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Die Predigt vom 7. September 2008 (16. Sonntag nach Trinitatis):
»Fieberkurve des Glaubens«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 16. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist „Am Ende siegt das Leben“. Evangelium (1. Lesung) war die Auferweckung des Lazarus und Epistel (2. Lesung) die Entmachtung des Todes. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war aus dem Hebräerbrief Kapitel 10:
Predigttext
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Der Predigttext
35 Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. 36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt. ... 39 Wir aber sind nicht von denen, die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen, die glauben und die Seele erretten.
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Die Predigt
Das Auf und Ab des Glaubens

Worte aus dem Hebräerbrief an Menschen, die in ihrem Glauben angefochten waren und an Gott gezweifelt haben:
35 Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. 36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt. ... 39 Wir aber sind nicht von denen, die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen, die glauben und die Seele erretten.

„Werft euer Gottvertrauen nicht weg.“ Mit einer Gruppe von Jubelkonfirmanden habe ich vor Jahren einmal über dieses Auf und Ab des Gottvertrauens nachgedacht. Es ist eine Übung, die aber jeder auch für sich im stillen Kämmerlein machen kann: Alle hatten ein Blatt von mir, wo die Kalenderjahre ihres Lebenslaufes zu sehen waren. Wie in einer Art Fieberkurve oder wie bei den Börsennotierungen konnte jeder das Auf und Ab seines Gottvertrauens bedenken und auch einzeichnen. Die Glaubenshochs und Glaubenstiefs des eigenen Lebens.
Da muss man erst einmal nachdenken, wo diese Glaubenslinie beginnt: Rein äußerlich gesehen eigentlich mit der Taufe, aber von der weiß man ja normalerweise nichts. So steht am Anfang des Gottvertrauens vielleicht eine Mutter oder ein Vater, die einem Geschichten erzählt oder am Abend mit einem gebetet hat. Oder man ist im Kindergottesdienst oder in einer Kindergruppe gewesen. Oder ein Pfarrer an der Schule hat einen beeindruckt, usw. Die Konfirmation übrigens hat in der Rückerinnerung bei den wenigsten einen merkbaren Ausschlag auf dieser Fieberkurve des Gottvertrauens gebracht. Ein schwieriges Alter halt, ein Suchalter, in dem der Glaube meistens nicht gefestigt ist, ein Alter, in dem man erst einmal an vielem zweifelt.

Schicksalsschläge und Bewahrungen

Erst später dann kamen deutlich positive oder negative Ausschläge nach oben oder unten. Manche von den Männern waren als Jugendliche noch im 2. Weltkrieg. Das brachte für die einen ein absolutes Glaubenstief, weil sie bei all der Gewalt und all dem Sterben an ihrer Seite an Gott gezweifelt oder ihn gar weggeworfen haben. Für andere war diese Zeit eine Stärkung des Glaubens: Sie haben in der Not Beten gelernt. Sie haben erlebt, wie ihr Leben öfter am seidenen Faden hing und bewahrt worden ist.
In der Fortsetzung waren es dann v.a. die Heirat, die Geburt der Kinder und der kirchliche Kindergarten, die einen immer wieder einmal Gott und der Kirche näher gebracht haben.
Und dann die verschiedenen heftigen Ausschläge der Fieberkurve des Glaubens nach unten und oben, wo man sogar Jahr und Tag festhalten kann: Wenn der Tod eines lieben Menschen an Gott hat zweifeln lassen. Ein Schicksalsschlag, eine schwere oder langwierige Krankheit. Ein Vertreter der Kirche, der einen schwer enttäuscht hat. Aber auch unverdiente Bewahrungen. Manche haben das Leben noch einmal neu geschenkt bekommen. Anderen sind die Gottesdienste oder ein Gemeindekreis zur geistlichen Heimat geworden. Hoch und Tief. Auf und Ab. Das gehört zur Fieberkurve des Gottvertrauens. Und sie sieht bei einem jedem Menschen ganz verschieden aus.

Das Bisherige nicht wegwerfen

35 Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. 36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.
In einem Glaubenstief spricht der Verfasser des Hebräerbriefs seine Leser an. Gott scheint ganz weit weg zu sein. Er scheint nicht zu hören. Lohnt sich das Glauben und Vertrauen überhaupt noch? Hat es sich jemals gelohnt? Wenn es einen Gott gibt, wo ist er?
Und dann dieser dringende Aufruf: „Werft um Himmels Willen euer Vertrauen nicht weg, das euch bisher getragen hat.“ Und dann erinnert an früher: „Bedenkt doch: Es gab auch schon andere Zeiten. Wenn du jetzt alles wegwirfst, wenn du jetzt aufgibst, wenn du jetzt verzweifelst, dann wirfst du damit auch alles Bisherige weg. Soll denn nicht mehr gelten, was du alles mit Gott und dem Glauben auch schon Gutes erlebt hast?“
Und: „Hast du nicht ein solches Tief wie dieses schon einmal gehabt? Und wie war es damals? Bist du nicht auch durchgekommen? Hast du dich nicht hindurch geglaubt, hindurch gehofft und hindurch gerungen?“

Bei den Lesern des Hebräerbriefes war es die überstandene Christenverfolgung, an die in den vorangehenden Versen erinnert wird:
32 Gedenkt aber der früheren Tage, an denen ihr, nachdem ihr erleuchtet wart, erduldet habt einen großen Kampf des Leidens, 33 indem ihr zum Teil selbst durch Schmähungen und Bedrängnisse zum Schauspiel geworden seid, zum Teil Gemeinschaft hattet mit denen, welchen es so erging. 34 Denn ihr habt mit den Gefangenen gelitten und den Raub eurer Güter mit Freuden erduldet, weil ihr wisst, dass ihr eine bessere und bleibende Habe besitzt.
Also: „Erinnert euch, wie Ihr euch durchgekämpft habt. Erinnert euch, was Ihr alles ertragen konntet, weil ihr gewusst habt, dass es größere und wichtigere Schätze gibt? Soll das alles jetzt umsonst sein?“
35 Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.
Oder mit den Worten der „Guten Nachricht“, der modernen Bibelübersetzung:
35 Werft nur jetzt eure Zuversicht nicht weg, die doch so reich belohnt werden soll!

Ohne Geduld geht es nicht

Oder noch kürzer: Gottvertrauen lohnt sich. Doch da ist ein Problem: Wer das noch nicht erlebt hat, dass Gottvertrauen sich lohnt, der kann es vielleicht nur als Vertröstung empfinden. Dem bleibt nichts anderes, als auszuprobieren und Erfahrungen zu machen. Das geht nicht ohne Geduld, wie es in der Fortsetzung heißt:
36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt. 39 Wir aber sind nicht von denen, die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen, die glauben und die Seele erretten.
Oder noch einmal nach der „Guten Nachricht“:
36 Ihr braucht Kraft zum Durchhalten, damit ihr weiterhin tut, was Gott von euch will, und so auch bekommt, was er versprochen hat. 39 Wir gehören doch nicht zu den Menschen, die den Mut verlieren und deshalb zugrunde gehen! Vielmehr gehören wir zu denen, die Gott im Glauben vertrauen und das Leben gewinnen.

Das Leben gewinnen

„Bekommen, was Gott versprochen hat.“ „Das Leben gewinnen.“ Was könnte Mut machen zu diesem Blick nach vorn? Was könnte Mut machen, diese Fieberkurve des Glaubens nicht abreißen zu lassen, sondern sie weiterzuziehen? Vor allem die beiden Sakramente Taufe und Abendmahl:
In der Taufe hat Gott versprochen: „Ich trage dich auch mit deinen kommenden Hochs und deinen Tiefs. Ja, sogar, wenn du mich wegwirfst, bleibt meine Hand weiterhin ausgestreckt. Ich halte mich still im Hintergrund und warte geduldig darauf, dass du meine Hand ergreifst. Mein Wunsch ist, dass du das Leben gewinnst.“

Dazu ist bei jeder Abendmahlsfeier Gelegenheit: So wie die Taufe diesen Bund zwischen Gott und mir begründet, so ist das Abendmahl die Gelegenheit zur Bundeserneuerung. Gott streckt eine Hand entgegen. Wir brauchen nur einschlagen.
Ich bin überzeugt: Dann wird es auf der Fieberkurve des Glaubens auch wieder einen Ausschlag nach oben geben.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de