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Die Predigt vom 25. November 2001: »In Abrahams Schoß«


Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche beging den Letzten Sonntag des Kirchenjahres, den Ewigkeitssonntag, der auch als „Gedenktag der Entschlafenen“ (Totensonntag) begangen werden kann. Der Predigttext für den letzteren kam aus dem Matthäusevangelium Kapitel 22. Voraus ging die Verlesung der Namen der Verstorbenen und das Chorstück „Ach Herr, lass dein lieb Engelein“.

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  23 An demselben Tage traten die Sadduzäer zu Jesus, die lehren, es gebe keine Auferstehung, und fragten ihn 24 und sprachen: Meister, Mose hat gesagt (5. Mose 25,5.6): »Wenn einer stirbt und hat keine Kinder, so soll sein Bruder die Frau heiraten und seinem Bruder Nachkommen erwecken.« 25 Nun waren bei uns sieben Brüder. Der erste heiratete und starb; und weil er keine Nachkommen hatte, hinterließ er seine Frau seinem Bruder; 26 desgleichen der zweite und der dritte bis zum siebenten. 27 Zuletzt nach allen starb die Frau. 28 Nun in der Auferstehung: wessen Frau wird sie sein von diesen sieben? Sie haben sie ja alle gehabt. 29 Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes. 30 Denn in der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel. 31 Habt ihr denn nicht gelesen von der Auferstehung der Toten, was euch gesagt ist von Gott, der da spricht (2. Mose 3,6): 32 »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. 33 Und als das Volk das hörte, entsetzten sie sich über seine Lehre.

Predigt

  In Abrahams Schoß

"Ach, Herr, lass dein lieb Engelein an meinem End die Seele mein in Abrahams Schoß tragen." Dieses Bild aus dem jüdischen Glauben stammt aus der Erzählung vom reichen Mann und armen Lazarus. Den Lazarus tragen die Engel nach seinem Tod in Abrahams Schoß. (Lk 16,22) Bei jemand auf dem Schoß sitzen, heißt, gut aufgehoben, geschützt und geborgen zu sein. Bei Abraham, dem Stammvater des Glaubens geborgen sein, das ist so ähnlich, wie wenn es im Alten Testament von einem Verstorbenen heißt: "Er wurde versammelt zu seinen Vätern."

Wo sind die Verstorbenen?

Ja, wo sind sie nun, jene 37, deren Namen ich gerade verlesen habe? Wo sind und bleiben die Verstorbenen – außer in der Erinnerung? Darauf wollen die Lesetexte des "Gedenktags der Entschlafenen", im Volksmund "Totensonntag", Andeutungen und Antworten geben. Und sie antworten erst einmal ausweichend, indem nämlich die alte Frage nach dem Leben nach dem Tod in ihnen gar nicht begegnet:

Vom Leben nach der Auferstehung hören wir etwas, nicht aber vom Leben nach dem Tod. So ist es kein Wunder, daß sich immer wieder Menschen Gedanken gemacht haben: Wo ist und bleibt nun ein Mensch zwischen seinem Tod und der Auferstehung? Denn die geschieht ja nach der Bibel an allen Menschen zugleich. Jeder aber stirbt zu einem anderen Zeitpunkt.

Vom sogenannten Seelenschlaf

Die eine Antwort, angeregt von der Bibel ist: Sie schlafen, sie ruhen bis zur Auferstehung. So hören Sie es auch in der Fortsetzung der Liedstrophe von vorhin: „Ach Herr, laß dein lieb' Engelein an meinem End die Seele mein in Abrahams Schoß tragen. Der Leib in seim Schlafkämmerlein gar sanft ohn alle Qual und Pein ruh bis zum Jüngsten Tage.“

Andere antworten auf diese Frage: Ihr wollt Dinge wissen, für die euer menschlicher Verstand nicht reicht: Wenn jemand tot ist, gibt es für ihn keine Zeit mehr. Die Zeit gehört allein zu diesem irdischen Leben. So gibt es auch für die Verstorbenen keine Zeit zwischen Tod und Auferstehung. Der persönliche Tod und die allgemeine Auferstehung fallen für sie in eins zusammen. Wir können das nur aus unserer irdischen, d.h. an die Zeit gebundenen Sicht nicht begreifen.

Die Grenzen des Verstands

Wie begrenzt unser Verstand in dieser Frage ist, zeigt auch der heutige Abschnitt für den Gedenktag der Entschlafenen aus dem Matthäusevangelium Kapitel 22:

23 An demselben Tage traten die Sadduzäer zu Jesus, die lehren, es gebe keine Auferstehung, und fragten ihn 24 und sprachen: Meister, Mose hat gesagt (5. Mose 25,5.6): »Wenn einer stirbt und hat keine Kinder, so soll sein Bruder die Frau heiraten und seinem Bruder Nachkommen erwecken.« 25 Nun waren bei uns sieben Brüder. Der erste heiratete und starb; und weil er keine Nachkommen hatte, hinterließ er seine Frau seinem Bruder; 26 desgleichen der zweite und der dritte bis zum siebenten. 27 Zuletzt nach allen starb die Frau. 28 Nun in der Auferstehung: wessen Frau wird sie sein von diesen sieben? Sie haben sie ja alle gehabt. 29 Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes. 30 Denn in der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel. 31 Habt ihr denn nicht gelesen von der Auferstehung der Toten, was euch gesagt ist von Gott, der da spricht (2. Mose 3,6): 32 »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. 33 Und als das Volk das hörte, entsetzten sie sich über seine Lehre.

Die Sadduzäer und die Auferstehung

Von den Sadduzäern wird uns hier erzählt. Sie waren eine der verschiedenen Volksgruppen zur Zeit Jesu, von denen wir im Neuen Testament hören: neben den Pharisäern, von denen man als Hauptgegner Jesu am meisten hört, neben den Zeloten (also den Widerstandskämpfern gegen die Römer) und neben dem einfachen Volk. Die Sadduzäer, das waren die Adeligen, die Honoratioren. Konservativ waren sie: darauf bedacht, daß alles bleibt, wie es ist. Konservativ auch insofern, daß sie als Glaubenslehre nur akzeptierten, was in den fünf Büchern Mose steht. Und dort findet sich die Auferstehung nicht. Im Alten Testament bleibt der Blick ausgerichtet auf dieses eine irdische Leben vor Gott. Auch ein Stück materialistisches Denken kam bei den Sadduzäern hinzu: Glauben kann man nur, was man sehen und greifen kann. Alles andere ist Unfug.

Ja, sie hatten wohl auch ein bißchen Recht mit ihrer Kritik, denn offensichtlich hatte man sich damals im Volksglauben das Leben der Auferstehung allzu menschlich, allzu blumig und phantasievoll ausgemalt: als eine Art himmlisches Schlaraffenland.

Jesus und die Auferstehung

Nun soll Jesus als Rabbi, als Schriftgelehrter vor diesen Sadduzäern Farbe bekennen, was er zu dieser Sache sagt. Er soll sich stellen, damit man ihn einordnen kann: Die Pharisäer nämlich, die rechneten mit einem Leben nach dem Tod. Ob sie wirklich eine ernste Antwort erwartet haben? Mit ihrer Frage nach den sieben Brüdern machen sie das Ganze eher ein wenig lächerlich: Es hätte ja genügt, von zwei Brüdern zu reden, die dieselbe Frau hatten, um dann zu fragen: Wem gehört sie nun am Ende?

Aber Jesus lässt sich auf ihre scheinheilige Logik gar nicht ein: "Ihr irrt, weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes. In der Auferstehung werden die Menschen sein wie Engel im Himmel." Auf deutsch: Eure Frage ist keine Frage. Denn eure Vorstellung ist zu menschlich, zu irdisch, zu vordergründig. Sie ist Gott und dem neuen Leben bei Gott nicht angemessen. Was euch nach Tod und Auferstehung erwartet, läßt sich nicht mit irdischen, mit menschlichen Begriffen fassen und beschreiben. Es ist un-greif-bar und undenkbar: So wie sich ein Engel von einem Menschen unterscheidet, so unterscheiden sich das jetzige und das künftige Leben. Unser irdischer Wortschatz und unser irdisches Hirn reichen nicht für die Dinge, die darüber hinaus gehen. Es ist wie eine andere, neue Dimension, von der wir Menschen, die wie nur in drei Dimensionen denken können, uns keinen Begriff machen können.

Wie aus einer anderen Dimension

Mit Worten des Apostels Paulus aus dem 1. Brief an die Korinther: Aber vielleicht fragt einer: »Wie soll denn das zugehen, wenn die Toten auferstehen? Was für einen Körper werden sie dann haben?« Wie kannst du nur so fragen! Wenn du einen Samen ausgesät hast, muß er zuerst sterben, damit die Pflanze leben kann. Du säst nicht die ausgewachsene Pflanze, sondern nur den Samen, ein Weizenkorn oder irgendein anderes Korn. Gott aber gibt jedem Samen den Pflanzenkörper, den er für ihn bestimmt hat. Auch die Lebewesen haben ja nicht alle ein und dieselbe Gestalt. So könnt ihr euch auch ein Bild von der Auferstehung der Toten machen. Was in die Erde gelegt wird, ist vergänglich; aber was zum neuen Leben erweckt wird, ist unvergänglich. Was in die Erde gelegt wird, ist schwach und häßlich; aber was zum neuen Leben erweckt wird, ist stark und schön. Was in die Erde gelegt wird, war von natürlichem Leben beseelt; aber was zu neuem Leben erwacht, wird ganz vom Geist Gottes beseelt sein. Wenn es einen natürlichen Körper gibt, muß es auch einen vom Geist beseelten Körper geben. Jetzt gleichen wir dem Menschen, der aus Erde gemacht wurde. Später werden wir dem gleichen, der vom Himmel gekommen ist.

Totaliter aliter

Oder eine Legende aus dem Mittelalter erzählt von zwei Mönchen: Sie treffen miteinander eine Vereinbarung, daß der erste, der von beiden stirbt, dem anderen irgendwie eine Mitteilung zukommen lassen soll, wie es dann dort aussieht. Sieht es so aus, wie beide es sich in ihrer Phantasie ausrechneten, dann hieße die Botschaft "taliter", auf deutsch: "genauso". Ansonsten hieße sie "aliter", auf deutsch: "anders". So stirbt also der eine, und der andere wartet neugierig auf eine Botschaft, die er dann auch erhält. Sie lautet: "totaliter aliter", auf deutsch: "völlig, total anders".

Wie eine neue Schöpfung

"Ihr irrt, weil ihr die Kraft Gottes nicht kennt", antwortet Jesus den Sadduzäern: Ihr unterschätzt Gott und seine schöpferischen Möglichkeiten. Gott schafft ganz Neues und Undenkbares. So wie er am Anfang die Welt und jeden Menschen als ein Individuum geschaffen hat, so geschieht nach unserem Leben eine ganz neue Schöpfung zu einer ganz neuen und anderen Existenz, für die es keine Worte gibt, und von der man nur sagen kann, was nicht sein wird: „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“ (Offb 21,4-5)

In Gottes Hand

"Ihr irrt, weil ihr die Schrift nicht kennt." Das erläutert Jesus noch: "Habt ihr den nicht gelesen von der Auferstehung der Toten, was euch gesagt ist von Gott, der da spricht: »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.«? Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden." Gott stellt sich dem Mose in der Erzählung vom brennenden Dornbusch vor, indem er sagt: "Ich bin nicht nur dein Gott hier und heute, sondern auch der Gott eurer Väter und Vorfahren. Sie sind für mich nicht tot, sondern lebendig. Sie zählen für mich. Ich lasse sie nicht aus den Augen. Sie sind und bleiben in meiner Hand."

Oder in den Worten des Johannesevangeliums: "Ich gebe ihnen das ewige Leben und sie werden nimmermehr umkommen und niemand wird sie aus meiner Hand reißen." (Joh 10,28-29) Mit diesen einfachen bildhaften Worten also gibt sich unser Neues Testament zufrieden: Wir und auch unsere Toten, wir stehen gemeinsam in Gottes Hand. Sollten wir uns nicht auch damit zufrieden geben? Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de