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Die Predigt vom 27. Januar 2008 (Sexagesimä):
»Ein mutiger Schritt«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Sonntag Sexagesimä (60 Tage vor Ostern). Sein Thema ist das Wort Gottes. Evangelium (1. Lesung) war das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld und Epistel (2. Lesung) die durchdringende Kraft des Wortes Gottes. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus der Apostelgeschichte Kapitel 16:
Predigttext
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Der Predigttext
9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! 10 Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen. 11 Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis 12 und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. 13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen. 14 Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, so dass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. 15 Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.
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Die Predigt
Die Geburtsstunde des christlichen Europa

Ein einmaliges Ereignis. Ein geschichtsträchtiges Ereignis, ohne dass wir heute vielleicht nicht Gottesdienst feiern würden: die Geburtsstunde der christlichen Kirche auf europäischem Boden. Bis zu jenem Tag haben die Wege des Apostels Paulus nur bis nach Kleinasien, also in die heutige Türkei, geführt. Nun überquert der die Ägäis hinüber ins heutige Griechenland und setzt zum ersten Mal einen Fuß auf europäischen Boden. Eine Geschäftsfrau mit Namen Lydia wird die erste europäische Christin und damit unser aller Ururururgroßmutter im Glauben.

Ein Predigttext, der eine Geschichte erzählt. Deswegen lohnt es sich zu fragen: Wie war das damals? Aber auch: Was bedeutet das für uns heute? Biblische Geschichte ist dazu da, dass sie durchsichtig wird und ein Licht wirft in unser heutiges Leben. Wie entsteht und wächst heute Gemeinde? Wie kommt einer zum Glauben und wie bleibt er dabei?

Paulus lässt sich führen

Vor dem vorhin verlesenen Abschnitt wird erzählt, wie Paulus mit seinen Begleitern die schon bestehenden Gemeinden in Kleinasien, der heutigen Türkei, besucht und sie stärkt. Es sind christliche Gemeinden, die auf seiner ersten Reise ein paar Jahre zuvor entstanden waren. Dann wollen sie weiter, nach Westen an die Küste, doch – so heißt es – „es wurde ihnen vom heiligen Geist verwehrt“. Sie kamen weiter ins Landesinnere und wollten nun nach Norden zum Schwarzen Meer, doch wieder (Zitat) „ließ es der Geist Jesu nicht zu“. Welche Hindernisse sich da ergaben und woran Paulus und seine Begleiter das Wirken des Heiligen Geistes erkannten, wird nicht gesagt. Auf jeden Fall landen sie schließlich an der Küste der Ägäis, dort, wo in noch älterer Zeit das sagenhafte Troja gelegen hatte.
So eine auf den Geist Gottes hörende Demut täte auch uns heute immer wieder gut. Paulus wusste: Die eigenen Pläne müssen nicht unbedingt auch die Wege Gottes sein. Er hat auch in dem, was nicht ging, Gottes Führung erkannt. Er hat sich nicht schmollend in die Ecke gesetzt und mit Gott gehadert, der seine Pläne zunichte macht. Auch durch Hindernisse kann Gott einen Weg zeigen.

Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf

Was macht Paulus nun in dieser Situation, wo nicht recht klar ist, wie es weitergehen soll, wo alle seine eigenen Pläne danebengegangen sind? Er legt sich erst einmal schlafen. Auch diese Ruhe und Gelassenheit täte uns gut. Paulus legt sich schlafen. Sicher auch vor Müdigkeit. Aber doch in dem Bewusstsein, dass der Gott, der ihn bis hierher geführt hat, ihm auch zeigen würde, wie es weitergeht.
Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: ein Mann aus Mazedonien (also aus Griechenland, aus Europa) stand da und bat ihn: Komm herüber und hilf uns! Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, (und dann springt die Erzählung um in die Augenzeugenbeschreibung) da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.

Eine Erscheinung bei Nacht. Ein Traum? Eine Vision? Ganz egal, wie es gewesen sein mag, Paulus bekommt Gewissheit, wie es weitergehen soll. Wie Gott einem Menschen Gewissheit schenkt, ist seine Sache. Jetzt gibt es kein Zögern mehr.
Und auch das täte uns gut: Getrost und mutig anpacken, was wir als richtig und wichtig erkannt haben. Da hat einer z.B. erkannt, dass er mehr Sport treiben, oder sich mehr seiner Familie widmen oder der Kirchengemeinde wieder näher kommen müsste, und dann schiebt er es doch wieder vor sich her auf die lange Bank. Jene bekannten lange Bank, auf der sich manches im Leben von selbst erledigt.
Nein, in Gottes Namen, wir müssten wie Paulus öfter einen mutigen Schritt tun hinüber in ein neues Land. Und was im persönlichen Leben gilt, das gilt auch für das Leben einer Kirchengemeinde und alle ihre Planungen. Wir brauchen solche Visionen, solche Zukunftsbilder wie Paulus, wie es weitergehen soll, auch wenn wir sie vielleicht heute und morgen nicht erreichen.

Die Frauen sind die ersten

Im Text folgt nun die Beschreibung des Schiffahrts- und Landweges bis in die römische Militärstadt Philippi. Es heißt, Paulus und seine Begleiter blieben erst einmal einige Tage, wohl um sich in der fremden Stadt und der noch fremderen Kultur zurechtzufinden.
In jeder fremden Stadt, in die er kam, ging Paulus immer erst in die Synagoge, also das jüdische Versammlungshaus, um dort seinen Glauben an Jesus Christus weiterzusagen. In Philippi gab es offenbar keine Synagoge. So suchte Paulus zwei Kilometer außerhalb am Fluss nach einem Gebets- und Versammlungsort. Am Fluss deshalb, weil Synagogen bzw. Versammlungsorte wegen der im jüdischen Glauben üblichen religiösen Waschungen normalerweise fließendes Wasser in der Nähe hatten.
Am Sabbattag gingen wir hinunter vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen.
Und wieder läuft alles anders, als Paulus sich das so gedacht hat: Die Erscheinung in der Nacht hat ihn nach Europa gerufen, doch in der Stadt interessiert sich niemand für ihn. Es gibt nicht einmal eine anständige Synagoge. Und dann sitzen nur ein paar Frauen beieinander, die nach jüdischer Vorstellung gar keinen rechtschaffenen Gottesdienst begehen können. Zehn Männer ab der Konfirmation müssen nach jüdischer Sitte mindestens da sein. (Da müssten auch bei uns oft genug Gottesdienste ausfallen!) Zu alledem war Paulus, so kann man es aus seinen Briefen herauslesen, auch kein großer Frauenfreund. Also einseitig zugespitzt: Ein Mann ruft ihn im Traum, aber was er vorfindet, sind nur ein paar Frauen.
Aber auch jetzt kann Paulus seine Vorbehalte zurückstellen und sich auf Gottes Wege einlassen:
Wir setzten uns (so war es im jüdischen Gottesdienst üblich) und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen. Und eine gottesfürchtige Frau (gottesfürchtig nannte man Menschen, die sich für den jüdischen Glauben interessierten) mit Namen Lydia hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, so dass sie darauf acht hatte, was von Paulus geredet wurde.

Ohne Gespräch und Austausch kein Glauben

Wie wird also ein Mensch Christ, auch heute noch, oder wie bleibt er es? Wie wird er im Glauben gestärkt?
Er muss zuallererst einmal sich der frohen Botschaft aussetzen: Christ wird man nicht, Glauben stärkt man nicht, indem man im Saft seiner eigenen gewachsenen Überzeugungen schmort. Ein Wort von außen ist notwendig: Ein Wort, das uns im Lesen oder Hören der Bibel begegnet. Ein Wort der Predigt, live oder auch in Radio und Fernsehen. Ein Wort eines geistlichen Menschen. Es gibt Glauben und Glaubensstärkung nicht ohne das Hören.
Und dann folgt etwas, was nicht mehr in unserer Hand liegt: Der Herr tat ihr das Herz auf. Nicht umsonst bitten wir um den Heiligen Geist im Gottesdienst, der uns verstehen lässt, was wir hören. Nur dann kann geschehen, dass die Predigt für uns nicht mehr Rede über Gott, sondern Rede Gottes ist.
Warum bei den anderen Frauen neben Lydia damals dieses Wunder des Verstehens nicht geschah, wissen wir genauso wenig, wie wir heute wissen, warum in einem Gottesdienst mit denselben Worten die einen angesprochen werden und die anderen nicht. Es ist auch nicht unsere Sache und es wäre v.a. auch gar nicht schlimm, wenn der- oder dieselbe, die an einem Sonntag nichts aufgenommen hat, am nächsten Sonntag wiederkäme, um dann zu denen zu gehören, denen ein Licht aufgeht.

Als sie aber mit ihrem ganzen Haus getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da.
Ziemlich schnell ging es damals mit der ersten Taufe auf europäischem Boden. Und wie es üblich war, wurde neben der Hausherrin auch die ganze Großfamilie in den neuen Glauben mit eingeschlossen. Da steckt etwas Wichtiges drin: Glauben fällt schwer, wenn da nicht eine ganze Familie sich einig ist und an einem Strang zieht.
Und noch wichtiger ist jene Frage der Lydia an den Paulus und seine Begleiter: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube ... Ob man wirklich glaubt, kann sich nur in der christlichen Gemeinschaft erweisen. Ob man glaubt und wie man glaubt, zeigt sich allein im Gespräch der Christen untereinander, in dem man sich auch einmal in Liebe korrigieren lassen kann. Deswegen sind in der Gemeinde die Gruppen, die Gespräche und Begegnungen so wichtig. Und deswegen haben die auch nur halb recht, die betonen, dass man auch ohne die Gemeinde im stillen Kämmerlein ein Christ sein kann. Man kann, aber die entscheidenden Impulse, die einen weiterbringen, die fehlen.
Deswegen: Schön, dass Sie gekommen sind.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de