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Die Predigt |
Das
Gesamtbild
Ein Abendmahlsbild. Manche kennen es schon. Die wenigsten aber kennen
das ganze Bild:
Dieser Wandbehang hängt im Ordenshaus der Christusbruderschaft
Selbitz. Er zeigt die Tage vor dem Karfreitag: Links zwei fliehende
Jünger bei der Gefangennahme, dann die Salbung in Bethanien,
wo eine Frau kostbares Öl über Jesus gießt, dann das
Abendmahl mit einem Kreuz im Hintergrund und rechts davon den weinenden
Petrus, nachdem er seinen Herrn verleugnet hat.
Der Ausschnitt mit der Abendmahlsszene
Die Gestalt Jesu beherrscht das Bild. Überlebensgroß ist
er im Vergleich zum Abendmahlstisch mit den Jüngern. Er ist die
Mitte. Er ist die Hauptsache.
Steht er vor dem Tisch oder über dem Tisch oder im Tisch? Jesus
und der Tisch gehen ineinander über. Er selber ist der Tisch.
Überlebensgroß auch das Brot und der Kelch mit dem Wein:
Jesus, das Brot und der Wein, auch sie gehen ineinander über.
Er ist Brot und Wein.
In Brot und Wein gibt er sich selbst.
Christus, die Lichtgestalt
Als Lichtgestalt, als der Auferstandene, der nicht an Raum und Zeit
gebunden ist, ist er inmitten seiner Jünger. Weiß, die
Farbe des Lichts. So konnten ihn die drei engsten Jünger schon
auf dem Berg der Verklärung schauen.
Weiß, das ist in unseren Kirchen und bei unseren Altar- und
Kanzelbehängen die Christusfarbe. Weiß, das ist die Farbe
der Christusfeste: Mitten in der Passionszeit mit der Bußfarbe
violett wird am Gründonnerstag weiß gedeckt. Ostern blitzt
auf.
Die Jünger
Das gleiche Weiß entdecken wir auf den Gesichtern der Jünger:
Das Licht der Auferstehung, das Licht des Auferstandenen spiegelt
sich in den Gesichtern derer, die mit ihm am Tisch sitzen. Ihre Gesichter
haben keine Konturen: Das Licht überstrahlt alles.
Ihre Gesichter haben keine Konturen: Nicht nur zwölf namentlich
Bekannte aus lang vergangener Zeit sitzen beisammen. Alle, die Abendmahl
feiern, damals wie heute, können sich in ihren Gesichtern wiederfinden.
Alle gehören dazu. Niemand ist Jesus näher oder ferner.
Der Auferstandene ist nicht an Zeit und Geschichte gebunden.
Judas
Zwölf Jünger sehen wir: Auch Judas ist dabei. Auch der Verräter
hat Platz am Tisch. Ist es vielleicht die Person links vorne? Man
meint, sie säße sei ein wenig abseits. Als einzige hält
sie die Hände ausgestreckt. Und Jesu Hand reiche nicht ganz bis
zu ihr hin. Und doch: Alle haben Platz an diesem Tisch.
Wir sitzen mit am Tisch
Ganz schmal beginnt der Tisch im Hintergrund aus dem Leib Jesu und
er verbreitert sich zum Betrachter hin. An unserer Seite sitzt niemand.
An unserer Seite ist Platz am Tisch. Und so ist es, als ginge der
Tisch aus dem
Bild heraus in unseren Tisch über. Es ist, als ob unsere Abendmahlsgaben
auch auf diesem Tisch stehen würden. Es ist, als ob wir mit den
Jüngern zusammen am gleichen Tisch säßen.
Christus ist auch in unserer Mitte. Er schaut auch auf uns gnädig
herab.
Er nimmt auch uns mit in den Kreis: Jeden ohne Ausnahme, die Guten
und die Bösen, Frau und Mann, Klein und Groß. Seine Arme
umschließen unsichtbar auch uns. Wir feiern seine Gegenwart.
Amen
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