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Die Predigt vom 25. Dezember 2001: »Ein Kind werden«


Kirchenjahr

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  Thema des Weihnachtsfestes ist die Menschwerdung, die Kindwerdung Gottes. Predigttext war die „Weihnachtsgeschichte“ des Paulus steht im Galaterbrief im 4. Kapitel. Die Predigt nimmt auch Bezug auf die Taufe, die im Gottesdienst gefeiert wurde.

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, 5 damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen. 6 Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater! 7 So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott.

Predigt

  Das Fest der Kinder

Weihnachten ist das Fest der Kinder. [Deswegen ist es schön, liebe Familie Färber, dass mit Ihrer Leonie heute ein Kind in den Mittelpunkt gestellt wird.] Weihnachten ist das Fest der Kinder: Nicht so sehr, weil Kinder noch so unbeschwert Weihnachten feiern und sich beschenken lassen können. Nicht so sehr wegen der leuchtenden Kinderaugen. Weihnachten ist das Fest der Kinder, weil Gott ein Kind geworden ist. Nicht umsonst wird deswegen gerade jetzt an das Los der Kinder auf der weiten Welt erinnert. Die evangelische Aktion "Brot für die Welt" lässt die Kinder nicht aus den Augen. Und auch die katholischen Sternsinger, die in zwei Wochen wieder unterwegs sein werden.

Das Los der Kinder

Das Los vieler Kinder auf dieser Welt an diesen Weihnachtstagen ist aber nicht das Feiern, nicht das Beschenktwerden, nicht die Ferien, sondern die Arbeit, die Kinderarbeit, die Arbeit der Kindersklaven: Kinder schuften in Kolumbien auf Blumenfarmen, und sterben an den Pestiziden, denen sie ungeschützt ausgesetzt sind. Kinder knüpfen in Indien unter Sklavenbedingungen Teppiche. Kinder pflücken in Brasilien 12 Stunden am Tag Orangen. Kinder sind die häufigsten Opfer versteckter Landminen, die sich manchmal teuflisch als Spielzeug tarnen. Und vergessen wir auch nicht die Kinder im Heiligen Land, in Bethlehem, in Nazareth und anderswo, denen ihre Kindheit genommen wird und die von Klein auf nur Krieg spielen gelernt haben.

Warum erzähle ich das? Nicht, damit Sie Ihren Gänsebraten heute mit schlechtem Gewissen und bitterer Miene essen. Sondern weil das Bibelwort, das uns heute zum Nachdenken aufgegeben ist, genau davon spricht: Gott wird ein Kind und macht uns damit zu Kindern und von der Sklaverei frei. Als Paulus diese Zeilen schrieb, gab es die Sklaverei noch, die Sklaverei, der man nur entkommen konnte, wenn einen jemand frei kaufte. Sklaverei – in der Übersetzung Martin Luthers "Knechtschaft".

Weihnachten in einem Satz

4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn.

Dieser Satz ist eine Weihnachtsgeschichte in Kurzform, so ähnlich wie die bekannte nach dem Lukasevangelium, aber eine Art Weihnachtsgeschichte für Erwachsene. Sie beginnt mit einer Zeitangabe wie dort. Dort wird das Kommen Jesu eingeordnet in die politische Geschichte: als Augustus Kaiser und Qurinius sein kaiserlicher Vertreter, sein Statthalter in Syrien war. Paulus aber blickt tiefer. Nicht der äußere Verlauf der Geschichte ist entscheidend, sondern der innere: Gott wird Mensch, als die Zeit erfüllt war. Also: Als es an der Zeit war, als es dringend nötig war, als es so weit war. Und auch: Nachdem alle anderen Wege gescheitert waren: Gewalt hatte nichts gefruchtet, um die Welt und die Menschen auf die richtige Bahn zu bringen. Auch Gottes erzieherische Maßnahmen durch die Propheten nicht.

Und nun stellt Gott sozusagen die Welt auf den Kopf und kommt selber als ein Kind. [Gott wird ein Kind. Sicher, Jesus war ein Junge. Aber das Geschlecht ist nicht entscheidend. Ich will nicht spekulieren, aber hätte Gott vielleicht in unserer Generation die Zeit als reif und erfüllt angesehen, vielleicht wäre er auch ein Mädchen geworden. Wahrscheinlich hätte er die Welt und die Menschen noch mehr verblüfft als damals.]

Gott macht für sich keine Ausnahmen

4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan.

Gott wird ein Kind. Das heißt erst einmal: Gott wird ein Mensch. Und er wird es nicht nur scheinbar, sondern er unterwirft sich allen menschlichen Bedingungen. Paulus betont das in zweifacher Hinsicht: Gott wird ein Mensch biologisch und auch rechtlich. Geboren von einer Frau und so, dass alle Gesetze des Menschseins auch für ihn gelten. Gott macht für sich keine Ausnahme: Er fällt nicht vom Himmel, er wächst nicht in der Retorte, er klont sich nicht, damit er unten sein und zur Sicherheit auch noch oben bleiben darf, nein: Er wird auf natürliche und konventionelle Weise von einer Frau geboren.

Gott macht für sich keine Ausnahme: Die Gesetze, unter denen die Menschen stehen, die gelten für ihn auch: Er unterwirft sich denen, die damals politisch etwas zu sagen haben. Er schafft für sich die Schwerkraft nicht ab. Er hat Hunger und Durst wie alle anderen. [Ja, es steht zwar nicht in der Bibel, aber Jesus ist ganz gewiß auch aufs Klo gegangen. Und auch von Jesus und den Frauen sagt die Bibel wenig. Deswegen ist auch das immer wieder Anlass zu Spekulationen gewesen.]

Kind werden heißt frei werden

Gott wird ein Kind, damit wir Kinder Gottes werden. Mit diesem Wortspiel könnte man die Worte des Paulus zusammenfassen. Wir sollen Kinder Gottes werden. Das heißt zuerst einmal: Wir sollen frei sein. Wir sollen uns nicht versklaven lassen:

4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, 5 damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen.

Was es bedeutete, Sklave zu sein, was es bedeutete, freigekauft zu werden, das wussten die Hörer und Leser des Paulus damals nur zu gut. Und nun überträgt Paulus das auf das geistliche Leben: Jeder, der nicht Kind Gottes sein will, steht in der Gefahr, sich zum Sklaven und Knecht machen zu lassen. Paulus, als frommer Jude erzogen und aufgewachsen, und dann Christ geworden, hat die Art, wie damals der jüdische Glaube gelehrt und verstanden wurde, als Weg in die Knechtschaft verstanden. Das Heil sei nur zu finden durch die strikte Einhaltung von Geboten und Verboten, die einen Menschen geradezu zum Sklaven machen, und denen er doch nie gerecht werden kann.

Sklaverei heute?

Wie könnte man das heute sagen? Gott wird ein Mensch und er zeigt uns, dass es sich lohnt, ein Mensch zu sein, frei zu werden, sich nicht zum Sklaven machen zu lassen von den Dingen, von denen die Werbung oder die Regenbogenpresse behaupten, man brauche sie, damit man erst richtig Mensch wird: Wenn die Leistung zum Gott wird. Wenn die Schönheit zum Gott wird. Wenn die Fitness zum Gott wird. Wenn der Genuss zum Gott wird. Wenn man meint, perfekte Kinder auf Bestellung fabrizieren zu sollen: Mit den Eizellen von Marilyn Monroe und dem Samen von Albert Einstein.

Vater sein dagegen sehr ...

Gott wird ein Kind, damit wir Kinder Gottes werden. Da mag ein kritischer Mensch einwerfen: Bedeutet Kind sein wirklich frei sein? Erkaufst du dir die neue Freiheit nicht damit, dass du nun von Gott abhängig wirst? Gott macht dich frei von den Dingen dieser Welt, von den Dingen, die man haben muss, um in zu sein. Aber jetzt brauchst du auf einmal ihn. Begibst du dich nicht von einer Abhängigkeit in die andere? Und Paulus würde vielleicht antworten: Ja, wenn du Kind sein als Abhängigkeit verstehst, dann hättest du recht. Wenn Eltern ihr Elternsein missbrauchen. Wenn ein Vater sein Vatersein missbraucht. Oder sein Vatersein vernachlässigt. Dann hast du recht: Dann kannst du einem Menschen später, wenn es um seinen Glauben geht, nicht mehr damit kommen. Er wird dir antworten: Lass mich mit Gott, dem Vater, in Ruhe. Von Vätern habe ich genug.

[Merken Sie, liebe Familie Färber, wie Vater oder Mutter sein heimlich etwas damit zu tun hat, wie und was ein Kind einmal glauben kann, wenn es sich auf seine eigenen Füße stellen wird?] Das Urvertrauen, das Kinder mitbringen, erlernen und erfahren bei ihren Eltern – es wird auch zum Schlüssel für das Urvertrauen, das sie einmal Gott gegenüber aufbringen können oder nicht können. Keine Angst: Es hängt der spätere Glaube der Kinder, Gott sei Dank, nicht auf Gedeih und Verderb an den Eltern. Aber manchmal müssen sich Erwachsene, die im Glauben wieder Kinder werden wollen, dann erst einmal innerlich von ihren lebenden oder schon verstorbenen Eltern lösen, um zu Gott eine gelungene Beziehung aufnehmen zu können.

Durch die Pubertät hindurch ein Kind werden

Mensch werden ohne die Krise der Pubertät gibt es nicht. Aber auch ein Glaube, der erwachsen werden will, muss durch dies Krise hindurch.

6 Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater!

Dann wird ein Erwachsener auch im Glauben erwachsen, wenn er sich nicht geniert, für sich Gott als Vater im guten und gelungenen Sinne zu verstehen. Gott vertrauen, wie ein Kind dem Vater vertraut, das ist nicht kindisch. Zu Gott beten, wie ein Kind seinen Vater um etwas bittet, das ist nicht kindisch. Tun wir's ganz einfach und leben es auch unseren Kindern vor! Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de