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Die Predigt vom 27. April 2003 (Konfirmation):
»Glaube, der Kreise zieht«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Sonntag Quasimodogeniti (Weißer Sonntag). Sein Name ("Wie die neugeborenen") erinnert an die früher übliche Erwchsenentaufe (in weißen Kleidern). In der Kirchengemeinde wird an diesem Sonntag Konfirmation gefeiert. Der Predigt lag kein Bibeltext, sondern ein Gesangbuchlied (Nr. 645) zugrunde:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
1. Ins Wasser fällt ein Stein, ganz heimlich, still und leise, und ist er noch so klein, er zieht doch weite Kreise. Wo Gottes große Liebe in einen Menschen fällt, da wirkt sie fort, in Tat und Wort, hinaus in unsre Welt.

2. Ein Funke, kaum zu sehn, entfacht doch helle Flammen; und die im Dunkeln stehn, die ruft der Schein zusammen. Wo Gottes große Liebe in einem Menschen brennt, da wird die Welt vom Licht erhellt, da bleibt nichts, was uns trennt.

3. Nimm Gottes Liebe an! Du brauchst dich nicht allein zu mühn, denn seine Liebe kann in deinem Leben Kreise ziehn. Und füllt sie erst dein Leben und setzt sie dich in Brand, gehst du hinaus, teilst Liebe aus, denn Gott füllt dir die Hand.

Text: Manfred Siebald 1973 nach dem englischen "Pass it on"
Melodie: Kurt Kaiser (1965) 1969

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Die Predigt
Steine, die Kreise ziehen

1. Ins Wasser fällt ein Stein, ganz heimlich, still und leise, und ist er noch so klein, er zieht doch weite Kreise. Wo Gottes große Liebe in einen Menschen fällt, da wirkt sie fort, in Tat und Wort, hinaus in unsre Welt.

Beim Beichtgottesdienst gestern standen Steine im Mittelpunkt. Steine der Schuld und der Last. Steine, die man loswerden und ablegen konnte, um die Vergebung zu spüren. Heute morgen nun eine andere Stein-Erfahrung: Der Stein, der ins Wasser geworfen wird, und auf der Oberfläche eines Sees seine Kreise zieht. Auch aus kleinsten Anfängen kann Großes entstehen. Der kleinste Stein erzeugt Wellen, die sich bis ans Ufer fortsetzen.

Glaube, der Kreise zieht

Diese Erfahrung aus der Natur wird in diesem Lied auf den Glauben übertragen: Auch Glaube hat kleine Anfänge, aus denen Großes werden kann. Und Glaube entsteht nicht von allein. Glaube braucht Anstöße: Anstöße im Elternhaus in frühester Kindheit, Anstöße in Schule, Gemeinde. Anstöße durch Menschen, die einen prägen. Anstöße durch Vorbilder.

Heute, wo eine neue Lebensphase beginnt, denken Sie als Eltern oder Großeltern vielleicht daran zurück: an erste altbekannte Gebete am Kinderbett, an gemeinsames Blättern und Lesen in einer Kinderbibel. Vielleicht haben Sie Ihre Kinder in den Kindergottesdienst geschickt. Je nachdem, hat auch der Kindergarten seine Anstöße gegeben. Vielleicht erinnern Sie sich auch wehmütig daran, wie einfach das damals noch war, wie leicht und wie begierig kleine Kinder gute Worte, Bilder und Geschichte annehmen und aufsaugen. Sie erinnern sich vielleicht auch, wie das dann im Laufe der Zeit schwieriger geworden ist. Und Sie merken, wie schwer es auf einmal ist, dass Jugendliche in diesem Alter noch Lehre annehmen, und wenn sie noch so gut gemeint ist.

Von der Unruhe, die die Kreise stört

Aber wahrscheinlich wissen Sie es auch von sich selber, wie die Anstöße der Kinderzeit dann im Laufe der Jahre versanden und versickern können. Es bleibt die Hoffnung, dass die kleinen Anstöße doch noch einmal ihre Kreise ziehen: Bei Ihnen als den Älteren und auch bei den Konfirmanden. Es ist wie mit dem Stein, der ins Wasser fällt: Kreise ziehen kann er nur auf einer ruhigen Oberfläche. Schon wenn sie vom Wind ein wenig gekräuselt wird, oder wenn Wellen da sind, sind die Kreise fast nicht mehr zu sehen. Sie sind zwar da, aber die Wellen und die Unruhe der Oberfläche sind stärker. So bekommen im Laufe der Zeit auch die kleinen Anstöße des Glaubens ihre Konkurrenz. Von ihrer Art her sind sie heimlich, still und leise. Und gerade in der unruhigen Pubertätszeit gibt es so viele andere Wellen und Stürme, die das Stille und Leise überdecken.

Kleine Anstöße nur konnten wir Euch geben, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden. Und vielleicht ist dann auch geschehen, wie es in dem Lied heißt: Dass Ihr dadurch auf Gottes Liebe aufmerksam geworden seid. Dass Ihr gerade in dem Alter, wo Ihr manchmal meint, keiner mag und versteht Euch, hört, dass Ihr von Gott geliebte Menschen seid.

Glaube für die nächste Generation

Es ist mit dem Glauben wie bei einer Art Staffellauf: Eine Generation versucht, der nächsten weiterzugeben, wie es sich zu leben lohnt. Jetzt, wo Ihr mit der Konfirmation als mündige Christen ernst genommen werdet, seid Ihr dran, wie es in dem Lied heißt, nun in Wort und Tat Liebe in die Welt hinein zu tragen. Bevor wir einen Gedanken weitergehen, singen wir die erste Strophe des Liedes miteinander.

Funken, die Feuer entfachen

2. Ein Funke, kaum zu sehn, entfacht doch helle Flammen; und die im Dunkeln stehn, die ruft der Schein zusammen. Wo Gottes große Liebe in einem Menschen brennt, da wird die Welt vom Licht erhellt, da bleibt nichts, was uns trennt.

Glauben an die nächste Generation weitergeben: In der ersten Strophe dargestellt im Bild eines Steines, der ins Wasser geworfen wird und seine Kreise zieht. Ein weiteres Bild kommt im zweiten Vers hinzu: Glauben weitergeben, das ist wie ein kleiner Funke, der mit Geduld auch ein Feuer zustandebringt.

Ich denke zurück an die Feier der Osternacht vor einer Woche: Eine einzige Kerze, eine einzige Flamme wird als Osterbotschaft in die Kirche hineingetragen. Von ihr aus kommt dann das Licht zu allen, die da sind, so dass ein kleines Licht am Ende eine ganze Kirche hell machen kann. Bevor aber die Kerze in die Kirche getragen wird, erinnern wir uns in der Osternacht daran, wie es immer wieder dunkel um uns und um andere Menschen ist, wie aber bei Menschen durch den Glauben Licht, Wärme und Orientierung ins Leben kommen kann.

Christen müssen Licht machen

Dazu sind wir als Christen da, dazu seid auch Ihr als Konfirmierte da, Licht ins Dunkel zu bringen: da wo Menschen im Dunkeln stehen oder sich im Dunkeln fühlen, oder auch da, wo in einer Gesellschaft Licht ins Dunkel gebracht werden muss, wo Finger in die Wunden von Ungerechtigkeit oder Egoismus gelegt werden müssen.

In der vergangenen Woche sind die Ergebnisse einer Umfrage bekannt geworden. Da haben wir u.a. erfahren, dass über ganz Deutschland verteilt nur noch 20% der Bevölkerung der Kirche positiv gegenüberstehen. Gut, dieser Durchschnitt wird v.a. durch die neuen Bundesländer gedrückt; in Bayern sind es immer noch 50% mit positiver Meinung. Aber beunruhigen müssen solche Zahlen trotzdem: Sie können nur besser oder wenigstens nicht noch schlechter werden, wenn man spüren und sehen kann, dass die Kirche, besser die einzelnen Christen, wir einzelne Christen, Licht und Wärme in eine Gesellschaft bringen. Wenn wir das nicht tun, dann machen wir uns vielleicht wirklich selber überflüssig.

Die Kirche, das sind wir

Nur: Die Kirche gibt es nicht. Die Kirche, das sind wir alle, das seid auch Ihr Konfirmanden. Und die Kirche wird nur glaubwürdig, wenn wir glaubwürdig sind. Das würde die Welt sehen, das würde die Gesellschaft wahrnehmen, wenn wir immer wieder kleine Funken anstoßen könnten, die Licht in die Dunkelheit bringen. Auf diese Weise würden wir dann auch Gottes Liebe weitergeben. Dazu braucht uns Gott, und dazu braucht er auch euch als junge Menschen. Wir singen die zweite Strophe des Liedes miteinander.

Liebe, die Kreise zieht

3. Nimm Gottes Liebe an! Du brauchst dich nicht allein zu mühn, denn seine Liebe kann in deinem Leben Kreise ziehn. Und füllt sie erst dein Leben und setzt sie dich in Brand, gehst du hinaus, teilst Liebe aus, denn Gott füllt dir die Hand.

Dass unsere Zeit und Welt heute kälter und unpersönlicher wäre als früher, so sagen die Älteren. Dass man nicht mehr so viel Zeit und nicht mehr so offene Ohren füreinander hat wie früher. Sicher ist da etwas dran. Aber die Gefahr ist auch groß, dass die sog. gute alte Zeit, die ja nicht immer und überall gut war, beschworen wird. Damals wie heute hat unsere Welt Liebe gebraucht. Aber vielleicht ist sie heute umso mehr nötig. Wir leben in einer Welt, wo man mit Geld fast alles kaufen kann. Und so ist auch die tätige Liebe, die Kreise zieht, oft durch Geld ersetzt worden. Und nun, wo durch die wirtschaftliche Situation das Geld vorn und hinten nicht mehr reicht, sehen wir die Folgen: Krankenschwestern kommen nicht mehr rum. Den Menschen in den Pflegediensten oder in den Altenheimen fehlt mehr und mehr die Zeit, dem einzelnen wirklich gerecht zu werden.

Die Zeit ist da, und sie wird wohl auch nicht besser werden, dass wir als Angehörige, als Freunde, als Nachbarn wieder mehr selber ran müssen. Wir müssen diese tätige Liebe, die Kreise zieht, und die wir – gewiss gegen gutes Geld – den Profis überlassen haben, wieder entdecken. Eine Pflegekraft in einem Altenheim kann nicht einen einzelnen Menschen eine Stunde lange im Rollstuhl durch den Hofgarten schieben. Zur gleichen Zeit schreien vielleicht fünf andere nach ihr. Wir, du und ich, wir könnten es vielleicht. Vielleicht hätten wir auch die Zeit für die einsame Nachbarin, die immer wieder ein offenes Ohr braucht. Die Zeit vielleicht für einen Verwandten oder Bekannten im Krankenhaus, dessen Essen nach einer halben Stunde wieder unberührt weggeräumt wird, weil er es alleine nicht geschafft hat.

Wer geliebt wird, kann lieben

Wie entsteht solche Liebe, die Kreise zieht? Im Lied heißt es, sie entsteht nicht von allein, sie entsteht, indem man selbst Liebe erfährt, und sie dann weitergibt. Wer nicht selber geliebt wird, kann auch nicht lieben. Und wer selber Liebe erfährt, den steckt sie vielleicht auch an. Gott bietet uns seine Liebe an. Wenn wir uns von ihr anstecken lassen, dann füllt er selber uns die Hand zum Weitergeben.

Dazu braucht uns die Gesellschaft und dazu braucht sie auch Euch als Konfirmierte, dass ihr euch zur Liebe anstecken lasst, zu einer tätigen Liebe, die Kreise zieht. Der Glaube, zu dem Ihr heute ja sagt, ist weniger die vielen großen Worte, sondern mehr die wenigen kleinen Taten. Wir singen die dritte Strophe des Liedes miteinander.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de