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Die Predigt |
Das Auf und Ab
des Glaubens
Worte aus dem Hebräerbrief an Menschen, die in ihrem Glauben
angefochten waren und an Gott gezweifelt haben:
35 Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung
hat. 36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes
tut und das Verheißene empfangt. ... 39 Wir aber sind nicht
von denen, die zurückweichen und verdammt werden, sondern von
denen, die glauben und die Seele erretten.
„Werft euer Gottvertrauen nicht weg.“ Mit einer Gruppe
von Jubelkonfirmanden habe ich vor Jahren einmal über dieses
Auf und Ab des Gottvertrauens nachgedacht. Es ist eine Übung,
die aber jeder auch für sich im stillen Kämmerlein machen
kann: Alle hatten ein Blatt von mir, wo die Kalenderjahre ihres Lebenslaufes
zu sehen waren. Wie in einer Art Fieberkurve oder wie bei den Börsennotierungen
konnte jeder das Auf und Ab seines Gottvertrauens bedenken und auch
einzeichnen. Die Glaubenshochs und Glaubenstiefs des eigenen Lebens.
Da muss man erst einmal nachdenken, wo diese Glaubenslinie beginnt:
Rein äußerlich gesehen eigentlich mit der Taufe, aber von
der weiß man ja normalerweise nichts. So steht am Anfang des
Gottvertrauens vielleicht eine Mutter oder ein Vater, die einem Geschichten
erzählt oder am Abend mit einem gebetet hat. Oder man ist im
Kindergottesdienst oder in einer Kindergruppe gewesen. Oder ein Pfarrer
an der Schule hat einen beeindruckt, usw. Die Konfirmation übrigens
hat in der Rückerinnerung bei den wenigsten einen merkbaren Ausschlag
auf dieser Fieberkurve des Gottvertrauens gebracht. Ein schwieriges
Alter halt, ein Suchalter, in dem der Glaube meistens nicht gefestigt
ist, ein Alter, in dem man erst einmal an vielem zweifelt.
Schicksalsschläge und Bewahrungen
Erst später dann kamen deutlich positive oder negative Ausschläge
nach oben oder unten. Manche von den Männern waren als Jugendliche
noch im 2. Weltkrieg. Das brachte für die einen ein absolutes
Glaubenstief, weil sie bei all der Gewalt und all dem Sterben an ihrer
Seite an Gott gezweifelt oder ihn gar weggeworfen haben. Für
andere war diese Zeit eine Stärkung des Glaubens: Sie haben in
der Not Beten gelernt. Sie haben erlebt, wie ihr Leben öfter
am seidenen Faden hing und bewahrt worden ist.
In der Fortsetzung waren es dann v.a. die Heirat, die Geburt der Kinder
und der kirchliche Kindergarten, die einen immer wieder einmal Gott
und der Kirche näher gebracht haben.
Und dann die verschiedenen heftigen Ausschläge der Fieberkurve
des Glaubens nach unten und oben, wo man sogar Jahr und Tag festhalten
kann: Wenn der Tod eines lieben Menschen an Gott hat zweifeln lassen.
Ein Schicksalsschlag, eine schwere oder langwierige Krankheit. Ein
Vertreter der Kirche, der einen schwer enttäuscht hat. Aber auch
unverdiente Bewahrungen. Manche haben das Leben noch einmal neu geschenkt
bekommen. Anderen sind die Gottesdienste oder ein Gemeindekreis zur
geistlichen Heimat geworden. Hoch und Tief. Auf und Ab. Das gehört
zur Fieberkurve des Gottvertrauens. Und sie sieht bei einem jedem
Menschen ganz verschieden aus.
Das Bisherige nicht wegwerfen
35 Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung
hat. 36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes
tut und das Verheißene empfangt.
In einem Glaubenstief spricht der Verfasser des Hebräerbriefs
seine Leser an. Gott scheint ganz weit weg zu sein. Er scheint nicht
zu hören. Lohnt sich das Glauben und Vertrauen überhaupt
noch? Hat es sich jemals gelohnt? Wenn es einen Gott gibt, wo ist
er?
Und dann dieser dringende Aufruf: „Werft um Himmels Willen euer
Vertrauen nicht weg, das euch bisher getragen hat.“ Und dann
erinnert an früher: „Bedenkt doch: Es gab auch schon andere
Zeiten. Wenn du jetzt alles wegwirfst, wenn du jetzt aufgibst, wenn
du jetzt verzweifelst, dann wirfst du damit auch alles Bisherige weg.
Soll denn nicht mehr gelten, was du alles mit Gott und dem Glauben
auch schon Gutes erlebt hast?“
Und: „Hast du nicht ein solches Tief wie dieses schon einmal
gehabt? Und wie war es damals? Bist du nicht auch durchgekommen? Hast
du dich nicht hindurch geglaubt, hindurch gehofft und hindurch gerungen?“
Bei den Lesern des Hebräerbriefes war es die überstandene
Christenverfolgung, an die in den vorangehenden Versen erinnert wird:
32 Gedenkt aber der früheren Tage, an denen ihr, nachdem
ihr erleuchtet wart, erduldet habt einen großen Kampf des Leidens,
33 indem ihr zum Teil selbst durch Schmähungen und Bedrängnisse
zum Schauspiel geworden seid, zum Teil Gemeinschaft hattet mit denen,
welchen es so erging. 34 Denn ihr habt mit den Gefangenen gelitten
und den Raub eurer Güter mit Freuden erduldet, weil ihr wisst,
dass ihr eine bessere und bleibende Habe besitzt.
Also: „Erinnert euch, wie Ihr euch durchgekämpft habt.
Erinnert euch, was Ihr alles ertragen konntet, weil ihr gewusst habt,
dass es größere und wichtigere Schätze gibt? Soll
das alles jetzt umsonst sein?“
35 Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung
hat.
Oder mit den Worten der „Guten Nachricht“, der modernen
Bibelübersetzung:
35 Werft nur jetzt eure Zuversicht nicht weg, die doch so reich
belohnt werden soll!
Ohne Geduld geht es nicht
Oder noch kürzer: Gottvertrauen lohnt sich. Doch da ist ein Problem:
Wer das noch nicht erlebt hat, dass Gottvertrauen sich lohnt, der
kann es vielleicht nur als Vertröstung empfinden. Dem bleibt
nichts anderes, als auszuprobieren und Erfahrungen zu machen. Das
geht nicht ohne Geduld, wie es in der Fortsetzung heißt:
36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes
tut und das Verheißene empfangt. 39 Wir aber sind nicht von
denen, die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen,
die glauben und die Seele erretten.
Oder noch einmal nach der „Guten Nachricht“:
36 Ihr braucht Kraft zum Durchhalten, damit ihr weiterhin tut,
was Gott von euch will, und so auch bekommt, was er versprochen hat.
39 Wir gehören doch nicht zu den Menschen, die den Mut verlieren
und deshalb zugrunde gehen! Vielmehr gehören wir zu denen, die
Gott im Glauben vertrauen und das Leben gewinnen.
Das Leben gewinnen
„Bekommen, was Gott versprochen hat.“ „Das Leben
gewinnen.“ Was könnte Mut machen zu diesem Blick nach vorn?
Was könnte Mut machen, diese Fieberkurve des Glaubens nicht abreißen
zu lassen, sondern sie weiterzuziehen? Vor allem die beiden Sakramente
Taufe und Abendmahl:
In der Taufe hat Gott versprochen: „Ich trage dich auch mit
deinen kommenden Hochs und deinen Tiefs. Ja, sogar, wenn du mich wegwirfst,
bleibt meine Hand weiterhin ausgestreckt. Ich halte mich still im
Hintergrund und warte geduldig darauf, dass du meine Hand ergreifst.
Mein Wunsch ist, dass du das Leben gewinnst.“
Dazu ist bei jeder Abendmahlsfeier Gelegenheit: So wie die Taufe diesen
Bund zwischen Gott und mir begründet, so ist das Abendmahl die
Gelegenheit zur Bundeserneuerung. Gott streckt eine Hand entgegen.
Wir brauchen nur einschlagen.
Ich bin überzeugt: Dann wird es auf der Fieberkurve des Glaubens
auch wieder einen Ausschlag nach oben geben.
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