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Die Predigt vom 13. Oktober 2002 (20. nach Trinitatis):
»„Evangelisch“ drin , wo „evangelisch“ drauf steht?«


Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche beging den 20. Sonntag nach Trinitatis, der die guten Ordnungen Gottes zum Thema hat. Evangelium sind Jesu Worte zur Ehe und zur Stellung der Kinder. Epistel ist der Aufruf des Paulus zu einem dem Glauben entsprechenden Leben. Predigttext war ein Abschnitt aus dem 1. Brief an die Korinther Kapitel 3:

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  1 Brauchen wir, wie gewisse Leute, Empfehlungsbriefe an euch oder von euch? 2 Ihr seid unser Brief, in unser Herz geschrieben, erkannt und gelesen von allen Menschen! 3 Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, durch un­sern Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf flei­scherne Tafeln, nämlich eure Herzen. 4 Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott. 5 Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, 6 der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.

Predigt

  Der religiöse Supermarkt

Von einem "religiösen Supermarkt" spricht man heute oft. Das meint: Ein Mensch, der Sinn und Richtung für sein Leben sucht, kann unter den verschiedensten Angeboten wählen. Noch vor 50 Jahren wurden Menschen automatisch evangelisch oder katholisch. Heute gehören dazu vielleicht noch zwei Drittel unserer Bevölkerung. Auch die östlichen Religionen und der Islam wecken schon lange heute Neugier. Und vor allem ist da eine schier unüberschaubare Zahl von Angeboten aus dem Bereich der sogenannte Esoterik, wo Menschen durch die richtige Methode, die richtige Körperübung, das richtige Denken oder das richtige geheime Wissen glücklicher werden sollen.

Ein Supermarkt also im Blick auf die Zahl und auf die Fülle der Angebote. Ein Supermarkt aber auch, weil es keine Bedienung gibt, die einen berät und durch die Angebote hindurch hilft. Ein Supermarkt, weil sich neben wenigen guten Angeboten auch eine Menge Billigware findet. Ein Supermarkt, weil man mal dies und mal jenes probieren kann, ohne sich festzulegen. Und mittendrin auch unser evangelisches Markenangebot.

Der religiöse Supermarkt damals

Manche denken, dieses Sammelsurium von Angeboten wäre eine Kennzeichen der modernen Zeit. So ist es nicht. Ich muss Sie in einen fast 2000 Jahre älteren religiösen Supermarkt entführen, wenn wir den Predigttext, der uns heute aufgegeben ist, recht erfassen wollen. Ich muss Sie gedanklich entführen in die griechische Welt- und Hafenstadt Korinth ungefähr im Jahr 50 nach Christus. Dort hat Paulus auf seiner zweiten Missionsreise eine christliche Gemeinde gegründet. Korinth, eine rege und umtriebige Hafenstadt. Durch den Handel und die Menschen aus aller Herren Länder war Korinth ein Sammelbecken verschiedener Kulturen und Religionen. Auch eine Art unüberschaubares Internet, ein Netz von Menschen und Meinungen aus aller Welt. Die Jesusverkündigung des Paulus war offenbar nur eines von vielen Angeboten auf diesem Markt.

Vorsicht vor den Gurus

Wie es seine Art war, zog Paulus ruhelos weiter, als sich die Gemeinde ein wenig gefestigt hatte. Mit Briefen hielt er Kontakt und ließ sich berichten, was los war. So scheinen nach ihm andere Prediger in die Gemeinde gekommen zu sein. Sie heben sich heraus, indem sie den Paulus schlecht machen. Sie weisen auf seine körperlichen Schwächen hin und auf sein eher armseliges äußeres Auftreten. Aus anderen Gemeinden bringen sie Empfehlungsbriefe mit, um sich auszuweisen. Offenbar haben sie auch großen Erfolg. Paulus erfährt davon. Und er setzt sich in einem Brief vehement zu Wehr: Seine Ehre und seine Autorität als Apostel werden angegriffen. Und er spürt, dass nicht mehr Christus, sondern Menschen wie Gurus in den Mittelpunkt gestellt werden. Er schreibt:

1 Brauchen wir, wie gewisse Leute, Empfehlungsbriefe an euch oder von euch? 2 Ihr seid unser Brief, in unser Herz geschrieben, erkannt und gelesen von allen Menschen! 3 Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, durch unsern Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen. 4 Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott. 5 Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, 6 der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.

Paulus geht auf seine Gegner ein. Doch auf ihre Ebene lässt er sich nicht herab. Wenn es schon Beweise braucht, dass in ihm als Apostel Gott selbst am Werk war, dann ist es die Gemeinde in Korinth selbst. Sie ist sein Empfehlungsbrief. Während die anderen also nur von Menschen geschriebene Briefe vorweisen können, hat er einen Brief aus Gottes Hand. 2 Ihr seid unser Brief, in unser Herz geschrieben, erkannt und gelesen von allen Menschen!

Christen als Aushängeschild Gottes

Wir sind als christliche Gemeinde nach Paulus ein Brief Christi, ein Schaufenster, ein Werbeprospekt, ein Aushängeschild Gottes auf dieser Welt. Einfacher noch: in unserer näheren Umgebung. Sind wir das? Sind wir glaubhafte Beispiele, glaubhafte Werbung für evangelisches Christsein? Oder wie man heute in einem Wortspiel so gerne sagt: Ist auch evangelisch drin, wo evangelisch drauf steht? Und: Sind wir mutig und selbstbewusst? Oder jammern wir gar, dass unser Markenangebot neben der vielen Billigware heute ganz übersehen wird? Nein, mit Jammern macht man keine Werbung. Und wir haben als evangelische Christen etwas anzubieten. Die Öffentlichkeit muss merken, dass es uns gibt, dass uns unser evangelischer Glaube etwas wert ist, dass es so etwas wie ein evangelisches Profil gibt.

Gegen den Buchstabengehorsam

In der Auseinandersetzung mit der Konkurrenz seiner Zeit deutet Paulus einen Weg an, auf dem wir Profil gewinnen, auf dem wir ein Brief Christi werden können: Wir werden zum Brief Christi nicht durch einen Buchstabengehorsam, nicht durch stures Einhalten von Regeln. Sondern den Geist, der lebendig macht, brauchen wir:

Gott 6 hat uns tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.

Wenn Paulus von Dienern des Buchstabens spricht, dann meint er das damalige jüdische Bibelverständnis, von dem er ja selbst her kam: Glaube als stures Einhalten von geschriebenen Geboten und Verboten. Das war der Alte Bund, sagt Paulus, und der hat getötet, weil Menschen durch ihn nicht frei geworden sind. Regeln einhalten kann man auch, ohne mit dem Herzen dabei zu sein.

Und dann bringt er aus dem Propheten Hesekiel das Bild vom fleischernen Herzen: Ein fleischernes Herz brauchen wir, das Gottes Willen von innen heraus tut. So heißt es in Hesekiel 11: 19 Und ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben und will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben, 20 damit sie in meinen Geboten wan­deln und meine Ordnungen halten und danach tun. Und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.

Evangelisches Profil

Wie schärfen wir also unser evangelisches Profil? Wie werden wir erkennbar und glaubwürdig? Nicht, indem wir die äußere Fassade schön putzen, sondern indem wir uns von innen heraus immer wieder erneuern lassen. Um im Bild des Marktes zu bleiben: Was würde es helfen, wenn wir unser Schaufenster aufwendig dekorieren, aber hinter dem Tresen dann nichts zu verkaufen haben, wenn jemand neugierig geworden ist? Und da wünsche ich mir von den Worten des Paulus her vor allem eins: Gott 6 hat uns tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.

Ich wünsche mir, dass Christsein keine buchstabengetreue und tote Sache ist, wo Menschen so verkniffen, rechthaberisch und hart daherkommen wie manche Zeugen Jehovas. Dass der Heilige Geist lebendig macht, dem Leben zugewandt, das sollen Menschen spüren, die in unsere Gruppen und Kreise kommen und in unsere Gottesdienste. Und da könnte sich noch manches ändern. Aber der Grund ist gelegt, betont Paulus: Wir sind tüchtig. Tüchtig hier in der alten Bedeutung des deutschen Wortes: Wir taugen zu etwas. Wir sind geeignet. Gott kann uns brauchen. Aber wir sind tüchtig nicht aus eigener Kraft, sondern weil er uns tüchtig macht. In seinen Worten:

4 Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott. 5 Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, 6 der uns auch tüchtig gemacht hat.

Dieses unbändige Gottvertrauen des Paulus wünschte ich mir auch für uns heute: dass Gott uns brauchen kann und will auch und gerade inmitten des religiösen Supermarktes der heutigen Welt. Dann bräuchten wir keine Angst zu haben vor Konkurrenz oder Überfremdung durch andere Anschauungen oder Religionen.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de