Gehör findet, dann wird sich der Rest von alleine finden.
Wenn Gott wirklich etwas anzubieten hat, warum nicht alle Phantasie aufwenden, dass er Gehör findet? Zwei Beispiele: Unter dem Motto „Das Evangelium unter die Leute bringen" und „Hin zu den Menschen“ lädt unsere bayerische Landeskirche alle Interessierten zu einem Kongress nach Nürnberg ein. Da geht es genau darum: Wie sagen wir in dieser lauten Welt und bei den vielen, vielen Angeboten das Evangelium so, dass Menschen es heute hören.
Und auch ein aktuelles Beispiel aus Norddeutschland hat mir gefallen: Da hat man in einer Region alle Eltern angeschrieben, bei denen Kinder nicht getauft waren. Und gestern wurden nun bei einem großen Tauffest 62 Kinder aus 43 Familien getauft.

Das Evangelium unter die Leute bringen

„Das Evangelium unter die Leute bringen." Dafür sollten Christen wirklich auf den Markt gehen, auch alle modernen Kommunikationsmittel nützen und vielleicht auch einmal laut und frech sein. Wenn die Evangelische Kirche nicht auf den Markt geht, dann überlässt sie den Markt den anderen, die lauter und hartnäckiger schreien: den Freikirchen, den Sekten und den Angstmachern.

1 Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! 2 Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben. 3 Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben!

Der Prophet Jesaja macht notgedrungen mit und folgt den Gesetzen des Marktes. Aber eigentlich ist die Stimme Gottes leiser als die marktschreierischen Stimmen unserer Zeit.
Öffnen Sie als Predigthörer selbst immer wieder neu Ihre Ohren. Entfliehen sie dem Geplärr der Kaufhäuser, der Fernseher, Radios und Autos immer wieder einmal, hinein ins stille Kämmerlein, oder hinaus in die stille Natur, um auch das Leise zu hören. Und wenn Sie bei anderen Menschen eine innere Leere sehen oder erahnen, dann versuchen sie doch, ihnen die Ohren zu öffnen für die leisen Töne. Dann wir sich der Rest finden.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de