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Die Predigt vom 24. Dezember 2002 (Christmette):
»Josef, der Mann«


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  In der Christnacht laden die meisten Gemeinden zur Christmette ein. (Mette: eigentlich ein Morgengottesdienst). Dazu gehört als Evangelium und in diesem Jahr Predigttext (s.u.) die Weihnachtsgeschichte nach Matthäus 1. In der Epistel bekennt sich Paulus zu Jesus als wahrem Menschen und wahrem Gott.

Predigttext

Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.

  18 Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist. 19 Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen. 20 Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist. 21 Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. 22 Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): 23 »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns. 24 Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. 25 Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Predigt

  Die Figuren der Krippe

Ich habe mir soeben beim Hinaufgehen eine Figur aus der Krippe mitgenommen. Es ist eine, deren Fehlen vielleicht gar nicht sehr auffallen würde. Eine Figur, die man wohl eher unter die Statisten, unter die Randfiguren im Weihnachtsgeschehen einordnen würde.

Das Jesuskind? Sicher nicht. Ohne dieses Kind gäbe es kein Weihnachten. In diesem Kind lässt sich der ungreifbare Gott greifen und kommt uns der unnahbare Gott nah.

Maria? Nein. Auch ohne Maria gäbe es kein Weihnachten. Ohne den Menschen Maria wäre uns Gott nicht in Fleisch und Blut nahegekommen, sondern nur scheinbar und in Gedanken.

Die Hirten? Nein. Ohne die Botschaft der Hirten hätte in diesem armseligen Stall niemand gewusst, dass hier nicht ein Kind unter Tausenden, sondern das Kind geboren wurde.

Ein Engel? Nein. Wären die Engel nicht gewesen, die ungebildeten Hirten wären nicht selber auf diesen verrückten Gedanken gekommen.

Ein König? Ja, vielleicht. Schon vor dem Besuch der drei Könige, besser der drei Weisen aus dem Osten war es schon Weihnachten geworden. Aber: Hätte die Welt Notiz davon genommen? Wäre nicht alles so armselig und unscheinbar geblieben wie es in jener Nacht war? Die drei Weisen als Vertreter der großen weiten Welt sind die ersten, die erkennen, dass Gott an Weihnachten alles auf den Kopf gestellt hat: Der eigentliche Herrscher der Welt wohnt nicht im Palast und ist kein gestandener Mann. Sie knien vor einem Kind.

Ochs oder Esel? Ja, vielleicht. Denn es ist vielleicht wirklich ohne sie Weihnachten geworden. In der Weihnachtsgeschichte steht ja von ihnen nichts. Aufgrund eines Wortes des Propheten Jesaja sind sie in die Krippe geraten: "Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt's nicht, und mein Volk versteht's nicht." Aber so zeigen sie, dass das, was da geschieht, nicht nur den Menschen gilt, sondern der ganzen Schöpfung.

Nun werden Sie sich ja mittlerweile denken können, wer jetzt noch fehlt: Josef. Der arme Josef kommt eigentlich immer zu kurz. Wenn man die Krippen ansieht oder die Krippenspiele, dann hat er meist gar nichts zu sagen. Er steht halt so rum – wie ein Anhängsel der Maria. Er steht auf der Seite und darf die Laterne halten, manchmal auch nur seinen Hut. Die Künstler stellen ihn meist etwas tolpatschig an den Rand, mit einem Gesichtsausdruck, als wisse er gar nicht so recht, was da vor sich geht. In einem einzigen kirchlichen Weihnachtslied nur kommt er vor. Und auch in der Bibel schafft er es über die zweiten Kapitel bei Matthäus und Lukas nicht hinaus.

Die unbekannte Weihnachtsgeschichte

Aber ich meine, bei all dem tut man dem Josef Unrecht. Mag er auch der Stillste sein in dem ganzen Geschehen, er hat uns doch etwas zu sagen. Der Bibelabschnitt, der uns für diese Heilige Nacht aufgegeben ist, lädt uns ein, über ihn und seine Rolle nachzudenken. Es ist die unbekanntere Weihnachtsgeschichte, die nach dem Matthäusevangelium. Sie wird im Gegensatz zu der altbekannten nach Lukas nicht so sehr aus der Perspektive der Maria, sondern eher aus der Perspektive des Josef erzählt:

18 Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist. 19 Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen. 20 Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist. 21 Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. 22 Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): 23 »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns. 24 Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. 25 Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Josef und Maria

"Fromm" war Josef, so übersetzt es hier Martin Luther. Das ist für uns heute eher missverständlich, denn "fromm" hatte zu Luthers Zeiten eine andere Bedeutung. "Fromm", das hieß: rechtschaffen, ordentlich, gut. Was war das Rechtschaffene an Josef? Maria war dem Josef "vertraut", wie es mit Luthers Worten heißt. D.h. beide waren nach damals geltender Sitte verlobt, also einander über die Eltern rechtsgültig versprochen. Aber Josef hatte sie, wie Luther übersetzt, "noch nicht heimgeholt". Sie lebte also noch bei den Eltern. Sie hatten die Gemeinschaft an Tisch und Bett noch nicht aufgenommen. Und in dieser Situation findet Josef seine Verlobte schwanger. Was muss er anderes denken, als dass ein anderer Mann im Spiel war. Nach dem damaligen Recht hätte er Maria öffentlich vor Gericht zerren können. Sie trotz dieses Kindes zu behalten und zu ihr zu stehen, so weit konnte ein Mann damals noch nicht denken. Aber die öffentliche Vorführung und Bloßstellung, die wollte er ihr doch ersparen. Ohne Aufsehen sollte die Trennung geschehen. Gott sei Dank, dass es auch Männer gibt, für die nicht die gekränkte Mannesehre im Vordergrund steht!

Jungfrauengeburt

Während Josef also noch die nächsten Schritte bedenkt, hat er einen Traum: Ein Gottesbote sagt ihm, er brauche keine Angst zu haben, Maria zu sich zu nehmen. Sie war ihm nicht untreu, sondern was da geschehen ist, ist ganz allein eine Sache Gottes. Jetzt könnte man ausführlich über die heiße Frage der Jungfrauengeburt debattieren, die wir ja auch regelmäßig im Glaubensbekenntnis aussprechen: "geboren von der Jungfrau Maria."

Ein paar Andeutungen nur, weil es entgegen der Meinung mancher wirklich nicht die wichtigste Frage dieser Heiligen Nacht ist. Die anderen Evangelien und auch der Apostel Paulus sagen über eine Jungfrauengeburt nichts. Doch alle miteinander bekennen, dass Jesus zwar ganz und gar Mensch, aber doch ein gottgesandter und gottgeschenkter Mensch war. Genau das will auch Matthäus durch seinen Hinweis auf den Heiligen Geist deutlich machen. Der Hl.Geist vertritt für ihn nicht einfach in einer vordergründig primitiven Weise die Rolle des zeugenden Vater. "Geist" ist zudem, man höre, im Hebräischen ein weibliches Wort!

Kein Mensch wie alle anderen

Es geht nicht darum, wie und ob das alles bei der Maria möglich sein kann, sondern es geht darum, was Matthäus über den kommenden Jesus sagen will: Dieser Jesus ist nicht ein Mensch wie alle anderen, sondern er entspringt dem Willen Gottes. Gott als der Schöpfer war hier mit seinen göttlichen Möglichkeiten, die unsere Vernunft übersteigen, am Werk. Ob und wie Josef diese Engelsbotschaft wirklich verstanden hat, wird nicht gesagt. Doch wichtig ist: Josef sagt erst einmal ja. Josef lebt nicht nur von dem, was vor Augen liegt, was man sehen und beweisen kann, sondern er lässt aus dem Mund des Gottesboten erst einmal vertrauensvoll gelten, was er nicht einfach so erklären kann.

Jungfrauengeburt hin und her. Das Entscheidende an Weihnachten ist doch, ob ich es annehmen kann, dass mir in diesem Menschenkind Jesus Gott selber begegnet. Das ist die eigentliche Zumutung und gute Botschaft von Weihnachten, die ich allemal nur dankbar annehmen, aber nicht begreifen kann. Das Entscheidende steckt im Namen. Der Name ist Programm. Jesus – so soll ihn Josef nennen –, das heißt auf deutsch "Gott hilft". Er ist der Immanuel, auf deutsch der "Gott-mit-uns".

Er steht zu Frau und Kind

Für Josef wird die Zumutung wohl noch größer gewesen sein als für uns: Gott hat ihm im wahrsten Sinne des Wortes eine Statistenrolle zugedacht. Im entscheidenden Moment der Weltgeschichte will Gott ohne die Männer auskommen. Josef muss etwas akzeptieren, woran er keinen aktiven Anteil hat. Er weiß, da ist ein Geheimnis in seiner Beziehung zu Maria, in das ihm kein Einblick und Eintritt gewährt wird. Aber trotz allem steht er zu der Frau und er steht zu dem Kind, das nicht seines ist. Ist das nicht allein schon Grund, den armen unbeachteten Josef zu rehabilitieren und auch heute sein Lob zu singen? Heute, wo über 50% der jungen Frauen, die zu einer Schwangerschaftsberatung kommen, angeben, dass sie ganz auf sich alleine gestellt sind und sich auf keinerlei männliche Unterstützung verlassen können. Ist es nicht erschreckend zu hören, wie heute junge Männer ihre Verantwortung für ihre, noch dazu im Gegensatz zu Josef eigenen, vorehelichen Kinder wahrnehmen?

Josefs Art zu glauben

Auch die weitere Rolle des Josef in der Weihnachtsgeschichte ist bedenkenswert: Er bleibt still im Hintergrund, aber er bleibt. Das ist sein Beitrag zu Weihnachten. Er könnte in meinen Augen damit ein einladendes Beispiel für viele heute abgeben, die dem Glauben distanziert gegenüberstehen: Josef könnte einen lehren, könnte v.a. unsere Männer lehren, dass Glaube nicht unbedingt gleich heißen muss: alles verstehen müssen, mit vornedran sein, viele Worte machen müssen, bekennen, anbeten, niederknien und durchschauen.

Josef gehört mit seinem stillen, fragenden Glauben, mit seiner tätigen Solidarität zu Maria und dem Kind zur Weihnachtsgeschichte hinzu, nicht mehr und nicht weniger als Maria, die Engel, die Hirten und die drei Weisen. Er gehört dazu, auch wenn er nicht gleich alles glaubend annehmen und im Herzen bewegen kann wie die Maria. Er gehört dazu, auch wenn er nicht gleich jubelt wie die Engel. Er gehört dazu, auch wenn er nicht gleich mutig verkündet wie die Hirten. Er gehört dazu, auch wenn er nicht gleich niederkniet und anbetet wie die drei Weisen.

Männer und Kirche

So bräuchten wir auch die Männer in der Gemeinde. Wir brauchen sie auf ihre Art. Männer, die fromm sind nach der Art des Josef: also rechtschaffen, standfest und offen, für das, was geschieht. Keiner muss gleich jubeln, keiner muss gleich reden und bekennen. Ich weiß, wie sehr da auch für manche die männliche Erziehung und die männliche Ehre ein Klotz am Bein sind. Aber ein wenig mehr stille Solidarität, z.B. mit dem gemeindlichen Engagement der Ehefrauen, z.B. bei der Begleitung in den Gottesdienst, wäre nur eine kleine Zumutung, aber ein großer Segen. Das hat mich dieser stille, aber treue Josef gelehrt.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de