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predigt[e].de

Die Predigt vom 9. Dezember 2001: »Kopf hoch!?«


Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche beging am Sonntag den 2. Advent, der das Wiederkommen Jesu am Ende der Zeiten zum Thema hat. Der Predigt lag ein Adventslied in Verbindung mit dem Wochenspruch zugrunde:

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  1. V Kündet allen in der Not; fasset Mut und habt Vertrauen.
Bald wird kommen unser Gott; herrlich werdet ihr ihn schauen.
A Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.
2. V Gott naht sich mit neuer Huld, daß wir uns zu ihm bekehren;
er will lösen unsre Schuld, ewig soll der Friede währen.
A Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.
3. V Aus Gestein und Wüstensand werden frische Wasser fließen;
Quellen tränken dürres Land, überreich die Saaten sprießen.
A Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.
4. V Blinde schaun zum Licht empor, Stumme werden Hymnen singen,
Tauben öffnet sich das Ohr, wie ein Hirsch die Lahmen springen.[a]
A Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.
5. V Gott wird wenden Not und Leid. Er wird die Getreuen trösten,
und zum Mahl der Seligkeit ziehen die vom Herrn Erlösten.
A Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.

Predigt

  Kopf hoch!

"Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht." "Seht auf und erhebt eure Häupter." Damit ist nicht jenes "Kopf hoch!" gemeint, mit dem manchmal Menschen abgespeist werden.

"Kopf hoch", das hören Trauernde, deren Trauer nicht so schnell aufhören will, wie die Nachbarn oder Verwandten es gerne hätten. "Reiß dich doch endlich zusammen. Das Leben geht weiter."

"Kopf hoch!" "Halt die Ohren steif!", das hören Menschen, die es wagen, auf Nachfrage von ihren Schmerzen und Leiden zu erzählen. So ernst hatte es der andere mit seinem "Na, wie geht es dir?" ja gar nicht gemeint. "Kopf hoch!", damit ist man schnell mit einem Menschen fertig. Doch man überlässt ihn auch sich selber. Niemand sagt ihm, wie er das machen soll: Kopf hoch. Soll er sich vielleicht wie Münchhausen am eigenen Schopf herausziehen?

Gott tut den ersten Schritt

"Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht." Das ist die Botschaft des 2. Advent: Nicht wir müssen etwas tun, denn es ist schon alles für uns getan. Der zweite Halbsatz, ist entscheidend. Er kommt als sog. Nebensatz in unserer deutschen Sprache zwar weiter hinten, aber von der Zeit her gesehen liegt er vorher: Die Erlösung naht sich. Der Erlöser naht sich. Die Hilfe ist unterwegs. Wir müssen nicht mehr als die Augen aufmachen, die Augen aufheben und es wahrnehmen. Advent ist die Jahreszeit derer, die sich noch etwas erwarten. Und das ist nicht an die Zeit vor Weihnachten gebunden. Advent ist die Zeit derer, sich von Gott noch etwas erwarten.

Ein neues Adventslied

Diese Adventsbotschaft hat jemand in schöne und zeitgemäße Worte zum Sprechen und Singen gefasst in einem neuen Adventslied in unserem Gesangbuch. Das möchte ich Ihnen heute lieb machen und ans Herz legen: "Kündet allen in der Not", Nr. 540 im Gesangbuch. Ich will das Lied mit Ihnen Vers für Vers bedenken und auch Vers für Vers singen.

"Friedrich Dörr 1972" steht darunter. Dörr war katholischer Priester und hat maßgeblich an der Entstehung des "Gotteslob", des katholischen Gesangbuchs mitgewirkt. Leider fehlt das übliche ö für die ökumenischen Lieder unter der Liednummer.

Gott hat dich nicht vergessen

1. Kündet allen in der Not; fasset Mut und habt Vertrauen. Bald wird kommen unser Gott; herrlich werdet ihr ihn schauen. Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.

"Kündet allen in der Not." Jede Not ist angesprochen und mitbedacht: Die Not einer Trauernden. Die Not eines Kranken, eines Depressiven, einer Einsamen, einer Alten. Jede Not, die Sie heute selber heimlich in den Gottesdienst mitgebracht haben. Doch nicht die Menschen in Not sind zuerst angesprochen, sondern wir anderen, die auf sie aufmerksam werden sollen: Speist die Menschen in der Not nicht mit einem "Kopf hoch" ab, sondern erzählt Ihnen von dem Gott, der sich zu ihnen auf den Weg gemacht hat. "Fasst Mut und habt Vertrauen." Gott hat noch etwas vor mit dir. Er hat dich noch nicht vergessen. "Allen Menschen gilt sein Heil." Und du hast immer gedacht, dich sieht er nicht mehr. Wir singen die erste Strophe dieses Liedes.

Gute Botschaft

2. Gott naht sich mit neuer Huld, daß wir uns zu ihm bekehren; er will lösen unsre Schuld, ewig soll der Friede währen. Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.

Das ist evangelische Botschaft aus dem Mund eines katholischen Priesters. Das ist die Botschaft von der sog. Rechtfertigung, über die sich Evangelische und Katholische Kirche vor zwei Jahren in Augsburg einig geworden sind: Gott tut den ersten Schritt und macht dadurch unseren zweiten Schritt möglich. Nicht andersherum, dass sich Gott erst dem zuwenden würde, der mit aller Kraft von sich aus ihm entgegengekommen ist. Nicht wir gehen auf Gott zu, sondern er kommt auf uns zu.

Aber auch das ist Evangelium: dass ich, weil Gott gnädig auf mich zu kommt, nicht bleiben muss, nicht bleiben brauche, wie ich bin. Ich kann anders werden, ich darf mich ändern, mich zu ihm bekehren. Beichte und Abendmahl lösen die Verstrickung der Schuld und schenken Frieden zwischen Gott und Mensch. Wir singen die zweite Strophe des Liedes.

Von der inneren Dürre

3. Aus Gestein und Wüstensand werden frische Wasser fließen; Quellen tränken dürres Land, überreich die Saaten sprießen. Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.

"Gestein, Wüstensand, dürres Land". Damit ist in diesem Adventslied weniger die Dürre und der Hunger in Afghanistan gemeint, auch wenn es dort nun für die wartenden Menschen Advent werden muss. Die humanitären Anstrengungen dürfen nicht kleiner bleiben als die militärischen.

Die innere Dürre ungeduldiger, wartender Menschen ist gemeint, wie sie in den Psalmen begegnet, z.B. Ps 143 Vers 6: Ich breite meine Hände aus zu dir, meine Seele dürstet nach dir wie ein dürres Land. Und noch mehr: Es wird mit diesen Bildern auch ein Blick in Gottes neue Welt geworfen, wo kein Leid, kein Geschrei und kein Schmerz mehr sein wird. Wir singen die dritte Strophe des Liedes.

Bilder für die Seele

4. Blinde schaun zum Licht empor, Stumme werden Hymnen singen, Tauben öffnet sich das Ohr, wie ein Hirsch die Lahmen springen. Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.

Bilder aus dem Propheten Jesaja nimmt Friedrich Dörr zu Hilfe, um von Gottes Nähe zu reden. Jesaja 35: 1 Die Wüste und Einöde wird frohlocken, und die Steppe wird jubeln und wird blühen wie die Lilien. 3 Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! 4 Sagt den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt ... und wird euch helfen.« 5 Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. 6 Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande.

Sie mögen Zukunftsmusik sein. Doch wir brauchen solche Bilder in einer Welt wie heute, die von Bildern lebt. Die Augen werden so mit Bildern überschüttet, dass es oft besser wäre, man würde sie für eine Zeit schließen. Was wir hier lesen, sind Bilder für die Seele, Bilder, die sie nötig hat wie Labsal. Wir singen die vierte Strophe des Liedes.

Vom Warten auf den Morgen

5. Gott wird wenden Not und Leid. Er wird die Getreuen trösten, und zum Mahl der Seligkeit ziehen die vom Herrn Erlösten. Allen Menschen wird zuteil Gottes Heil.

Nach der Melodie "Morgenglanz der Ewigkeit" ist dieses Lied gedichtet. Es erinnert als Morgenlied daran, dass das erste Licht eines neuen Tages wie ein kleiner Blick in Gottes Ewigkeit ist. Am besten können das wahrscheinlich Menschen verstehen, die einmal nachts wach liegen, nicht nur zur Ruhe finden, jeden Schlag der Uhr zählen und sehnsüchtig auf den ersten Lichtstrahl warten, der ihnen sagt: Diese Nacht ist vorüber. Zu so einem kleinen Blick in die Ewigkeit will auch dieses Adventslied ermuntern: Jener Ewigkeit, von der in der Bibel immer wieder als Festmahl an Gottes Tisch geredet wird.

Doch zum Schluss des Liedes noch einmal zurück zum Beginn. "Kündet allen in der Not." Damit sind nicht zuerst die in der Not angesprochen, sondern wir anderen als Nothelfer: Speisen wir doch die Menschen um uns herum nicht mit Botschaften ab, auch nicht mit frommen Botschaften. Sie müssen Gottes Heil auch dadurch erfahren können, dass wir versuchen, Not und Leid zu wenden und zu trösten, wo es möglich ist. Wir singen die fünfte und letzte Strophe des Liedes.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de