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predigt[e].de

Die Predigt vom 24. Dezember 2001: »Auf der Suche«


Kirchenjahr

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  Der 24. Dezember wird als Heiliger Abend, als Vorabend des Weihnachtsfestes, gefeiert. Predigttext der Christmette war ein Abschnitt aus dem Brief an die Kolosser Kapitel 2:

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  3 In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. 4 Ich sage das, damit euch niemand betrüge mit verführerischen Reden. 5 Denn obwohl ich leiblich abwesend bin, so bin ich doch im Geist bei euch und freue mich, wenn ich eure Ordnung und euren festen Glauben an Christus sehe. 6 Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm 7 und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar. 8 Seht zu, daß euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus. 9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, 10 und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.

Predigt

  Ein Weihnachtstext für Erwachsene

Was da als Bibelwort für diese Heilige Nacht ausgesucht ist, ist auf den ersten Blick kein Weihnachtstext. Christus kommt vor, ja. Aber keine Hirten, keine Engel, keine Krippe, auch nicht Maria und Josef. Alles das, worauf jemand vielleicht heimlich gewartet hat. Aber dennoch, beim zweiten oder dritten geduldigen Hinhören, in meinen Augen doch ein Weihnachtstext, ein Weihnachtstext für Erwachsene. Man darf erwachsenen Christen zumuten, dass sie bei Weihnachten nicht am Äußeren hängen bleiben: an Ochs und Esel, dem lieblichen Kind, dem Stall, der Krippe und den niedlichen Engeln. Auch wenn sie an Weihnachten wieder zu Kindern werden, dürfen und sollen Erwachsene tiefer blicken und nach dem Kern ihres Glaubens fragen. Aus dem Brief an die Kolosser jener Abschnitt, der mit der Losung für dieses zu Ende gehende Jahr beginnt:

3 In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. 4 Ich sage das, damit euch niemand betrüge mit verführerischen Reden. 5 Denn obwohl ich leiblich abwesend bin, so bin ich doch im Geist bei euch und freue mich, wenn ich eure Ordnung und euren festen Glauben an Christus sehe. 6 Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm 7 und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar. 8 Seht zu, daß euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus. 9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, 10 und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.

Weihnachten: Die Geschichte von der Suche

Eine Weihnachtsgeschichte für Erwachsene, denn die Weihnachtsgeschichte ist in ihrem Kern die Geschichte von der Suche und der Sehnsucht der Menschen nach dem Heil. Sie ist die Geschichte von der Suche nach dem, worauf ich mich wirklich verlassen kann, was mein Leben trägt und was ihm Sinn verleiht. Das zeigen die drei Weisen, die sich suchend auf den weiten Weg gemacht haben. Das zeigen auch die Hirten als die ersten Sucher und Be-sucher des Kindes.

5 Denn obwohl ich leiblich abwesend bin, so bin ich doch im Geist bei euch ...

So schreibt hier der Apostel Paulus. Er macht sich um seine Gemeinde im fernen Kolossä Sorgen. Die suchenden Menschen dort und ihr Heil liegen ihm am Herzen. Und weil er als Gefangener nicht persönlich da sein kann, schreibt er einen Brief. Worum geht es? Die Gemeindeglieder dort sind in der Gefahr, modernen Verführungen und Einflüsterungen nachzugeben. Sie sind in der Gefahr, ihren bewährten Glauben wegzuwerfen für das, was jetzt gerade in ist. Ergänzungsbedürftig sei ihr Glaube, so redet man ihnen ein. Nicht mehr up to date. Deswegen Paulus:

Nach den Wurzeln fragen

7 seid in Christus verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar.

Verwurzelt, gegründet, fest. Die drei Worte zeigen: Es geht bei der Frage nach dem Glauben darum, ob ein Mensch festen Boden unter den Füßen hat oder nicht: Manche haben offenbar keine rechten Wurzeln mehr. Sie wissen nicht mehr, wo und wie sie Lebensenergie bekommen und Sinn schöpfen können. Wie ein entwurzelter Baum stehen sie in der Gefahr, vom nächsten Lebenssturm geschüttelt und vielleicht umgeworfen zu werden. Manche haben keinen Grund mehr. Der Boden unter ihren Füßen wird ihnen weggezogen. Worauf soll man nun noch stehen? Worauf soll man sich verlassen? Was trägt noch für die Zukunft? Manche haben keine Festigkeit mehr. Sie schwanken und lassen sich einmal hierher und dann wieder dorthin ziehen. Hilflos ausgeliefert den Einflüsterungen und Heilsangeboten ihrer Zeit. Menschen auf der Suche nach dem, was sie hält und trägt, werden so unversehens zum willkommenen Opfer derer, die ihnen Heil verkaufen wollen: neues Heil, besseres Heil, das Heil der modernen Zeit.

Menschen auf der Suche

Es soll ja Pfarrer geben, die schimpfen die vielen noch, die da in der Heiligen Nacht kommen, weil sie sonst so selten da sind. Ich will es genau andersherum verstehen: Ich will Sie verstehen als Menschen, die auf der Suche sind. Heimlich oder auch offen auf der Suche nach dem Heil. Auf der Suche nach Verwurzelung, nach Boden unter den Füßen, nach Festigkeit. Jawohl, da sind Sie heute im Kirchenjahr richtig. Da sind Sie auf dem rechten Weg und am rechten Ort. Was macht der Apostel, um die auf der Suche hinzuweisen auf das, worauf es ankommt? Er beginnt nicht mit einem Tadel, sondern der beginnt mit Lob:

5 Denn obwohl ich leiblich abwesend bin, so bin ich doch im Geist bei euch und freue mich, wenn ich eure Ordnung und euren festen Glauben an Christus sehe.

Paulus weiß: Erreichen kann man die Herzen der Menschen nur, wenn man gut zu ihnen ist, nicht, wenn man sie mit Tadel empfängt. Wenn man gut zu ihnen ist, dann hören sie sich vielleicht auch Kritisches an. Wenn man sie auf ihre Erfolge anspricht, dann lassen sie sich vielleicht auch einladen, wie sie es noch besser machen könnten. Und so freut er sich erst einmal über das, was da ist: Da ist ja Glauben. Er hat ja keine Heiden vor sich. Sie haben ja alle irgendeine Geschichte mit Gott.

Die eigenen Wurzeln suchen

6 Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm.

Und dann erinnert Paulus die Suchenden daran, daß sie ja alle schon lange etwas haben, worauf sie sich verlassen könnten. Besser: Sie haben einen, auf den sie sich verlassen könnten. Sie sind getauft. Sie sind angenommen. Damit hätten sie ja Wurzeln, Grund und Festigkeit. Es käme nur darauf an, das wieder aus seiner Versenkung hervorzuholen, das wieder neu auszuprobieren und zu leben. Es käme darauf an, damit Ernst zu machen. Was nämlich nicht gelebt und nicht geübt wird, verliert an Kraft und Bedeutung. Es trägt und hält nicht mehr. Es kann seine Kraft nicht mehr entwickeln. Und dann sind Menschen auf einmal anfällig für alles mögliche andere, was da faszinierend und modern daher kommt. Wer selber keinen festen Grund mehr hat, der kann auch nicht mehr unterscheiden. Der kann hinter den faszinierenden Fassaden den Betrug nicht mehr erkennen. Paulus:

Moderne Verführer

4 Ich sage das, damit euch niemand betrüge mit verführerischen Reden. 8 Seht zu, daß euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus.

Das gilt auch heute noch für viele der Angebote, die unter dem Mäntelchen "Esoterik" oder unter dem Mäntelchen "Wellness" so marktschreierisch daher kommen: Sie sind "leerer Trug": Leer sind sie, weil sie keinen Inhalt haben, keinen Wert, weil sie nicht satt machen. Sie betrügen: Es geht nicht um das Heil dessen, der sich darauf verläßt, sondern oft genug um das Heil dessen, der seinen Profit davon hat.

8 Seht zu, daß euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus.

Warum fallen so viele, ja v.a. so viele Gebildete darauf herein: Vielleicht können wir in dieser so überspannten Zeit wirklich nicht mehr glauben, daß das Wahre, Tragende und Entscheidende gerade im Kleinen, im Unscheinbaren, im Unspektakulären und Altbewährten zu finden ist. Wenn uns etwas reizen soll, darf es nicht alt sein, sondern es muß es immer größer, mächtiger, farbiger und gestylter daherkommen. Und so will uns manche dieser neuen Religionen und Sekten glauben machen, auch der alte Gott der Bibel habe ausgedient und passe nicht mehr in die heutige Zeit: zu einfach, zu mißverständlich, zu billig, nicht auf der Höhe der Zeit, ohne intellektuellen Anspruch. Nein, sagt Paulus:

Der „alte“ Christus reicht

3 In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. 9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, 10 und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.

Wenn jemand auf der Suche nach Weisheit ist für diese heutige Zeit. Wenn jemand neue Erkenntnis gewinnen will. Wenn jemand den Schatz sucht, der ihn glücklich machen soll. - Hier findet er ihn, da wo ihn suchende Menschen schon über Jahrhunderte immer wieder gefunden haben: In dem Christus, der ganz Mensch und einer von uns geworden ist. Nicht die neuen Schätze sind es, die wirklich glücklich machen, sondern der eine alte Schatz. Doch dieser Schatz, so sagt es Paulus, der liegt verborgen. Und wer Verborgenes für sich entdecken will, muß sich auf die Suche machen. Er muß bereit sein, sich überraschen zu lassen. Bereit auch, seine eigenen Vorstellungen über den Haufen werfen zu lassen. Wer das nicht tut, wie damals die Weisen oder die Hirten, der findet nichts.

Zurück also in diesen Tagen zur alten und immer neuen Wahrheit der Kinderzeit. Diese Wahrheit ist dieselbe geblieben. Christus ist der derselbe geblieben. Und er reicht in seiner unerschöpflichen Fülle für das Kind wie für den Erwachsenen. Nicht das Christkind ist ergänzungsbedürftig für den Erwachsenen oder für diese moderne Zeit. Wohl aber unser Glaube: Aus dem Kinderglauben muß ein Erwachsenenglaube werden. Der Kinderglaube muß durchdacht, neu überlegt, auch kritisiert, ja vielleicht sogar weggeworfen werden, damit er erwachsen und reif werden kann. Oder mit dem Begriff der Schatzsuche: Nicht neue Schätze sollen wir suchen, sondern den einen alten Schatz in einer anderen Lebenssituation oder einem anderen Lebensalter neu für uns entdecken. Dieser eine Christus, von uns je und je neu durchdacht und neu angenommen, ist die beste Versicherung gegen die unqualifizierten Heilsangebote der heutigen Zeit.

Oder abschließend mit Worten von Martin Luthers deftiger Sprache: "Der Sohn Gottes will nicht im Himmel gesehen und gefunden werden. Daher ist er vom Himmel herabgestiegen auf diese, unsere Erde. So ermahne ich jedermann, daß man das Spekulieren anstehen lasse und flattere nicht zu hoch. Bleibe hienieden bei der Krippe und Windeln, darin Christus liegt, der Krippenherr und Windelfürst. Er säuget an der Mutter Brust und ißt den Brei. Er hänget am Kreuz. In ihm wohnt die Fülle der Gottheit leibhaftig. Da kann man Gottes nicht fehlen, sondern trifft und findet ihn gewißlich." Das walte Gott. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de