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predigt[e].de

Die Predigt vom 2. Juni 2002 (1. Sonntag nach Trinitatis):
»Mit Herzen, Hirn und Händen«


Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche beging den 1. Sonntag nach Trinitatis. Er hat die Boten Gottes zum Thema. Evangelium ist die Erzählung vom reichen Mann und armen Lazarus, Epistel der Aufruf zur Bruderliebe. Predigttext war das Grundbekenntnis des jüdischen Glaubens, das Schema Jisrael, aus dem 5. Buch Mose Kapitel 6. Zum Einstieg habe ich Bilder gezeigt, von denen hier die wichtigsten Ausschnitte zu sehen sind.

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  4 Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. 5 Und du sollst den HERRN, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. 6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen 7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. 8 Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein, 9 und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore.

Predigt

 

Juden beim Gebet

Vielleicht haben Sie schon einmal Bilder von orthodoxen, also von strenggläubigen Juden beim Gebet gesehen, z.B. beim Gebet vor der Klagemauer in Jerusalem: Das Gebetbuch in der Hand. Auf dem Kopf die Kippa, das Käppchen, weil man nicht mit unbedecktem Kopf vor Gott treten soll. Um die Schultern der weiße Gebetsmantel mit den schwarzen Streifen. (Bild) Ein schwarzer Lederriemen ist um den Oberarm, den Unterarm und dann um den Mittelfinger gewickelt. Mit einem weiteren Riemen ist ein schwarzes Kästchen vor die Stirn gebunden. (Bild) In zwei schwarzen Kapseln – die eine auf der Stirn, die zweite am Arm – befindet sich auf einem kleinen Pergamentstreifen das wichtigste jüdische Gebot. Wegen der zwei hebräischen Anfangsworte wird es "Schema Jisrael" genannt:

4 Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. 5 Und du sollst den HERRN, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. (Bild) 6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen 7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. (Bild) Und dann wird die Fortsetzung der Worte ganz wörtlich genommen: 8 Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein ... (Bild) ... 9 und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore. In einer kleinen Kapsel befindet sich dieses wichtigste Gebot ebenso auch am rechten Pfosten jeder Tür. Und jeder Jude, der sein Haus betritt, streicht einmal kurz darüber und spricht einen Segenswunsch.

Gott einen Platz einräumen

Wir brauchen dieses wortwörtliche Verständnis der Verse aus dem 5. Buch Mose nicht nachmachen, aber wir dürfen davon lernen: So wichtig wird Gott genommen, dass man ihm bewusst einen Platz einräumt: nicht nur am Sonntag, sondern auch am Werktag, draußen und drinnen, für jung und alt, in allen denkbaren Lebenssituationen.

4 Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. 5 Und du sollst den HERRN, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.

Ein Kapitel weiter vorne sind die uns bekannten Zehn Gebote aufgezählt. Und nun werden sich alle miteinander zusammengefasst in dieses eine. Auch Jesus verweist auf diese Worte, als ihn jemand fragt, was das wichtigste Gebot sei. Und er fügt hinzu: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." So entsteht aus beiden im Neuen Testament das sog. Doppelgebot der Liebe: Leben gelingt nur dann, wenn du Gott, deinen Nächsten, aber auch dich selbst respektierst und ihnen ihr Recht einräumst. Gott will in deinem Leben zu seinem Recht kommen. Der Mitmensch muss zu seinem Recht kommen. Aber auch du darfst guten Gewissens zu deinem Recht kommen.

Vom Ohr ins Herz

Diese Botschaft sollen wir im wahrsten Sinne des Wortes "verinnerlichen". Und dieses Verinnerlichen beginnt rein äußerlich beim Hören. Das Hören, das Hinhören ist der Einstieg für den Glauben: "Höre, Israel; hört, Ihr Israeliten; hört, Ihr Christen; hört hin, Ihr Bibelleser und Gottesdienstbesucher:

6 Diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen.

Zu Herzen nehmen, das ist mehr als als Hören und auch mehr als auswendig wissen. Wir lernen die Zehn Gebote: Wir lernen sie in der Schule. Wir lernen sie im Konfirmandenunterricht. Aber sie müssen vom Kopf hinunter ins Herz rutschen. Sonst wissen wir sie zwar, aber sie haben keine Auswirkungen auf unser Fühlen und auf unser Tun. Die englische Sprache sagt es deutlicher als unsere deutsche Sprache. Auswendig lernen heißt dort "to learn by heart": Mit dem Herzen lernen. Beherzigen, nicht nur wissen.

Von der christlichen Erziehung

6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen 7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen.

Was wirklich wichtig ist, muss weitergegeben werden von Generation zu Generation. Womit die Eltern gute Erfahrungen gemacht haben, das sollen auch die Kinder kennenlernen. Aber bitte nicht erst in der Pubertät, wo Jugendliche ungern annehmen, was von Erwachsenen kommt. Der Pfarrer im Konfirmandenunterricht hat fast keine Chance, wenn nicht Eltern, Paten und Großeltern schon vorher mit ihren Worten ihren Glauben weitersagen und vor allen Dingen auch vorleben. Ich will nicht sagen, dass solche Katastrophen wie in Erfurt nicht vorkämen, wenn Eltern ihrem Erziehungsauftrag nachkämen, aber es hat schon etwas damit zu tun. Wenn wir es nicht geduldig vorleben und weitersagen, wie man christlich miteinander zusammenlebt, wie man einander respektiert, die Wahrheit achtet, das Eigentum, die Würde - wo sollen es Kinder und Jugendliche lernen? Wenn sie nichts anderes kennen, werden sie das Fernsehen für das wahre Leben halten.

Hilfen gegen die Gottvergessenheit

6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen 7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist.

Es ist ja nicht so, dass uns Gott und seine Gebote nicht wichtig wären, aber die Gefahr, ihn im Alltag mit seinem Kommen und Gehen zu vergessen, ist groß. Wir brauchen kleine Hilfen gegen unsere Gottvergessenheit, daheim und unterwegs: Durch das Zeichen an der Tür denkt ein Jude an Gott, wenn er kommt und wenn ergeht. Auch uns tun gegen die Vergesslichkeit solche Hinweise auf Gott gut: Ein Kreuz im Haus vielleicht. Oder ein Kreuz um den Hals. Das Konfirmandenkreuz im Zimmer oder über dem Schreibtisch. Eine Ikone vielleicht und eine Kerzen. Ein Haussegen im Flur. "Herr, segne dieses Haus, und alle, die da gehen ein und aus." Ein Kreuz auch im Auto, eine Christophorus-Plakette von mir aus. Oder ein kurzes Gebet, bevor man losfährt.

Gott am Abend und am Morgen

6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen 7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst.

Gott nicht vergessen am Morgen und am Abend. Öfter höre ich: "Ich gehe keinen Tag ins Bett ohne ein Vaterunser. Ich stehe nicht auf, ohne dankbar zu sein, dass ich wieder aufstehen kann." Es muss nicht unbedingt das Vaterunser sein. Andere haben den Neukirchner Kalender mit einem Abreißblatt pro Tag. Oder die Losungen mit zwei kurzen Bibelversen pro Tag und einem Gebet. Man kann sich die Losungen auch beim Einschalten des Computers zeigen lassen. Man kann sich sogar Bibelworte auf sein Handy schicken lassen. Es ist gar nicht so wichtig, wie es jemand tut, Hauptsache, Gott wird nicht vergessen, drinnen und draußen, morgens und abends.

Mit Herzen, Hirn und Händen

6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen 7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. 8 Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein.

Mit dem Lederriemen und der schwarzen Kapsel nehmen die traditionellen Juden diese Verse wörtlich. Dagegen ist nichts zu sagen. Doch ursprünglich geht es darum, dass Gott nicht nur eine Sache des Herzens ist, sondern: Auch Hand und Kopf, auch Tun und Denken sollen in der Verantwortung vor ihm geschehen. "Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen" so heißt es im Lied. Man könnte es umdichten: Mit "Herzen, Hirn und Händen" will Gott wahrgenommen und geglaubt werden.

Mit dem Hören beginnt es. Von dort aus soll es das Herz erreichen. Aber dort im Herzen soll es nicht aufbewahrt und eingeschlossen werden wie ein Schatz. Das Denken braucht nicht ausgeschaltet werden beim Glauben. Und der Glaube darf nicht ausgeschaltet werden beim Denken und Forschen. Und für alle Handarbeit, für alles Handwerk gilt dasselbe.

4 Höre, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. 5 Und du sollst den HERRN, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. 6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen 7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de