Selig
sind die Frechen "Und der tat seinen Mund auf,
lehrte sie und sprach: Selig sind die Frechen,
denn sie werden sich durchsetzen. Selig sind die,
bei denen immer alles glatt läuft, denn sie
werden am leichtesten durchs Leben kommen. Selig
sind, die ihre Ellenbogen einsetzen, denn sie
werden immer obenauf sein. Selig sind, die es mit
dem Recht nicht so ganz genau nehmen, denn sie
werden Erfolg haben. Selig sind die Skrupellosen,
denn sie werden ihr gestecktes Ziel
erreichen."
Die
Sanftmütigen werden den Kürzeren ziehen
Würde das unserer
Wirklichkeit nicht viel mehr entsprechen? Schauen
Sie sich doch um in Wirtschaft und Politik, am
Arbeitsplatz und auf den Straßen so höre
ich. "Seligpreisungen" nennt man die
bekannten Worte Jesu von Luthers Übersetzung her
"Selig sind ...". Besser wäre:
"Wohl denen ..." oder "Glücklich
können sich schätzen ...". Die Fragen
bleiben: Die arm daran sind, sanftmütig,
nachgiebig, auf Gerechtigkeit für andere
bedacht, barmherzig, die ohne Tricks und
Notlügen durchs Leben gehen, die sich aktiv für
den Frieden einsetzen ... Können sie sich
wirklich glücklich schätzen? Ziehen sie nicht
oft genug den Kürzeren?
Jesus ist
kein Phantast
Jesus habe die
heutige Welt nicht gekannt, sagen manche. Nein,
die Welt war damals auch nicht besser. Aber Jesus
gibt sich nicht mit den sog. Sachzwängen und den
Gegebenheiten zufrieden. Und er hat die im Blick,
die nicht wie die Fettaugen oben auf der Suppe
schwimmen. Wie schnell kann umgerührt werden
auch heute und man findet sich
plötzlich bei den anderen wieder. Alle die waren
damals am Berg versammelt. Die Armen, die
Kranken. Die an den Rand Geratenen in einer
Gesellschaft, die keine Sozial- und
Krankenversicherung kannte:
5 1 Als er
aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und
setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm. 2
Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und
sprach: 3 Selig sind, die da geistlich arm sind;
denn ihrer ist das Himmelreich. 4 Selig sind, die
da Leid tragen; denn sie sollen getröstet
werden. 5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie
werden das Erdreich besitzen. 6 Selig sind, die
da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit;
denn sie sollen satt werden. 7 Selig sind die
Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit
erlangen. 8 Selig sind, die reinen Herzens sind;
denn sie werden Gott schauen. 9 Selig sind die
Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder
heißen. 10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit
willen verfolgt werden; denn ihrer ist das
Himmelreich.
Nur eine
Vertröstung?
Zu schön, um wahr
zu sein, haben die Bibelleser und Theologen immer
wieder gesagt und gefragt: Wie ist das also
gemeint? Auch für heute. Will Jesus vor allem
trösten und aufrichten? Ja und nein, denn er
sagt auch deutlich, was zu tun wäre. Vertröstet
Jesus auf später, auf eine himmlische
Gerechtigkeit? Ja und nein: Es wird diese
Gerechtigkeit geben. Aber jetzt schon lohnt es
sich, so zu handeln. Möchte Jesus, dass alle
radikal jetzt schon so leben und dadurch die Welt
umkrempeln? Ja und nein: Viel mehr Menschen
müssten so handeln. Aber die endgültige
Gerechtigkeit schafft Gott. Und noch ist der
Himmel nicht die da, und die Welt noch nicht
erlöst.
Trost und
Ermutigung
Und so sind die
Seligpreisungen beides. Sie sind, wie Martin
Luther sagt, Gesetz und Evangelium. Sie sind
Trost und Zuspruch, aber sie können und wollen
auch zu einem neuen Handeln befreien. Und wer so
handelt, nimmt jetzt schon ein Stück Himmel, ein
Stück der neuen Gerechtigkeit vorweg. Er gibt
den Menschen um sich herum ein Zeichen. Und er
wird auf davon profitieren.
Aber dass sie
Geschenk sind, bleibt doch im Vordergrund auch
da, wo es um das neue Handeln geht: Ich kann mich
ja nicht selber sanftmütig, barmherzig und
friedfertig machen. Ich kann es mir vielleicht
vornehmen, aber nicht befehlen. Aber wer weiß,
dass Gott ihn hält, dass Gott ihm Boden unter
die Füße gibt, der braucht sich nicht mit
Ellenbogen, mit Macht, Konkurrenz oder Frechheit
diesen Boden selber zu beschaffen.
5 1 Als Jesus
aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und
setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm. 2
Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und
sprach:
Man kann sich die
Seligpreisungen nur als Worte Jesu vorstellen,
nicht als allgemeine Regeln. Sie gewinnen ihre
Kraft nur, indem sich jemand wie die Menschen
damals persönlich angesprochen fühlt: Wir sind
ja nicht immer alles, was hier steht: arm,
leidend, sanftmütig, barmherzig. Ein Satz
reicht. Und wenn der trifft, dann tröstet er und
richtet auf. Und er befreit zu neuem Handeln.
Gott
schreibt niemanden ab
3 Selig sind,
die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das
Himmelreich.
Geistlich arm
was ist damit gemeint? Auf jeden Fall
nicht geistig minderbemittelt. Arm dran, so
würden wir heute sagen, waren die, um die sich
Jesus damals gekümmert hat. Zerschlagenen
Herzens heißt es im Alten Testament. Abgelehnt
von den Frommen, denn als Ungebildete kannten sie
ihre Bibel nicht und konnten in ihren Augen
allein deswegen nicht auf dem rechten Weg sein.
Auch ihnen gehört das Himmelreich, sagt Jesus.
Also: Gott hat sie nicht abgeschrieben. So reden
kann Jesus nur, weil er auch so gehandelt hat.
Beides also: Trost
und Aufruf. Wer sich so fühlt: arm dran,
zerschlagen, abgeschrieben. Der soll hören: Gott
hat dich nicht vergessen. Und wer gerade stark
ist, der soll seine Augen aufmachen und sich
umschauen, wer gerade Stärkung braucht. Nicht
mit frommen Worten: "Der liebe Gott hat dich
nicht vergessen." Sondern mit der Tat, mit
ein wenig Zeit, mit einer Umarmung, oder was
gerade aufrichtet.
4 Selig sind,
die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet
werden.
Auch hier Trost
und Aufruf. Wer Leid trägt, wer einen Verlust
erlitten hat, der soll erfahren: Du bist nicht
allein gelassen. Gott hat dich nicht vergessen.
Er hat trotz allem Gutes mit dir vor. Und wer
Leid überwunden und Gottes Hilfe erfahren hat,
der soll seine Augen aufmachen und sich
umschauen, wer gerade Trost braucht.
Es ist
noch lange nicht ausgemacht ...
5 Selig sind
die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich
besitzen.
Sanftmütig, das
heißt nicht schwach oder unterwürfig. Auch die
Sanftmütigen haben Mut. Auch die Sanftmütigen
sind stark. Aber sie verwenden nicht jedes
Mittel. Sie mögen auf den ersten Blick den
Kürzeren ziehen. Aber es nicht noch lange nicht
gesagt, wer am Ende erfolgreicher sein wird und
wer Gottes Schöpfung und die Gesellschaft weiter
voran bringt. Was auf den ersten Blick wie ein
Aufruf klingt, ist eigentlich mehr Trost: Mach
dir nichts draus. Wenn du weißt, dass Gott dir
Stärke gibt und festen Boden unter die Füße,
dann brauchst du dir das alles nicht mit
Ellenbogen zu schaffen.
Und genauso gilt
es auch für die Barmherzigen, für die, die
reinen Herzens bleiben und keine Kompromisse
eingehen wollen, und für die, die sich als
Friedensstifter wie Jesus zwischen die Fronten
stellen. Sie gehören oft genug auf Anhieb zu den
Verlierern oder zu denen, die den Kürzeren
ziehen. Sie geben ein Beispiel für die Welt, wie
sie erst noch werden soll und wie sie Jesus sich
vorstellt. Aber mit ihrem Beispiel machen sie
deutlich: Es geht entgegen allen Beteuerungen
auch anders. Und sie ziehen vielleicht immer mehr
auf ihre Seite.
Die
Politik und die Gerechtigkeit
6 Selig sind,
die da hungert und dürstet nach der
Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Die Welt ist noch
nicht so, wie sie einmal werden soll und wird.
Wahrscheinlich ist beim Hunger nach Gerechtigkeit
am deutlichsten, dass Jesu Worte nicht einfach
eins zu eins im Alltag und in die Gegenwart
umgesetzt werden können, dass sie nicht einfach
politische Handlungsanweisung sind. Ich möchte
derzeit nicht in der Haut der Politiker stecken:
Wie sie es machen, machen sie es im Moment
falsch. Sorgen sie für die Älteren und die
Renten, bürden sie den Jüngeren die Last auf.
Kommen sie den Jüngeren entgegen oder der
Wirtschaft, dann werden sie die Älteren und die
Arbeitnehmer gegen sich aufbringen. Ersparen sie
uns heute die Zumutungen, dann wird das Problem
nur auf spätere Generationen abgewälzt. Setzen
sie alle ihre Zumutungen durch, dann bleiben v.a.
die Schwächeren auf der Strecke, um die sich
Jesus damals besonders gekümmert hat, und die er
ja auch uns ans Herz gelegt hat.
Herr,
erbarme dich!
Da kann ich am
ehesten den Auslegern zustimmen, die sagen, die
Seligpreisungen reden von einer Welt, die noch
nicht da ist, und sie reden nicht von unseren
menschlichen, sondern von Gottes Möglichkeiten.
Und ich kann nur zusammen mit ihnen bitten: Herr,
erbarme dich. Erbarme dich derer, die
Verantwortung tragen in Politik und Wirtschaft
und hilf ihnen zu guten Entscheidungen. Erbarme
dich unser, dass wir durch unser Tun jetzt schon
Zeichen setzen für deine kommende Welt. Amen
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