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predigt[e].de

Die Predigt vom 6. Januar 2002: »Ein Licht aufgehen lassen«


Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche beging den Dreikönigstag, mit kirchlichem Namen Epiphanias (Erscheinung) genannt. Evangelium ist die Erzählung von den drei Weisen aus dem Morgenland, Epistel der Hinweis des Paulus, dass Jesus ihm erschienen ist. Predigttext war ein Abschnitt aus dem 2. Brief an die Korinther Kapitel 4, wo Paulus ebenfalls von dieser Erscheinung erzählt:

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  [Jesus Christus] ist das Ebenbild Gottes. 5 Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, daß er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen. 6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, daß durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

Predigt

  Der Blick auf den Auferstandenen

Viele von Ihnen haben in dieser Kirche ihren angestammten Platz. Welchen Platz sie gerne einnehmen, das hat mit verschiedenen Dingen zu tun. Doch von einzelnen weiß ich: Sie sitzen so, dass sie den Auferstandenen vor Augen haben. Ich habe auch schon gehört, dass jemand gesagt hat: Ich schaue ihn an und er schaut mich an.

Paulus und der Auferstandene

Daran bin ich erinnert worden beim Lesen des heutigen Predigttextes. So hat sich auch der spätere Apostel Paulus angeschaut gefühlt, als er damals vor Damaskus von einem hellen Licht geblendet vom Pferd fiel. Er hat diese Begegnung nicht gesucht. Christen hat er in Damaskus gesucht, die Anhänger des neuen, verkehrten Weges, um sie zu verhaften. Im Gespräch mit diesen Christen in Damaskus hat Paulus dann vom Auferstandenen erfahren und war sich dann ganz sicher: Er hat mich angeschaut. Er hat mich gerufen. Das war ein sehr intimes Erlebnis, von dem er nur in Andeutungen spricht. Im 4. Kapitel des 2. Korintherbriefs haben wir eine dieser Andeutungen:

[Jesus Christus] ist das Ebenbild Gottes. 5 Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, daß er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen. 6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, daß durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

Aus Nacht wurde Tag

6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben.

"In unsre Herzen". Damit meint Paulus sich selbst. Er redet öfter im 2. Korintherbrief von sich, dem Apostel, in der Mehrzahl. Als Jesus ihm also vor Damaskus erschien, als dem Paulus das Licht seines Lebens aufging, da war Gott, der Schöpfer, selbst am Werk. "Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten." Das erinnert an den ersten Tag der Schöpfung, wo es im 1. Buch Mose heißt: 1 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. 2 Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. 3 Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Das bedeutet also: Diese Umwandlung, die da in dem Paulus vorging, dass er von einem Verfolger zu einem Apostel wurde, das war wie eine neue Schöpfung. Das kann nur Gott, der Schöpfer, selbst. Er selbst ist neu geschaffen worden. Sein Leben wurde umgekrempelt an diesem Tag. Er musste geblendet werden, so sieht er es im Nachhinein, denn er war vorher verblendet. Indem er geblendet wurde, hat er erst richtig sehen gelernt. Oder mit einem anderen Bild: Paulus hat Christus erst im wahrsten Sinne des Wortes ent-decken müssen: Die Decke über seinen Augen musste weggenommen werden.

Erleuchtete erleuchten andere

Eine ganze Reihe solcher Geschichten gibt es in unserer Bibel, wo Gott einem Menschen in den Weg tritt und sein Leben umkrempelt. Und in allen Fällen bekommen diese Menschen einen Auftrag. Man kann Gott offenbar nicht begegnen, ohne einen Auftrag zu bekommen. Was hat Paulus als seinen Auftrag verstanden?

... daß durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

Er, der Erleuchtete, versteht es als seinen Auftrag, dass auch anderen Menschen dieses Licht aufgehen soll. Durch ihn soll Erleuchtung geschehen. Durch ihn sollen Menschen begreifen, dass sie im Angesicht dieses Jesus von Nazareth die Herrlichkeit Gottes selbst schauen. Das war bei Paulus, dem studierten Juden, dem gelernten Schriftgelehrten, natürlich erst einmal auf seine jüdischen Glaubensbrüder gemünzt. Sie, die sie Jesus abgelehnt haben, sie sollen in ihm Gott selber erkennen.

Allein um Christus geht es

Mit soviel Engagement und Eifer hat er diese Botschaft weitergesagt, so stark hat er immer wieder seine Berufung durch Christus selbst betont, dass er sich dem Missverständnis aussetzte, er wolle sich selbst in den Vordergrund stellen. Dem tritt er ganz bewusst entgegen: Nicht um ihn geht es, sondern um Christus. Er ist der Herr, und Paulus ist nur der Knecht, der Bote, der, der einen Auftrag ausführt:

5 Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, daß er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen.

"Wir sind eure Knechte." Also: Als Apostel ist Paulus der Knecht seiner Gemeindeglieder, der, der ihnen durch seine Predigt von Christus dient.

Der Auferstandene in der Auferstehungskirche

Sie haben am Eingang die neue Faltkarte unserer Kirchengemeinde mit der Losung für dieses neue Jahr geschenkt bekommen. Sie zeigt den auferstandenen Christus, der die Besucher dieser Kirche anschaut und in den Blick nimmt. 15 Jahre tut er das jetzt mittlerweile. Angeschaut werden, in den Blick genommen werden, nicht übersehen werden, das ist eine menschliche Sehnsucht. Und die Botschaft dieser Karte könnte sein: Dieser Christus kennt mich. Er schaut mich an. Nicht nur in der Kirche, sondern überall, wo ich die Karte mit mir trage oder sie vor mit stehen habe. Er schaut mich nicht nur an. Er hebt auch seine Hand zum Segen.

Dass es zu einem solchen Blickkontakt kommt, dass Gott mich anschaut, dass er mich wie den Auferstandenen herausruft aus meinen Gräbern, das ist für Paulus ein Wunder, das ist wie eine neue Schöpfung. So kann man die Skulptur betrachten, wie man in einem Museum ein Bild betrachtet. Und es bleibt doch vordergründig. Dass es aber sozusagen "klick macht", dass bei diesem Anschauen etwas geschieht, dass ich spüre: Ich bin gemeint!, das bleibt ein Wunder.

Anderen ein Licht aufgehen lassen

Wenn das aber geschieht, sagt Paulus, dann kann ich nicht bleiben, wie ich bin: Ich kann nicht erleuchtet werden, ohne anderen davon weiter zu erzählen. Obwohl Paulus im 2. Korintherbrief bewusst auf die besondere Aufgabe verweist, die Gott ihm zugedacht hat, sind seine Worte keine Worte speziell an Pfarrerinnen und Pfarrer. Jemand anders ein Licht aufgehen zu lassen, das können Gemeindeglieder untereinander oft besser als der Pfarrer.

"Steh auf!" So lautet die Botschaft unserer Auferstehungskirche, die Botschaft des Auferstandenen. "Weil Christus auferstanden ist, kannst auch du aufstehn: aus den Gräbern deiner Traurigkeit, deiner Krankheit, deiner Resignation." Vielleicht wollen Sie im Jubiläumsjahr unserer Kirche diese Botschaft jemand anderem weitersagen. Dann schreiben Sie ihm doch mit dieser Karte ein paar persönliche Zeilen. In Ruhe ein paar Zeilen schreiben, ist oft leichter, als Auge in Auge die richtigen Worte finden. Vielleicht geschieht dann Erleuchtung. Vielleicht wird es dann bei jemand wieder hell. So hat es Paulus erlebt. Und so hat er es uns auch aufgetragen.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de