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Die Predigt vom 28. Juli 2002 (9. Sonntag nach Trinitatis):
»Leben mit dem Hemd, das keine Taschen hat«


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  Die Evangelische Kirche beging den 9. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema sind die den Menschen geschenkten Gaben, Fähigkeiten und Talente. Evangelium ist das „Gleichnis von anvertrauten Zentnern“ (Talente), Epistel die radikale Werteverschiebung im Leben des Paulus. Predigttext waren Verse aus dem 1. Petrusbrief:

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  7 Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. 8 Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12). 9 Seid gastfrei untereinander ohne Murren. 10 Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: 11 wenn jemand predigt, daß er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, daß er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Predigt

  „Das letzte Hemd hat keine Taschen“

"Das letzte Hemd hat keine Taschen." So sagt es der Volksmund unverblümt. Oder auch: "Keiner kann etwas mitnehmen." Oder noch anders: "Nackt ist man auf die Welt gekommen, und nackt muss man auch wieder gehen." Menschen, denen das bewusst geworden ist, leben anders:

Die einen nehmen sich z.B. vor, mit "warmen Händen" geben. Sie halten ihren Besitz nicht krampfhaft zusammen, sondern teilen jetzt schon aus und freuen sich über die Reaktion. Andere machen rechtzeitig Ordnung. Sie ordnen ihre Verhältnisse. Sie sorgen dafür, dass möglichst einmal kein Streit entstehen kann. Sie halten auch fest, was ihnen für ihre Bestattung am Herzen liegt. Andere, die keine Nachkommen haben, bringen ihr Geld schon zu Lebzeiten in eine Stiftung ein. Da wird es zusammengehalten. Es wird als Vermögen nicht angegriffen. Von den Zinsen aber profitiert ein sozialer Zweck.

Und da sind da noch die, die durch eine schwere Krankheit oder einen Unfall schon am Rande des Todes standen, und hinterher auf einmal ganz anders leben: Die Gewichte verschieben sich. Was vorher wichtig war, kann auf einmal ganz unwichtig sein, und umgekehrt. Sie fassen das Wesentliche ins Auge.

Leben mit dem Weltende

Wie lebt man mit dem Hemd ohne Taschen? Diese Frage stellen die Bibelworte aus dem 1. Petrusbrief, die uns für heute aufgegeben sind:

7 Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. 8 Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12). 9 Seid gastfrei untereinander ohne Murren. 10 Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: 11 wenn jemand predigt, dass er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, dass er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Das Weltende und der eigene Tod

7 Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. Die Christen der ersten Generation haben damals damit gerechnet, dass noch zu ihren Lebzeiten ihr Herr Jesus Christus wiederkommt. Sie wollten so leben, dass sie jeden Tag Rechenschaft ablegen können. In der zweiten Generation dann war das nicht mehr so selbstverständlich. Da mussten die Prediger und Briefeschreiber wie hier schon ausdrücklich immer wieder darauf hinweisen.

Und wir: Wer rechnet denn schon mit dem Kommen des Reiches Gottes heute, morgen oder übermorgen oder zu Lebzeiten? Aber egal, ob nun jemand mit dem Ende der ganzen Welt rechnet, oder sich die Endlichkeit seines eigenes Lebens bewusst macht: Beidemale muss man Gott in die Augen schauen.

Alles ist nur geliehen

Wie lebt man mit dem Hemd ohne Taschen? Im Mittelpunkt steht hier im 1. Petrusbrief ein Wort, das mir persönlich viel bedeutet. Es ist mein Tauf- und auch mein Trauspruch: Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.

Haushalter sind wir. Verwalter also, und nicht Besitzer. Was wir haben, gehört uns nicht ewig. Wir können es nicht behalten. Es ist uns auf Lebensdauer von Gott geliehen. Am Ende müssen wir es wieder hergeben. Und bis dorthin sollen wir etwas daraus machen. Das gilt so für die äußeren Werte, die finanziellen Werte, es gilt aber auch für die inneren Werte: "Mancherlei Gnade" hat uns Gott in die Wiege gelegt, also Begabungen, Fähigkeiten, Charismen mit dem Fremdwort.

Jeder hat ein Talent

"Dient einander." Diese Fähigkeiten sind also nicht zur Selbstbefriedigung und Selbstbeweihräucherung da, sondern: Bringt Eure Gaben, Euer Können, Eure Fähigkeiten in die Gemeinschaft ein: In die Gemeinschaft der Ehe, in die Gemeinschaft der Familie, der Verwandtschaft, der Nachbarschaft, der Siedlung. Bringt sie ein in der Politik, im Verein, in der Kirchengemeinde.

Und: Jeder und jede hat eine Gabe empfangen. Nicht jeder steht im Vordergrund. Nicht jeder kann und muss reden. Die stillen und treuen Helfer im Hintergrund sind genauso nötig. Das kann man immer wieder neue z.B. beim Waldfest sehen. Wer da treu und still ganz hinten seine Krüge spült, ist genauso wichtig wie der, der ganz vorne in der Festleitung steht.

Offene Türen und Ohren

Wie lebt man also mit dem Hemd ohne Taschen? Indem man sich zu Lebzeiten mit dem, was man kann, in die Gemeinschaft einbringt. Aber noch ein Schritt weiter: Auch das Verhältnis untereinander muss wachsen. Das Aufeinanderzugehen soll mehr und die persönlichen Bindungen untereinander gestärkt werden. 8 Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12). 9 Seid gastfrei untereinander ohne Murren.

Gastfreundschaft, wie man sie jetzt noch in Südeuropa oder im Orient hochhält, war damals besonders nötig, weil die wenigen Christen zusammenhalten mussten. Die Verhältnisse haben sich gewandelt. Gastfrei sein, das könnte vielleicht heißen: Offene Türen haben, ohne dass man gleich beim Nachbarn aus und ein gehen muss. Offene Hände haben, wenn es an etwas fehlt. Offene Gartenpforten, hinter denen man sich nicht versteckt. Offene Ohren, die wirklich zuhören, und nicht nur auf die neuesten Gerüchte aus sind.

Die Sünden beim Namen nennen

Wenn eine Gemeinschaft so zusammenhält, wenn es praktische und alltägliche Liebe gibt, dann verträgt sie auch eine Menge Sünde, wie es hier heißt. Und die gibt es ja durchaus, da wo Menschen zusammenleben, in der Kirchengemeinde, im Verein, in der Gesellschaft. Es gibt eine Menge Sünde: das Reden hintenherum, mehr Reden über als Reden mit, Alkoholmissbrauch, Neid und Missgunst, die Vorstellung, mit Geld könne man alles kaufen, eheliche Untreue, kaputte Beziehungen.

Ein starkes Wort: "Die Liebe deckt auch der Sünden Menge." Was soll das bedeuten? Sicher nicht, dass man darüber das Mäntelchen des Schweigens deckt. Auch nicht, dass man beschönigt, als sei alles doch gar nicht so schlimm. Sünde muss Sünde bleiben. Ich habe kein Rezept. Aber dass da eine Aufgabe ist, in der Kirchengemeinde, in der Siedlung, ist klar.

Die Realität und die Grenzen sehen

Wie lebt man mit dem Hemd ohne Taschen? Zwei Ratschläge für eine christliche Gemeinde stehen noch im Text. Einer mehr nach innen gerichtet und einer mehr nach außen: 7 Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. Besonnen und nüchtern sein. Das ist mehr nach innen gerichtet. Das geht den Einzelnen an. Erst hören und dann reden. Erst nachdenken und dann handeln. Nüchtern sein, das meint nicht in erster Linie die Gefahr des Alkohols, aber auch. Nüchtern ist, wer die Realität sieht, wer sich und anderen nichts vormacht, wer seine und der anderen Grenzen kennt.

Nüchtern ist deswegen auch, steht hier, wer das Gebet kennt: Wer betet, kennt nämlich seine Grenzen. Wer meint, dass er alles alleine kann und keine Hilfe braucht, der braucht auch kein Bittgebet. Wer meint, dass er alles nur aus eigener Kraft geschafft hat, der braucht auch kein Dankgebet.

Kein oben oder unten

Und der zweite Ratschlag, mehr in die Gemeinde hinein gerichtet: 11 Wenn jemand predigt, daß er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, daß er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Die predigen und die dienen, sind angesprochen. Mit freien Worten: Die Haupt- und die Ehrenamtlichen in einer Gemeinde. Da soll es kein Oben und kein Unten geben, kein Mehr und kein Weniger. Alle stehen sie in der Verantwortung vor Gott. Und alle haben sie von ihm die Kraft. Um Gottes Ehre geht es. Nicht um die Menschen. Auch da müssen wir vermutlich noch allerhand lernen.

Leben mit dem Hemd ohne Taschen. Eine Lebensaufgabe ...

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de