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predigt[e].de

Die Predigt vom 5. April 2009 (Palmsonntag):
»Barak Obama kam nicht mit dem Fahrrad«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Palmsonntag. Sein Thema ist der bewusst demütige Einzug Jesu in Jerusalem. Evangelium (1. Lesung) und Predigttext (s.u.) war die Darstellung nach dem Evangelisten Johannes und Epistel (2. Lesung) der Hinweis des Paulus, wie sich Jesus freiwillig erniedrigt hat.
Predigttext
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Der Predigttext
12 Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, daß Jesus nach Jerusalem käme, 13 nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und riefen: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel! 14 Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, wie geschrieben steht (Sacharja 9,9): 15 »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.« 16 Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so mit ihm getan hatte. 17 Das Volk aber, das bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, rühmte die Tat. 18 Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. 19 Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.
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Die Predigt

Der Ruf nach einem starken Mann

Wer hätte sich vor einem halben Jahr vorstellen können, dass in Deutschland auf einmal nach einem starken Staat gerufen wird. Der Staat soll es richten in der Finanzkrise, die Politiker sollen es richten.
Ich hoffe nur, dass damit nicht auch der Ruf nach einem starken Mann wieder salonfähig wird. Denn die Umfragen zeigen auch, dass man den Parteien und Politikern nur bedingt zutraut, die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu meistern.
Bei den Älteren, die den letzten starken Mann in Deutschland noch selbst erlebt haben, höre ich beides. Die meisten sagen, Gott sei Dank: „Wenn nur hoffentlich nicht wieder ein solcher kommt, wie wir ihn schon einmal hatten.“ Aber ich höre auch: „Wenn doch nur ein solcher käme. Ein guter natürlich, der nicht die fatalen Fehler von damals macht."
Und wenn ich so gesehen habe, wie Barak Obama in Frankreich oder Deutschland v.a. von Jugendlichen begeistert empfangen worden ist, dann war das ein wenig so, als würde man einen Messias begrüßen. Was für eine Last von Erwartungen liegt auf diesem Mann. Er ist wahrlich nicht zu beneiden.

Barak Obama und Jesus

„Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!“
So begrüßt die Volksmenge in Jerusalem den einziehenden Jesus. Als den „König von Israel“ begrüßen sie ihn. Da muss man den Hintergrund kennen: Im Norden des Reiches, in Galiläa, gab es einen König, einen König von den Gnaden der Römer: Herodes Antipas, ein Sohn des Kindermörders Herodes. Im Süden Israels, wo Jerusalem lag, gab es seit Jahren keinen König mehr, weil er seine Macht missbraucht hatte und von den Römern abgesetzt worden war. Nun lag die Macht bei einem römischen Statthalter, damals Pontius Pilatus.
„Hosianna dem Sohn Davids." So berichten die anderen Evangelien den Jubel der Menge. Auch da muss man mit feinen Ohren hinhören: Wen wünschen sie sich also: einen König wie damals den König David. Ein König, unter dem das Land noch eins war und eigenständig und stolz und angesehen in der Welt.

Der Messias und die Erwartungen der Masse


„Hosianna!" rufen sie ihm zu, auf deutsch: „Herr, hilf! Hilf doch, denn du kommst im Namen des Herrn. Du bist der von Gott Gesandte, der Messias.“ Hosianna, das ist nicht nur wie in unseren Liedern ein weihnachtlicher Jubelruf. Nein, da stecken handfeste politische und wirtschaftliche Erwartungen darinnen.
Die drei ersten Evangelisten erzählen davon, dass die Pilger Jesus zujubeln, die mit ihm auf dem Weg nach Jerusalem waren und auf dem Weg dorthin seine Taten erlebt haben. Hier bei Johannes hören wir, dass auch die, die sich schon in Jerusalem befinden, ihm entgegen ziehen. Die Nachricht von der Auferweckung des Lazarus hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet und ist Jesus vorausgeeilt. (Nachrichten laufen schneller als Füße. Damals schon.) Nicht mehr und auch nicht weniger soll er auch hier in Jerusalem tun. Das Unmögliche erwarten sie, einen Paukenschlag, ein Wunder: Nicht nur die Auferstehung des Lazarus, sondern auch die Auferstehung aller ihrer alten Hoffnungen, die Auferstehung des jüdischen Volkes gegen die römische Besatzung. Gerne hätte die Masse, die damals zum Wallfahrtsfest in Jerusalem war, die Römer vom Sockel gestürzt wie die Amerikaner damals Saddam in Bagdad.

Jesus entzieht sich den Erwartungen

Und dann kommt der so sehnsüchtig Erwartete auf einem Esel, dem Transportmittel der Armen. Das ist so, als wenn Barak Obama mit dem Fahrrad oder dem Mofa gekommen wäre, nicht – wie es sich für einen Messias gehört – vom Himmel her einschwebend mit einem Hubschrauber.
Und dann wird Jesus auch noch begleitet von einer Schar einfacher Leute, Fischer und Bauern vom Land, die sich in der großen Stadt deutlich unwohl fühlen. Nicht einmal seine Jünger verstehen, was das soll, lesen wir bei Johannes. Sie verstehen erst nach Ostern, heißt es, dass das sehr wohl der Einzug des Königs war. Eines Königs aber, der die Erwartungen der Menschen auf den Kopf gestellt hat.
„Wir können nichts ausrichten. Alle Welt läuft ihm nach." stellen die Pharisäer resigniert fest und begreifen damit mehr als die Jünger. Jesus hat die Massen hinter sich. Aber es ist ja so eine Sache mit der Masse. Sie Masse kann Gutes bewirken und sie kann Böses bewirken, je nach dem, wer sie lenkt. Ist es ein Wunder, dass dieselbe, in ihren Erwartungen so tief enttäuschte Masse fünf Tage später genauso laut „Kreuzige" schreit, wie sie vorher „Hosianna" geschrieen hat? Ist es ein Wunder, dass sie sich aus lauter Trotz und Enttäuschung von Pilatus den Barabbas erbitten? Einen, der wirklich hingelangt hat, der erfolglos den Aufstand geprobt hat, auch wenn dabei ein paar zu Tode gekommen sind.

Wie Jesus auf den Jubel und auf die Erwartungen reagiert, steht nichts da. Ob ihm dieser Jubel der Masse recht war. Ober er über ihre Erwartungen glücklich war. Ob sie ihn mit ihren Hoffnungen überhaupt recht verstanden hatten. An einer vergleichbaren Stelle nach der Speisung der 5000 heißt es bei Johannes (6,15):
„Als Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein.“

Und genauso deutet es auch die Fortsetzung an: Es folgt hier bei Johannes nicht wie bei den anderen Evangelisten die Erzählung von der Tempelreinigung, die offenbar diese Hoffnungen der Menschen noch mehr genährt hat, sondern die Erzählung von der Begegnung mit den griechisch sprechenden Juden, die vor kurzem auch Evangelium und Predigttext war. Denen gibt Jesus zur Antwort:
„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“
Das ist, wenn auch in bildhaften Worten, das absolute Gegenteil von dem, was die Masse wollte: Sie wollten ihn als Sieger, als Triumphator, als König. Und er redet stattdessen von seinem Tod, also menschlich gesehen vom Scheitern aller politischen Hoffnungen.

Machtergreifung, ohne nach der Macht zu greifen

Was wäre wohl damals gewesen, wenn er ihren Hoffnung und Sehnsüchten nachgegangen wäre? Was wäre gewesen, wenn er sie mit dem Schwert voraus gegen die Römer in den Kampf geführt hätte? Was wäre gewesen, wenn er das Wort ergriffen und die brodelnde Menge auf seine Seite gezogen hätte? Welches Gemetzel hätte es gegeben? Wie viele seiner Anhänger hätte er als Kanonenfutter in die Schlachtreihen der Römer getrieben? Da hätten wohl viele für einen sterben müssen und nicht einer für die vielen.
Seine Jünger merken es erst hinterher: Das war damals wirklich eine Machtergreifung, aber eine ganz anderer Art. Indem er eben nicht nach der Macht griff, verbreitete sich seine Macht über die ganze Welt.

Politische Predigt?

Politische Predigten sind nicht mein Steckenpferd. Aber diese Einzugsgeschichte mit ihrem Ruf nach dem starken Mann, dieses Lehrstück von der Verführbarkeit der Masse ist ein durch und durch politischer Text. Man darf ihn nicht reduzieren auf den Einzug Jesu in unseren Herzen. Das würde, wenn überhaupt, eher zum besinnlichen 1. Advent passen, wo ja auch dieser Einzug Thema ist.
So gern man da und dort wirklich dreinschlagen möchte, ist doch eindeutig klar: Der Ruf nach einem starken Mann kann sich nicht auf die Bibel, geschweige denn auf Jesus berufen. Das muss man denen klar und eindeutig sagen, die gerne wieder einen solchen hätten.

Warum ich politische Themen zwar mag, aber nicht unbedingt politische Predigten: Sie richten sie im Allgemeinen an Menschen, die nicht unter der Kanzel sitzen. Sie richten sich über die Mauern der Kirche hinaus an Menschen, die es gar nicht hören können. Es sei denn, es geht um Leitende Geistliche, deren Worte vorher schon durch Pressemeldungen oder hinterher durch die Medien an die Öffentlichkeit getragen werden.

Deswegen geht es mehr um die Frage: Wie steht es mit uns heute Morgen hier in den Mauern dieser Kirche? Wo sollen wir lernen von diesem Jesus, der sich nicht mit Gewalt durchgesetzt hat, der nicht der Versuchung der Macht erlegen ist und lieber durch sein persönliches Vorbild gewirkt hat?
Wo meinen wir, um mit Stärke durchsetzen zu müssen? Wo sagen wir: Wer seine Ellenbogen nicht gebraucht, wird den Kürzeren ziehen?
Wie steht es mit unserem Umgang mit den Kindern und Jugendlichen, bei denen Druck und Macht doch nur Trotz hervorrufen? Wie ist unser Umgang mit dem Nachbarn über den Zaun? Wie steht es mit unseren Stammtischreden? Sind wir zu Tode betrübt oder gar aggressiv, weil der Lieblingsverein eine herbe Niederlage einstecken musste?

Wir gehen mit dem Palmsonntag in die Karwoche hinein. Nach menschlichen Maßstäben ist es die Woche des Verlierers. Nach göttlichen Maßstäben die Woche des Siegers. Gebe Gott, dass uns die göttlichen Maßstäbe wichtiger werden als die menschlichen Maßstäbe! Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de