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Die Predigt vom 16. Juni 2002 (3. Sonntag nach Trinitatis):
»Die Sünden der Väter«


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  Die Evangelische Kirche beging den 3. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist die Umkehr. Evangelium ist das Gleichnis vom Verlorenen Sohn. Die Epistel handelt vom Wandel des Paulus vom Verfolger zum Apostel. Predigttext waren Verse aus dem 18. Kapitel des Propheten Ezechiel:

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  18 1 Und des HERRN Wort geschah zu mir: 2 Was habt ihr unter euch im Lande Israels für ein Sprichwort: »Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden«? 3 So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR: dies Sprichwort soll nicht mehr unter euch umgehen in Israel. 4 Denn siehe, alle Menschen gehören mir; die Väter gehören mir so gut wie die Söhne; jeder, der sündigt, soll sterben. 21 Wenn sich aber der Gottlose bekehrt von allen seinen Sünden, die er getan hat, und hält alle meine Gesetze und übt Recht und Gerechtigkeit, so soll er am Leben bleiben und nicht sterben. 22 Es soll an alle seine Übertretungen, die er begangen hat, nicht gedacht werden, sondern er soll am Leben bleiben um der Gerechtigkeit willen, die er getan hat. 23 Meinst du, daß ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott der HERR, und nicht vielmehr daran, daß er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt? 24 Und wenn sich der Gerechte abkehrt von seiner Gerechtigkeit und tut Unrecht und lebt nach allen Greueln, die der Gottlose tut, sollte der am Leben bleiben? An alle seine Gerechtigkeit, die er getan hat, soll nicht gedacht werden, sondern in seiner Übertretung und Sünde, die er getan hat, soll er sterben. 30 Darum will ich euch richten, ihr vom Hause Israel, einen jeden nach seinem Weg, spricht Gott der HERR. Kehrt um und kehrt euch ab von allen euren Übertretungen, damit ihr nicht durch sie in Schuld fallt. 31 Werft von euch alle eure Übertretungen, die ihr begangen habt, und macht euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Denn warum wollt ihr sterben, ihr vom Haus Israel? 32 Denn ich habe kein Gefallen am Tod des Sterbenden, spricht Gott der HERR. Darum bekehrt euch, so werdet ihr leben.

Predigt

  Die Sünden der Väter

Von den "Sünden der Väter" reden wir manchmal, wenn die Fehlentscheidungen der vorherigen Generation in die nächste weiterwirken: Wenn man von Gerichtsverhandlungen in der Zeitung liest und merkt, wie das Elternhaus einen Menschen zwar nicht zum Verbrecher gemacht, aber seinen Weg doch erleichtert hat. Wenn Kinder, deren Eltern getrunken haben, oft wieder an einen Trinker als Ehepartner geraten. Wenn Menschen, denen in der Kindheit Gewalt angetan wurde, später selbst zum Vergewaltiger werden. Ist nicht beim Amokläufer von Erfurt auch gleich nach dem Elternhaus gefragt worden?

Oder zeigt nicht auch der Streit um die Aussagen von Jürgen Möllemann oder die Diskussion über die Benes-Dekrete in der Tschechischen Republik, wie die jetzige Generation, ohne selbst Schuld zu tragen, doch die Vergangenheit nicht einfach abschütteln kann.

Und auch wir: Was werden wir der Nachwelt, was werden wir unseren Kindern hinterlassen? Was macht unsere Generation aus dem Klima? Was macht sie aus der Natur? Was macht sie aus dem Generationenvertrag und den Renten? Was macht sie aus der Bildung?

Politische Sippenhaftung?

Der Prophet Hesekiel im 18. Kapitel und die Sünden der Väter damals:

18 1 Und des HERRN Wort geschah zu mir: 2 Was habt ihr unter euch im Lande Israels für ein Sprichwort: »Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden«? 3 So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR: dies Sprichwort soll nicht mehr unter euch umgehen in Israel. 4 Denn siehe, alle Menschen gehören mir; die Väter gehören mir so gut wie die Söhne; jeder, der sündigt, soll sterben. 21 Wenn sich aber der Gottlose bekehrt von allen seinen Sünden, die er getan hat, und hält alle meine Gesetze und übt Recht und Gerechtigkeit, so soll er am Leben bleiben und nicht sterben. 22 Es soll an alle seine Übertretungen, die er begangen hat, nicht gedacht werden, sondern er soll am Leben bleiben um der Gerechtigkeit willen, die er getan hat. 23 Meinst du, daß ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott der HERR, und nicht vielmehr daran, daß er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt? 24 Und wenn sich der Gerechte abkehrt von seiner Gerechtigkeit und tut Unrecht und lebt nach allen Greueln, die der Gottlose tut, sollte der am Leben bleiben? An alle seine Gerechtigkeit, die er getan hat, soll nicht gedacht werden, sondern in seiner Übertretung und Sünde, die er getan hat, soll er sterben. 30 Darum will ich euch richten, ihr vom Hause Israel, einen jeden nach seinem Weg, spricht Gott der HERR. Kehrt um und kehrt euch ab von allen euren Übertretungen, damit ihr nicht durch sie in Schuld fallt. 31 Werft von euch alle eure Übertretungen, die ihr begangen habt, und macht euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Denn warum wollt ihr sterben, ihr vom Haus Israel? 32 Denn ich habe kein Gefallen am Tod des Sterbenden, spricht Gott der HERR. Darum bekehrt euch, so werdet ihr leben

Da sitzen vor zweieinhalbtausend Jahren die Israeliten mitsamt ihrem Seelsorger, dem Propheten Hesekiel, in der Verbannung in Babylonien und hadern mit ihrem Schicksal. Über Jahrzehnte hinweg sind die israelitischen Politiker damals aufmüpfig gewesen gegenüber der damaligen Großmacht. Babylon aber mit seinem König Nebukadnezar wollte am Rand seines Reiches Ruhe haben. Und die übliche Kriegspolitik war, die Hauptstadt dem Erdboden gleich zu machen und die entscheidenden Gruppen aus der Bevölkerung in die Verbannung zu schicken, weit weg nach Babylonien.

Die Väter sind schuld

Dort sitzen sie also. Und wie es offenbar typisch ist für uns Menschen, fragen sie nicht nach ihrer eigenen Verantwortung, sie schauen auch nicht nach vorne, sondern sie schauen zurück. Und dann heißt es: Die Väter sind schuld. Die Väter und die Hypothek, die sie uns hinterlassen haben. Kann man Ähnliches nicht auch heute noch von den Politikern hören, wenn die politischen Erfolge ausbleiben?

Und dann entstand dort in Babylonien das Sprichwort: "Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden." Nun behaftet uns Gott also bei den Sünden unserer Väter. Und da hakt der Prophet im Namen Gottes ein: Dieses Sprichwort soll nicht mehr im Land umgehen. Damit sollen sie sich nicht herausreden. "So wahr ich lebe", wird das Gotteswort eingeleitet. Das ist ein Schwur. Schärfer kann man nicht mehr reden: "Jede Generation ist neu verantwortlich. Eure Väter waren für ihr Tun vor mir verantwortlich." lässt Gott den Propheten ausrichten. "Und ihr seid es wieder. Aber nur mit dem, was ihr tut oder nicht tut. Eine Sippenhaft, eine Generationenhaft gibt es nicht."

So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR: dies Sprichwort soll nicht mehr unter euch umgehen in Israel. 4 Denn siehe, alle Menschen gehören mir; die Väter gehören mir so gut wie die Söhne; jeder, der sündigt, soll sterben.

Sich selbst rechtfertigen

Dass einem von Gott die Vergangenheit nicht angehängt wird, das hat Folgen in zwei Richtungen: Zum einen können wir uns nicht freisprechen unter Verweis auf das, was andere vor uns oder an uns verkehrt gemacht haben. Zum anderen ist aber jederzeit ein Neuanfang möglich.

Gibt es diesen Blick zurück nicht oft, wenn wir uns heimlich selbst rechtfertigen? "So bin ich halt erzogen worden. Als Kind habe ich es nicht anders gelernt. Ja, wenn meine Eltern doch anders gewesen wären, mein Vater mehr Zeit und meine Mutter mehr Liebe gehabt hätte usw. usw."

Bitte keine Ausflüchte!

Hesekiel als Seelsorger derer, die ganz am Boden waren, versucht, den Blick der Menschen zaghaft nach vorne zu lenken: Wer lamentierend zurückblickt, wer hin und her grübelt, wo weniger und wo mehr Schuld gewesen sein könnte, dem öffnet sich kein Weg voran. Wer dauernd nur nachkartelt, würde der Schafkopfer sagen, der hat nicht die volle Aufmerksamkeit für das nächste Spiel.

Denken Sie an den verlorenen Sohn, der ganz unten war. Schweine hüten, das war ein Bild dafür, dass es nicht mehr tiefer ging, denn sie galten als unreine Tiere. Er hätte sagen können: Was kann ich denn dafür, dass ich der Zweitgeborene bin. Die sind halt immer leichtsinniger. Hätte mein Vater nicht gescheiter sein müssen? Warum hat er mir das Geld gegeben? Nein: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. (Lk 15,18)

Nach vorne blicken

Nur im Blick nach vorn eröffnet euch Gott neue Wege, sagt der Prophet. Egal, was bisher war, ihr habt immer und jederzeit vor Gott die Chance und die Möglichkeit, anders weiterzumachen. Gott wird euch das Vorherige nicht genüsslich aufs Butterbrot schmieren, wie es Menschen gerne tun.

21 Wenn sich aber der Gottlose bekehrt von allen seinen Sünden, die er getan hat, und hält alle meine Gesetze und übt Recht und Gerechtigkeit, so soll er am Leben bleiben und nicht sterben. 22 Es soll an alle seine Übertretungen, die er begangen hat, nicht gedacht werden, sondern er soll am Leben bleiben um der Gerechtigkeit willen, die er getan hat. 23 Meinst du, daß ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott der HERR, und nicht vielmehr daran, daß er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?

Bekehrung: Umkehren

Sich bekehren, Bekehrung. Wenn dieses Wort nicht immer wieder missverstanden bzw. einseitig verstanden würde: Sich bekehren, das ist "fromm" werden. Wörtlich ist erst einmal ganz einfach gemeint: umkehren, einen anderen Weg einschlagen, die Richtung korrigieren.

Umkehren, das heißt zuerst einmal: auf dem Weg sein. Wer nicht vorangeht, kann nicht fehlgehen. Wer nichts tut, kann nichts verkehrt machen.

Umkehren, das heißt dann: Immer wieder einmal halt machen, innehalten, stehen bleiben. Nicht blindlings rennen. Halt machen, als Lebenswanderer auf die Karte schauen, nach Wegweisern Ausschau halten, sich vergewissern.

Und dann: Getrost weitergehen. Oder auch: Einsehen, dass die Richtung nicht stimmt. Zur Besinnung kommen. Die Richtung ändern. Einen anderen Weg wählen. Nur eine kleine Korrektur. Vielleicht aber auch radikal. Ja, im äußersten Fall: Umkehren, zurückgehen zum letzten Ausgangspunkt, neu anfangen, von vorne beginnen.

Vom eigenen Stolz

Wer hindert uns daran? Gott? Nein! Wenn uns einer hindert, dann der eigene Stolz, die Angst vor der Blamage, die Angst vor dem Versagen, das wir eingestehen müssen, die Angst vor der Reaktion der anderen. Gott hindert uns nicht. Freude hat er geradezu an der Umkehr, an der Neuausrichtung. Das Evangelium vom verlorenen Sohn haben Sie gehört. Auch wie der zweite Sohn, der anständigere, der brave, der pflichtbewusste eingeladen wird, sich mit zu freuen. Kurz vorher in den Gleichnissen vom verlorenen Schaf und vom verlorenen Groschen heißt es: Freude sei im Himmel bei den Engeln Gottes über einen Sünder, der umkehrt.

Ein schönes Wort, ein befreiendes Wort, hätte es nicht Jürgen Möllemann vor 14 Tagen so übel missbraucht, als würde jeder, der endlich zur 18-Prozent-Partei findet, einen Freudensturm im Himmel auslösen. Umkehren, ja. Aber die Richtung muss stimmen. Und Gott, von dem Einladung stammt, hat eindeutig seine Richtung gemeint.

Umkehren – aber wie?

Umkehren, wie soll das gehen? 31 Werft von euch alle eure Übertretungen, die ihr begangen habt, und macht euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Denn warum wollt ihr sterben, ihr vom Haus Israel?

Wie kann man sich ein neues Herz und einen neuen Geist machen? Kann man das selber machen? Eindeutig nein. Das wäre wie bei Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus eigener Kraft aus dem Sumpf zieht. Man muss das ganze Buch des Propheten Hesekiel im Auge haben. So heißt es sieben Kapitel weiter vorne: 19 Und ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben und will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben. (Hes 11,19)

Eindeutig also Gottes Sache: Nur er, der Schöpfer, kann eine solche Hirn- und Herztransplantation vornehmen. "Macht euch ein neues Herz" kann also unter Verweis auf die vorausgehende Stelle nur heißen: Nehmt das Angebot an. Geht darauf ein. Lasst Euch von Gott eine neue Richtung und neue Wege schenken. Es gibt sie für eine jede und einen jeden, egal wo man sich gerade befinden mag.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de