Weihnachten
- 2. Folge
Wir feiern heute eigentlich noch einmal Weihnachten – vom
Termin her und vom Thema her: Wir feiern Weihnachten mit den christlichen
Kirchen im Osten, bei denen sich die Termine im Kirchenjahr immer
noch nach dem alten julianischen Kalender richten, der 10 Tage hinter
dem gregorianischen Kalender herhinkt. Und wir haben mit der Anbetung
der Könige im Evangelium heute auch noch einmal eine Weihnachtsgeschichte
gehört, die Weihnachtsgeschichte nach Matthäus. Die verschiedenen
Geschichten erzählen Weihnachten je aus einem anderen Blickwinkel:
Die bekannte Weihnachtsgeschichte nach Lukas „Es begab sich
aber zu der Zeit ..." erzählt Weihnachten v.a. aus dem
Blickwinkel der Hirten: Den Benachteiligten, den am Rande Stehenden,
denen, mit denen sonst niemand etwas zu tun haben wollte, lässt
Gott ausrichten: Ich bin euch nahe.
Die Weihnachtsgeschichte nach Matthäus erzählt Weihnachten
zuerst aus dem Blickwinkel des Josef: Auch die, die mit ihrem Glauben
eher still am Rande stehen und nicht viele Worte machen, braucht
Gott in seiner Geschichte mit den Menschen. Und sie erzählt
aus dem Blickwinkel der drei Könige: Die auf der Suche sind
nach dem Heil, nach dem Sinn und Ziel ihres Lebens, finden, was
sie suchen.
Astronomie und Astrologie
Die drei Könige – Caspar, Melchior und Balthasar –
sie haben uns besucht zu Beginn unseres Gottesdienstes. Eine schöne
Geschichte, nur steht davon leider fast nichts in der Bibel:
„Siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland“ heißt
es in Matthäus 2. „Weise“ übersetzt Luther,
also weise, verständige, tiefblickende Menschen. „magioi“
steht da im Griechischen, also unser deutsches Wort „Magier“.
Doch Magier, Zauberer im heutigen Sinne waren sie nicht. Astronomen
waren sie und Astrologen. Beides war damals noch miteinander vereint:
Die wissenschaftliche Betrachtung der Gestirne und die Überzeugung,
dass ihr Lauf etwas mit dem Lauf des Lebens auf der Erde zu tun
hat, gehörten zusammen.
Aus dem „Morgenland“, so übersetzt Luther, kamen
sie, also von dort, wo die Sonne aufgeht, aus dem Osten, aus Babylonien,
wo man das alte Wissen seit Jahrtausenden schon pflegte.
Kennen Sie Myrrhe?
Dass es drei gewesen seien, steht nicht da. Vermutliches war es
der Satz: „und fielen nieder und beteten es an und taten ihre
Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe."
Vermutlich haben die drei Geschenke zur Dreizahl der Könige
geführt.
Und dass aus den Weisen in der Überlieferung Könige wurden,
hat wohl auch mit diesen Geschenken zu tun. Sie waren wegen ihres
hohen Wertes geradezu königliche Geschenke: Weihrauch und Myrrhe
waren selten wie Gold. Es waren wohlriechende Harze, die man auf
weiten Wegen aus dem fernen Arabien, dem Jemen oder aus Nordafrika
einführen musste.
Und dann hat etwa im 9. Jh. die fromme Phantasie den dreien auch
noch Namen gegeben: Caspar, Melchior und Balthasar kommt vermutlich
von den drei Buchstaben C+M+B, die die Sternsinger anschreiben.
Sie sind die Abkürzung für den lateinischen Satz „christus
mansionem benedicat", „Christus segne dieses Haus".
Die
Hauptstadt und das Kaff
Ein Stern, genauer eine Himmelserscheinung, führt die Weisen
nach Westen. Eine so außergewöhnliche, dass sie einen
weiten Weg von über 1.000 Kilometern antreten. Vom Stern „des
neugeborenen Königs der Juden" erzählen sie dem erschrockenen
König Herodes. Viele Generationen von Wissenschaftlern haben
sich schon den Kopf zerbrochen, welche Himmelserscheinung das damals
gewesen sein könnte. Die wahrscheinlichste Erklärung ist
immer noch, dass es sich um das nahe Beieinanderstehen der Planeten
Jupiter und Saturn handelte. Jupiter galt den Alten als Königsgestirn
und der Saturn als Gestirn der Juden.
Dass die drei es zuerst in Jerusalem versuchen, ist verständlich,
denn Königskinder werden normalerweise an Königshöfen
geboren.
Herodes erschrickt, denn er war ein Machtpolitiker durch und durch,
der einen anderen König nur als Bedrohung ansehen kann. Ob
alle christlichen Horrorgeschichten über den Kindermörder
Herodes der Wahrheit entsprechen, weiß man nicht, aber auch
die nichtchristlichen Geschichtsschreiber schildern ihn als einen
durchtriebenen Machtmenschen.
Er ruft seine Berater zusammen und die verweisen ihn auf ein Wort
des Propheten Micha mit dem Hinweis auf Bethlehem. Von seiner Reaktion
und von seinen Emotionen hören wir nichts. Aber Herodes muss
gekocht haben bei dieser Botschaft: Bethlehem, ein paar Kilometer
südlich von Jerusalem, galt als Stadt Davids. Und David galt
als der beliebteste König in der Geschichte Israels. Einer
wie David müsste wieder aufstehen, so hoffte man, um endlich
Gerechtigkeit zu schaffen.
Die Fortsetzung zeigt noch einmal die Durchtriebenheit und Skrupellosigkeit
des Herodes, als er die Weisen scheinheilig als Helfershelfer einstellen
will. Sie sollen ihm den Aufenthaltsort des Kindes verraten, denn
er wolle es auch anbeten.
Ob die drei Weisen den Braten gerochen haben, weiß ich nicht.
Auf jeden Fall haben sie dann nach der Engelsbotschaft den Heimweg
nicht über Jerusalem genommen. Doch ich vermute fast, die drei
haben es selbst gemerkt. Wer so feinfühlig ist, dass er spürt,
dass er in dem armseligen Stall am Ziel seiner Wünsche ist,
der weiß mehr, der schaut hinter die Kulissen.
Für Menschen auf der Suche
Was könnten wir lernen aus dieser Weihnachtsgeschichte, die
vor allem aus der Perspektive der drei Weisen erzählt wird?
Ich meine, sie ist vor allem eine Geschichte für die unter
uns und für die Zeitgenossen, die immer neu auf der Suche sind.
Das wird ja bei der oberflächlichen Betrachtung der Geschichte
leicht übersehen: Der Zugang zu Christus steht nicht nur den
Christen, nicht nur den Glaubenden offen. Drei Heiden, noch dazu
drei Astrologen sind auf der Suche. Und Gott lässt sich von
ihnen finden. Auf der Suche sein scheint also wichtiger zu sein
als der Ausgangspunkt, von dem man kommt, und der Glaube, den man
mitbringt.
Und weiter: Wer auf der Suche ist, muss bereit sein, seine vorgefertigten
Meinungen über den Haufen zu werfen und sich enttäuschen
zu lassen.
Die drei Weisen werfen nicht die Flinte ins Korn, als sie in Jerusalem
nicht ankommen. Sie haben sich gewiss etwas ganz anders erwartet,
aber sie sind offen für Überraschungen.
Und so muss auch mancher heute sein vorgefertigtes Bild von Gott
erst einmal aufgeben und sich enttäuschen lassen, um dadurch
Gott erst zu finden.
Die drei Weisen lassen sich auch nicht vom Äußeren blenden:
Vom prächtigen Herodes lassen sie sich nicht ins Bockshorn
jagen. Und vom armseligen Kind lassen sie sich nicht verunsichern.
Mit
Gottes Möglichkeiten rechnen
Für mich ist das auch eine Auslegung der neuen Jahreslosung:
„Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott
möglich.“ Wer mit Gottes Möglichkeiten rechnen will
in seinem Leben, darf nicht nur auf die großartigen und spektakulären
Wunder schauen. Sonst geht vielleicht das Jahr vorbei und jemand
sagt enttäuscht: „Ich habe von Gottes Möglichkeiten
in diesem Jahr überhaupt nichts erfahren.“
Wenn wir aber lernen, wie die drei Weisen Gott im Kleinen und Unscheinbaren
zu entdecken, dann werden wir ganz gewiss Überraschungen erleben.
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