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Die Predigt vom 19. Oktober 2003 (Männersonntag):
»Auch Frauen sind Menschen«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 18. Sonntag nach Trinitatis. Er wurde in der Gemeinde jedoch als Männersonntag begangen. Sein Thema war das Miteinander von Mann und Frau. Der Predigttext dazu (s.u.) stand im 1. Buch Mose:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
27 Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. 28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
Predigt
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Die Predigt
„Und schuf sie als Mann und Frau ...“

"Und schuf sie als Mann und Frau. Verschiedenheit wahrnehmen. Mehr Gerechtigkeit leben". Das ist – Sie haben es schon gehört – das gegenwärtige Jahresthema der Evangelischen Männerarbeit. Es verbindet, wie es sich gehört, Bibel und Leben, Bibel und heutige Welt. Nur dann können wir verantwortlich als Christen leben, wenn wir sowohl auf der Bibel fußen, als auch die Gegebenheiten der heutigen Welt wahrnehmen. Zwei Verse aus dem ersten Kapitel der Bibel liegen dem Thema zugrunde:

27 Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. 28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.

Der Mensch ist nicht männlich

"Den Menschen" schuf Gott. Da steckt von Beginn an schon ein Problem unserer deutschen Sprache: "den Menschen", das ist männlich formuliert, so als wäre der Mensch als Mann gemacht. Es steht zwar hier im Hebräischen adam. Doch das meint den Menschen an sich und allgemein. Die "Menschheit", so müsste man eigentlich neutral übersetzen. Und so, wie man nicht "der Gott", sondern "Gott" sagt, müsste man eigentlich statt "der Mensch" nur "Mensch" sagen. Mensch, Menschheit, das ist Mann und Frau.

Der Mensch ist Mann und Frau

Erst in Mann und Frau ist Mensch vollständiger Mensch. Mensch ist Gemeinschaftswesen. Mensch hat und braucht ein Gegenüber, so wie Gott Mensch als Gegenüber wollte. Und so wie die Liebe das grundlegende Verhältnis zwischen Gott und Mensch sein soll, so ist von Anfang an Liebe die Bestimmung zwischen Mensch und Mensch: Als erstes Geschenk, so lesen wir, schenkt Gott Mann und Frau die Sexualität. Eine gute Gabe Gottes, auf der sein Segen liegt, und über die man nicht hinter vorgehaltener Hand reden muss. Beiden zugleich, Mann und Frau, wird von Gott die Menschenwürde zugesprochen, die in unserem Grundgesetz an erster Stelle steht. Und beiden, Mann und Frau, wird die Erde als Aufgabe und Verantwortung zugeteilt. Nichts davon, dass der Mann in die Welt hinausgeht und die Frau zu Hause bleibt, dass der Mann die Welt und die Frau die Familie prägt.

Das wären viele Themen für viele Predigten: Das Alleineleben, das die Bibel als Möglichkeit auch kennt – nur nicht an dieser Stelle. Der Zölibat der katholischen Kirche. Die zu niedrige Geburtenrate in Deutschland und ihre kommenden Folgen für den beruflichen Nachwuchs und die Finanzierung der Altersversorgung. Die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Die Umweltverantwortung des Menschen. Der Tierschutz.

In der Zeit, die für eine Predigt zur Verfügung steht, kann ich mich unter dem vielen nur der einen Sache widmen, die das Thema der Männerarbeit in diesem Jahr ist: Das Gegenüber und Miteinander von Mann und Frau. Wie sie füreinander unverzichtbar sind. Wie Gott ihnen beiden zugleich die Menschenwürde zugesprochen hat.

Gender Mainstreaming

"Gender Mainstreaming" heißt das Thema mit einem Fremdwort. Ein Spezialbegriff, den es bei den Vereinten Nationen schon seit fast 20 Jahren gibt, und den die Evangelische Männerarbeit nun zum Thema gemacht hat. "Gender", mit diesem englischen Wort sind die beiden Geschlechter in ihrer Verschiedenheit gemeint. Nicht mit ihren geschlechtlichen Unterschieden. (Dafür kennt das Englische das Wort Sex.) Sondern mit der Verschiedenheit ihrer Rollen und Aufgaben. Rollen, in die man hineingedrängt wird. Rollen, die man erst finden muss. Rollen, die früher ganz klar waren. Rollen, die sich in der Neuzeit sehr gewandelt haben. Mit "Mainstream", wörtlich "Hauptstrom", ist gemeint, dass es eine breite Entwicklung und Strömung werden soll, dass wir in der Gesellschaft beiden Geschlechtern gerecht werden: in der Ehe, in der Familie, im Arbeitsleben, in der Politik usw.

Gleichberechtigung ist uralt

"Gender Mainstreaming" - ein moderner Begriff, aber von der Bibel her eigentlich ein alter Hut: Was wir heute so langsam begreifen, war vor 2500 Jahren schon zu lesen: Verschieden sind sie wohl, die beiden, aber von Gott mit derselben Würde versehen und mit derselben Aufgabe an der Welt betraut. Eine Vision sozusagen, für die die Zeit leider noch lange nicht reif war. Sitte und Gepflogenheit der jeweiligen Gesellschaft sind immer stärker gewesen als die Bibel.

Zwei Lichtblicke hat es biblisch noch gegeben: Zum einen durch Jesus, der diese Schöpfungsworte ganz ernst genommen hat: Wie er mit Frauen und Kindern umging, darüber haben seine Zeitgenossen nur den Kopf geschüttelt, und sogar die Jünger nicht verstanden. Und dann Paulus mit den Worten, die wir als Lesung gehört haben: dass in Christus durch die Taufe alle nur denkbaren Unterschiede aufgehoben sind.

Männer dürfen nicht weinen

Und immer noch müssen jüdische Frauen getrennt von den Männern Gottesdienst feiern. Für das Frauenwahlrecht hat es viele Jahrhunderte gebraucht, geschweige denn dafür, dass Frauen Pfarrerinnen werden durften. Immer noch hören kleine Jungs, dass Männer stark sein müssen und nicht weinen dürfen. Und wer sagt ihnen das? Die Mütter! Schreit ein Mann, so ist er dynamisch; schreit eine Frau, nennt man sie hysterisch. Obwohl die Frauen Weltmeister im Fußball geworden sind, sind sich doch viele noch nicht so recht sicher, ob das wirklich die rechte Sportart für sie ist. Frauenkreise gibt es schon seit Jahren; Männerkreise sind sehr jung und immer noch die Ausnahme. Als im Kindergarten einmal ein junger Mann als Praktikant da war, war er der Hahn im Korb, und alle Kinder haben sich an ihn hingehängt. Und wieviel Grundschullehrer kennen Sie? Es gibt ernstzunehmende Untersuchungen, dass es für unsere Jungen nicht gut ist, dass sie fast durchgehend von Frauen erzogen werden: Väter schieben den Müttern die Erziehung hin. Dann kommen die Erzieherinnen im Kindergarten, dann die Lehrerinnen in der Grundschule. Und dann kommt die Pubertät. Und plötzlich sollen sie wissen, wer sie sind.

Wie könnte sich etwas ändern, wenn es sich ändern muss? Wie und wo könnte es weitergehen? Ich denke, ein Fingerzeig liegt in den vorhin gehörten Versen der Schöpfungsgeschichte: "Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde." Was heißt "zu seinem Bilde", wird oft gefragt. Sieht Gott im Gesicht und am Körper so aus wie wir? Das ist kindisch. Nein, wir sind Gottes Ebenbild, indem er uns von seiner Macht und Herrschaft abgegeben hat. Und wir sind Ebenbild, indem er uns als Gegenüber und Entsprechung geschaffen hat, das ihn hört, mit dem er reden kann, und das mit ihm reden kann.

Mensch sein heißt miteinander reden

Auf das Du hin ist der Mensch geschaffen. Kommunikation ist sein Geschenk und zugleich Aufgabe. Das zeigt sich auch ein Kapitel später, wenn es heißt: "Es ist nicht gut, dass Mensch allein sei, ich will ihm eine Hilfe, ein Gegenüber, schaffen, das ihm entspricht." Gott will mit dem Menschen im Gespräch bleiben, und Mann und Frau sollen im Gespräch bleiben, so hat es der Schöpfer gedacht. Miteinander im Gespräch sein, einander gegenüberstehen, aufeinander angewiesen sein, aufeinander hören. Es heißt, die meisten Eheprobleme kämen dadurch, dass nicht mehr genügend miteinander von Angesicht zu Angesicht geredet wird, dass nicht mehr genügend zugehört wird.

Wie könnte es also mehr Gerechtigkeit geben? Wie könnten Mann und Frau miteinander ihre Rollen finden? Wer wofür zuständig ist? Wer was besser kann? Wie und wo jemand seine Befriedigung findet? Ganz unabhängig davon, was man tut, und wie es sich angeblich gehört? Ganz unabhängig davon, wie einen die Zeit oder die Eltern geprägt haben ... Nur indem Mensch miteinander redet von Mensch zu Mensch. Aber reden über das Eigentliche. Nicht nur darüber, was es morgen zu Essen gibt. Oder wer am Abend den großen Fernseher nehmen darf, und wer sich ins Nebenzimmer zum Zweitfernseher zurückziehen muss.

Reden schützt vor dem Seitensprung

Und so haben Eheseminare zugespitzt gesagt, eigentlich nur eine Methode: Man hilft Mann und Frau, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Und was ist in den meisten Fällen der Anlass zum Seitenspruch? Nicht die Sexualität, sondern dass man da ohne vorhergehende Absicht bei einer Kur oder am Arbeitsplatz oder wo auch immer einen Menschen findet, mit dem man auf einmal so reden kann, wie man es mit dem eigenen Partner schon lange nicht mehr getan hat.

Was geschieht also im Männerkreis vor allem, und was muss dort auch geschehen: Männer reden miteinander. Sie reden von Mann zu Mann. Sie reden in aller Offenheit über Themen, über die man sonst nicht immer und überall redet. Themen, über die an anderer Stelle vielleicht eher Witze gemacht werden. Themen, an die man sich nicht rantraut. Die alten Tabus: Der Tod, die Sexualität, Schwächen und Scheitern.

Jungen und Mädchen stärken

Reden, miteinander ernsthaft reden. Nicht um den heißen Brei reden. Nicht nur blöde Witze machen, um die eigene Unsicherheit zu überspielen. Deswegen bin ich mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden auch in die Ausstellung im Landratsamt gegangen: "Boys und Girls" heißt sie. Sie soll Verständnis füreinander wecken. Sie soll Jungen stark machen und sie soll Mädchen stark machen. Vielleicht lernen sie dann auch, mit all den Waschbrettbäuchen und Superformen aus den Zeitungen und aus dem Fernsehen richtig und kritisch umzugehen.

"So wie du bist, so bist du gut und richtig, weil du Gottes Ebenbild bist." Wenn diese biblische Botschaft die jungen Menschen wirklich erreichen würde; wenn sie stärker wäre als die Botschaft der Medien: welche Sprengkraft könnte darin stecken! Aber allein dem Wirtschaftsminister zuliebe darf es nicht so kommen: Viele Zeitschriften würden ihre Leser verlieren. Ein großer Teil der Werbewirtschaft würde keine Umsätze mehr machen. Bräunungsstudios und Schönheitschirurgen ginge die Arbeit aus.

Und unversehens sind wir schon wieder da, wo wir schon immer waren: Die Sachzwänge sind stärker als das, was wir von der Bibel als Lebensbuch her eigentlich wissen müssten. Und so wird es immer weitergehen. Oder glauben Sie gar etwas anderes?

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de