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Die Predigt |
Eine Geschichte
von dir und mir
Der Mensch, aus Erde geformt. Der Odem des Lebens. Der Garten Eden.
Alles schon einmal gehört. Irgendwie bekannt, aber doch nicht
so genau. Ich habe diese alten Worte vom Entstehen des Menschen noch
einmal neu gelesen im Licht des Wochenspruchs: „Alle eure Sorge
werft auf Gott; denn er sorgt für euch.“ Wie liebevoll
Gott hier für den Menschen sorgt, ihm aber auch eindeutig seine
Grenzen setzt, ist mir deutlich geworden.
Adam – das ist ja hier kein Eigenname. Wir hören hier nicht
von einem ganz bestimmten Menschen, der vor soundso viel tausend Jahren
gelebt hätte. Hebräisch „Adam“ heißt „Mensch“,
ganz allgemein „Mensch“, nicht nur „Mann“.
Die Adamsgeschichte ist also die Geschichte von dir und mir. Gott
und Adam: Das sind Gott und ich, Gott und du.
Der Mensch liegt Gott am Herzen
Das erste, was ich hier vom Verhältnis zwischen Gott und Mensch,
zwischen Gott und mir lesen kann: Der Mensch liegt Gott am Herzen.
Er ist Gottes erster Gedanke, er ist sein erstes Schöpfungswerk.
Sonst würde nicht so deutlich und hartnäckig betont, dass
noch nichts sonst da war auf Erden: keine Sträucher, kein Kraut,
kein fruchtbarer Regen. Gott, der Schöpfer ist sozusagen noch
allein mit einer unwirtlichen Erde. Aber Gott will nicht allein bleiben.
Er will ein Gegenüber, mit dem er reden kann und das mit ihm
reden kann. Und die Fortsetzung der Geschichte mit der Rippe wird
zeigen, dass auch der Mensch nicht allein bleiben, sondern selber
auch ein menschliches Gegenüber haben soll.
Ich bin ein von Gott gewollter Mensch. Er will mich als sein Gegenüber.
Einer, mit dem er reden will und der mit ihm reden kann. Auf Kommunikation
ist Gott aus: Sagen, was einem auf dem Herzen liegt. Hören, was
er mir zur sagen hat. Singen und beten.
In einer Kommunikationsgesellschaft leben wir: Über Handy sind
wir ständig erreichbar und erwarten, dass andere es auch sind.
Hoffentlich vergessen wir über der Technik diese ständige
Erreichbarkeit Gottes nicht. Hoffentlich überhören wir es
nicht, wenn Gott bei uns anklopft.
Der Mensch als Dreckskerl
Das zweite, was ich von Gott und dem Menschen, von Gott und mir lesen
kann: Der Mensch ist im Gegensatz zu Gott ein irdisches, ein der Erde
verbundenes Wesen, ein Wesen mit einem Anfang und einem Ende.
Aus Erde vom Acker gemacht, das wird im Hebräischen viel deutlicher:
adâm, der Mensch, ist aus Erde, aus Ackerboden, hebr. adamâh.
Manche haben schon versucht, diese hebräische Wortverwandtschaft
auch im Deutschen nachzuahmen: Ein „Erdling“ sei der Mensch.
Oder eher etwas spaßig: ein „Dreckskerl“.
Wie kam es zu dieser alttestamentlichen Vorstellung, dass der Mensch
aus Erde sei und dass sein Atem ihn lebendig macht? Man ging vor ungefähr
3000 Jahren, z.Zt. des Königs David, als das hier aufgeschrieben
wurde, beim Nachdenken über den Menschen ganz einfach vom Augenschein
aus: Man wusste, am Ende wird ein Mensch wieder zu Erde. „Erde
zur Erde, Asche zur Asche, Staub zum Staube.“ Also muss er letztlich
auch aus dem Grundstoff Erde gemacht sein. Und: Beim Sterben tut der
Mensch seinen letzten Schnaufer. Er haucht sein Leben aus. Also muss
das Leben beginnen, indem Gott dem Menschen diesen Atem schenkt.
Der Mensch aus Erde, aus Lehm. Gott sein Töpfer, der ihn liebevoll
formt und ihm Leben verleiht. Nichts von DNA und menschlichem Genom.
Ganz und gar menschlich, mit einfachsten Worten wird hier von Gott
und seinem Tun geredet, ja. Aber wie sollte man anders reden? Wie
soll man als begrenzter Mensch von den unbegrenzten Möglichkeiten
Gottes reden? War es also damals genauso, wie es da steht?
Ist die naturwissenschaftliche Frage „Wie war es denn genau?“
überhaupt wichtig? Mir genügt diese tiefe einfache Wahrheit:
Mein Leben und dein Leben haben einen Anfang und ein Ende. Wir sind
Materie, Ton in den Händen unseres Gottes, lebendig nur durch
seine Gnade. Wir dürfen dankbar sein - für jeden einzelnen
Atemzug.
Gott sorgt für den Menschen
Das dritte, was ich herauslesen kann von der Sorge Gottes für
uns Menschen: Alles hat Gott getan, dem Menschen eine Heimat, eine
heile Umwelt zu geben.
Der Paradiesgarten ist ja nur das eine. Es heißt, Gott sei noch
nicht zufrieden gewesen, als der den Menschen inmitten des schönen
Gartens sah. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.
Ich will ihm eine Hilfe schaffen, die ihm entspricht.“ Und dann
macht Gott die Tiere und lässt dem Menschen die Namen für
sie aussuchen. Doch noch immer ist er nicht zufrieden. Als das erwartete
Gegenüber für den Menschen haben sich die Tiere nicht erwiesen.
Jeder, der einen Partner verloren hat und ein Haustier sein eigen
nennt, weiß: Das Tier mag ein wichtiger Gefährte sein,
doch den Partner ersetzen kann es nicht. So gibt Gott dem Adam die
Eva - er gibt dem Menschen den Partner. Jetzt erst ist die Schöpfung
vollständig. Jetzt erst ist der Mensch vollständig.
Gott setzt dem Menschen Grenzen
Und das vierte, was ich herauslesen kann von Gottes Sorge für
uns Menschen: Die Welt um uns herum mit allem, was sie an Schönheiten
und Reizen bietet, ist in unserer Hand: im Guten wie im Bösen.
„Verlockend anzusehen“ sei der Garten mit allen seinen
Bäumen, heißt es hier, in den Gott den Menschen setzt.
Mit allem darf sich der Mensch bedienen. Nach allem darf er seine
Hand und seinen Geist ausstrecken. Die ganze Welt soll ihm gehören.
Aber da sind auch Grenzen: Er soll sie „bebauen und bewahren“.
Und: Für alles darf und soll sich der Mensch in seinem Forscherdrang
interessieren, doch den sogenannten Baum des Lebens und den Baum der
Erkenntnis des Guten und des Bösen soll er nicht anrühren.
Vor der letzten Grenze soll er sich hüten. Als Geschöpf
soll er nicht in die Arbeit des Schöpfers hineinpfuschen.
Gott hat einen Plan mit dir und mir
Liebe Familie Ruckriegel, ich meine, diese vier Aspekte könnte
man gut übertragen auf Sie und Ihre Sina, allgemein auf Eltern
und Kinder:
Das erste: Der Mensch liegt Gott am Herzen. Er ist sein erster Gedanke.
Ein Kind ist von Menschen gewollt. Ein Kind ist von seinen Eltern
gewollt. Aber vor allem: Ein Kind ist von Gott gewollt. Gott kannte
Ihre Sina schon, bevor Sie als Eltern an sie gedacht haben. Er hat
etwas vor mit ihr auf dieser Welt. Sie gehört in seinen Plan.
Er hat einen Sinn in ihr Leben gegeben und ihr die nötigen Gaben
und Begabungen in die Wiege gelegt.
Das zweite: Der Mensch ist aus Erde. Er ist vergänglich. Er hat
ein Leben mit einem Anfang und einem Ende.
Ein Kind: vergänglich, verletzlich. Auch das mussten Sie schon
erfahren, wie verletzlich und gefährdet ein Leben von Anfang
an sein kann. Und wie groß die Dankbarkeit und die Erleichterung,
wenn alles seine Ordnung hat.
Das dritte: Dem Menschen gilt Gottes Fürsorge. Er setzt ihn in
eine heile Welt hinein, in der er bekommt, was er braucht.
Heile Welt? Paradies? Wahrscheinlich kann man das nur mit Fragezeichen
schreiben, wenn man sich auf der Welt umschaut. Aber war es früher
wirklich anders? Wir sind nicht mehr im Paradies. Wir sind jenseits
von Eden.
Die Familie als heile Welt? Auch da müssen wir wahrscheinlich
ein Fragezeichen hinzufügen. Ich denke, es wäre eine heillose
Überforderung, wenn wir als Eltern diesen Anspruch an uns hätten,
immer nur heile Welt zu bieten. Wir tun unser Bestes, aber wir machen
als Eltern Fehler. Alle. Deswegen versprechen wir auch bei der Taufe:
„Ja, mit Gottes Hilfe.“ Gott wird mit unseren Fehlern
und trotz unserer Fehler etwas Gutes daraus werden lassen.
Kinder brauchen Grenzen
Und das vierte: Gott sorgt für den Menschen. Er kann fast alles
von ihm haben, aber er setzt ihm auch seine deutlichen Grenzen.
Ist das, was hier von Adam, dem Menschen, gesagt wird, nicht eine
gute Beschreibung für unsere Erziehung? Nicht alles, aber fast
alles dürfen unsere Kinder von uns bekommen. Und sie brauchen
Grenzen. Sie wollen sie auch. Sonst werden sie zu Tyrannen, so wie
auch der Mensch für die Schöpfung immer wieder zum Tyrannen
geworden ist. Sie brauchen Grenzen, sonst werden sie orientierungslos,
so wie auch mancher moderne Mensch orientierungslos wird, der Gott
und seine Grenzen als Gängelung missversteht und abschüttelt.
Versuchen Sie, das Ihrem Kind durch ihr Vorbild nahezubringen, dass
es sich mit Gott besser und anders leben lässt als ohne ihn. |
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