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predigt[e].de

Die Predigt vom 20. April 2008 (Kantate):
»Singen, wenn einem nicht danach zu Mute ist?«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Kirchenmusiksonntag Kantate („Singet“). Sein Thema ist die Kirchenmusik. Evangelium (1. Lesung) war der Lobpreis Jesu in Matthäus 11 und Epistel (2. Lesung) die Aufforderung zum Singen im Kolosserbrief. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus der Offenbarung Kapitel 15:
Predigttext
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Der Predigttext
2 Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen 3 und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. 4 Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.
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Die Predigt
Singen in der Anfechtung

„Die Musik ist die beste Gottesgabe. Durch sie werden viele und große Anfechtungen verjagt. Musik ist der beste Trost für einen verstörten Menschen, auch wenn er nur ein wenig zu singen vermag.“
So lesen wir von Martin Luther im Gesangbuch (auf S. 594).

Singen, wenn es einem schlecht geht? Singen, wenn einem nicht nach Singen, sondern nach Weinen und Klagen zumute ist? Singen in Anfechtung? Singen auf Befehl, weil es heute am Sonntag Kantate im kirchlichen Kalender steht?

Hören Sie Worte aus dem Buch der Offenbarung im 15. Kapitel:
2 Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen 3 und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. 4 Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.

Die Situation der Christenverfolgung

Auch denen, an die diese Worte geschrieben worden sind, war nicht nach Singen, sondern eher nach Klagen und Schreien zumute: Vom Seher, vom Propheten Johannes – nicht zu verwechseln mit dem Evangelisten – stammt das letzte Buch unserer Bibel. Er schreibt an christliche Gemeinden im damaligen Kleinasien, der heutigen Türkei, und stärkt sie in der Zeit der Christenverfolgung. Es war nicht die Zeit der offenen Worte, sondern der versteckten Botschaften. Man muss also, wenn man das Buch der Offenbarung liest, die Geheimsprache der Bilder verstehen:

Die Christen und die Bestie

2 Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens ...
Das „Tier“: Damit wird an Offenbarung 13 erinnert. Dort wird das Böse, der Böse, der große Widersacher Gottes, als ein Tier beschrieben, das aus dem Abgrund aufsteigt. Der römische Kaiser und die Staatsmacht waren für die Christen damals der Inbegriff des Bösen, doch so offen durfte man es nicht aussprechen. So waren sie das Tier. Die Bestie, so heißt es heute in den Fantasiefilmen. Wie ein böses Tier gebärdeten sie sich den gegenüber, die dem Kaiser nicht als Gott huldigen wollten.
Das „Bild des Tieres“: Damit sind die Standbilder des Kaisers gemeint, die im ganzen Reich seine Macht repräsentierten und vor denen man opfern musste wie vor einem Altar.
Die „Zahl seines Namens“: 666 heißt diese Zahl nach Offb 13,18. Sie wird von Abergläubischen als Zeichen des Bösen verstanden so wie das umgedrehte Kreuz oder das Pentagramm, der fünfzackige Stern. Wahrscheinlich verbirgt sich wie in einer Geheimsprache hinter dieser Zahl der Kaiser Nero, der Inbegriff aller Christenverfolger.

Als Verfolgten, denen im äußersten Fall die Arena und die wilden Tiere bevorstanden, ist ihnen damals nicht nach Singen zumute. Sie werden vom Seher Johannes auch nicht dazu aufgefordert.
„Ich sah“, beginnen seine Worte. Eine prophetische Ansage. Er blickt voraus in eine Zeit, die noch nicht da ist. Er sieht Dinge, die jetzt noch utopisch sind: „Das Tier wird nicht siegen. Und dann, wenn alles vorbei ist und Ihr Euch durchgekämpft habt, dann werdet ihr miteinander vor dem Thron Gott stehen und das Lied der Sieger singen.“

Die Bestie wird nicht siegen

... die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen 3 und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes.
Die Erlösten werden das Lied des Mose singen: Das Lied der Befreiung, das er zusammen mit seiner Schwester Miriam nach dem Durchzug durch das Schilfmeer angestimmt hat. So wie Gott sein Volk aus Ägypten geführt hat, so werden auch die jetzt noch Verfolgten Befreiung erleben.
Sie werden das Lied des Lammes singen: Das Lamm, damit ist Jesus gemeint, das Opferlamm, das sich selber hingegeben hat und den Sieg davon getragen hat. So wie Gott ihn aus dem Tod ins Leben geholt und dem Tod die Macht genommen hat, so werden auch sie als Sieger aus ihrem jetzigen Kampf hervorgehen.

Warum haben sie Grund zum Singen?
4 Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden. Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker.
Wenn es auch jetzt noch nicht den Augenschein hat, wenn auch jetzt noch alles dagegen spricht: Am Ende wird die Gerechtigkeit siegen. Am Ende wird sich zeigen, dass allein Gott und nicht die Staatsmacht den Lauf der Geschichte in seiner Hand behält. Und das werden nicht nur die Christen begreifen, sondern alle Völker und Nationen.

Singen, auch wenn einem nicht danach zu Mute ist

Und so gilt beides: Singen ist nach Martin Luther und nach der Erfahrung vieler Christen ein Heilmittel mitten in Depression, Traurigkeit und Anfechtung. Wie ein Medikament würde er es als Seelenarzt gerne verschreiben.
Und das andere: Das Singen blickt voraus auf die Zeit nach dem Verstummen. Wenn auch jetzt die Zeit zum Klagen ist, so wird doch ganz bestimmt auch wieder die Zeit zum Singen kommen. Johannes hat sie schon gesehen und er beschreibt sie und malt sie aus, so als wäre sie schon Wirklichkeit:
Eine Zeit, wo langsam Antworten reifen. Eine Zeit, in der im Nachhinein manches in einem anderen Licht erscheint. Eine Zeit, wo man genauso laut loben und danken kann, wie man vorher geklagt hat.

Das Beispiel Paul Gerhardt

Ähnliche Sprachbilder verwendet auch der Liederdichter Paul Gerhardt, von dem das Lied zu unserer heutigen Kantate stammt. Dieser eine Satz wird in jeder Strophe wiederholt und fast wie mit einer Fanfare angekündigt: „Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit.“ Weinen, Klagen, Schmerz, Trauer, Tränen – sie haben ihre begrenzte Zeit. Sie haben nicht das letzte Wort. Sie dauern nicht ewig und es wird wieder eine andere Zeit kommen. Noch deutlicher in der 9. Strophe:

9. Das weiß ich fürwahr und lasse / mir's nicht aus dem Sinne gehn: / Christenkreuz hat seine Maße / und muss endlich stillestehn. / Wenn der Winter ausgeschneiet, / tritt der schöne Sommer ein; / also wird auch nach der Pein, / wer's erwarten kann, erfreuet. / Alles Ding währt seine Zeit, / Gottes Lieb in Ewigkeit.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

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