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Die Predigt |
Immer
weniger glauben an Gott
Vor drei Tagen konnten Sie es in der Tageszeitung lesen: Nach einer
aktuellen Umfrage glauben inzwischen nur noch 61 Prozent der
Bundesbürger an Gott oder ein höchstes Wesen. 52 Prozent
bezeichnen sich als religiöse Menschen, 47 Prozent aber nicht
religiös.
Und einen Tag darauf war dann zu lesen: Bei einer anderen Umfrage
gaben 44 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich „mehr
oder weniger unsicher“ fühlen.
Kein Glaube – kein Halt
47 Prozent nicht religiös und 44 Prozent verunsichert. Fällt
Ihnen etwas auf? Es geht zwar um verschiedene Umfragen und auch um
verschiedene Befragte, doch ich bin der festen Überzeugung, dass
beides miteinander zu tun hat: Wer nicht religiös ist, verlässt
sich nach der Wortbedeutung allein auf menschliche Kraft und Vernunft,
auf seine eigene und die anderer
Menschen.
Religion, aus dem Lateinischen kommend, bedeutet frei übersetzt
"Rückbindung": sich rückbinden, sich rückversichern,
sich festhalten, sich verlassen auf etwas, was über meine Kraft
und Vernunft hinausgeht.
Etwas, woran ich mich festhalten kann, wenn ich keinen Halt mehr habe;
etwas, was mich hält und trägt, wenn der Boden unter den
Füßen
schwindet; was mir Antworten gibt, die ich mir nicht selber geben
kann.
Die innere und die äußere Sicherheit
Wer das nicht hat, wer diese innere Sicherheit nicht hat, muss sich
mit den Worten der Umfrage "mehr oder weniger unsicher"
fühlen. Jeder von uns braucht Sicherheit. Die äußere
Sicherheit aber nimmt sichtbar ab. Offenbar haben die Befragten, die
sich unsicher fühlen, auf äußere Dinge verlassen,
die nun nicht mehr sicher sind: Arbeitsplätze waren früher
einmal sicherer. Partnerschaften waren verlässlicher. Das Geld
war in den Augen vieler stabiler. Die Rente, so sagte einmal ein Minister,
war sicher. Auf Lebensver-sicher-ungen konnte man einen finanziellen
Ruhestand bauen. Und bis vor kurzem waren Krieg und Terrorismus weit
weg.
Aber das tiefere Problem ist nicht, dass die äußere Sicherheit,
die wirtschaftliche, die finanzielle, die politische, offenbar weniger
wird, sondern dass immer mehr Menschen die innere Sicherheit fehlt,
mit dieser äußeren Unsicherheit umzugehen.
Darf das wirklich sein: Dass mein Gefühl, sicher und aufgehoben
zu sein, auf Gedeih und Verderb an der äußeren Sicherheit
hängt? Dass meine innere Sicherheit sozusagen konjunkturabhängig
ist? Muss ich nicht, sollte ich nicht auf anderes bauen, mich an anderem
festhalten? Und muss ich das nicht schon in jungen Jahren tun, damit
ich mich später darauf verlassen kann?
Konfirmation: Sicher verankern
Das ist das Thema der Konfirmation. Konfirmation. Darin steckt firm:
stark, fest. Konfirmation, das ist Festigung und Bekräftigung.
Sich festmachen in dem Gott, der bei der Taufe ja zu mir gesagt hat.
Mit dem Symbol des Ankers will ich versuchen, das begreiflich und
plastisch zu machen: Konfirmation, das ist Verankerung. Verankerung
in einem Grund, der hält.
Der deutsche Dichter Matthias Claudius, von dem Lieder stammen wie
"Der Mond ist aufgegangen", sagt es so: „Etwas
Festes muss der Mensch haben, daran er zu Anker liege, etwas, das
nicht von ihm abhängt, sondern davon er abhängt.“
So können Sie es in unserem Gesangbuch unter den Zwischentexten
bei den Liedern zu Taufe und Konfirmation lesen.
Verankert sein: das heißt, festen Grund haben, aber doch frei
sein. Einen festen Grund haben, auch wenn man ihn nicht immer sehen
kann.
Nicht weggerissen werden, wenn ein Sturm aufkommt und die Wellen hoch
schlagen. Nicht haltlos werden, wenn es stürmisch wird. Auch
einmal den Anker lichten, und zu neuen Ufern aufbrechen. Aber nicht
den Anker wegwerfen oder einmotten in der Angst, er könnte einen
unfrei machen. Wehe, wenn ein Sturm aufkommt und die Wellen höher
schlagen!
Das Bild des Ankers in der Bibel
Auf Bildern aus den ersten Jahrhunderten der Christenheit findet man
dieses Symbol des Ankers öfter. Auch in der Bibel wird es einmal
verwendet. So heißt es im Hebräerbrief, die Hoffnung sei
ein sicherer und fester Anker unserer Seele, der bis in Gott hinein
reicht. (Hebr
6,18f) Auch andere solche Bilder von der festen Verankerung kennt
die Bibel: Glaube bedeutet, wie die Reben
am Weinstock zu bleiben. Wie ein Baum
fest verwurzelt zu sein. Das Haus seines Lebens auf felsigen
Untergrund zu bauen und nicht auf Sand. Gott als Felsen
unter den eigenen Füßen zu haben.
Verankerung in der Taufe
Dazu wollten wir euch als Schüler und dann als Konfirmanden einladen:
im
Kindergottesdienst, im Religionsunterricht der Schule, im Konfirmandenunterricht.
Dass ihr einen festen Anker für euer Leben findet. Dass ihr innere
Sicherheit findet, weil man sich auf die äußere Sicherheit
allein nicht verlassen kann.
Deswegen war das erste Thema, das wir miteinander besprochen haben,
die Taufe: Die Taufe ist der feste Grund, den Gott gelegt hat. Das
Ja Gottes in der Taufe ist ein fester, verlässlicher Grund. Und
Konfirmation bedeutet, sich neu dieses festen Grundes zu vergewissern
und Anker zu werfen. Verbindung zum Grund des Lebens aufzunehmen und
zu wissen, wo man sich festhalten kann.
An der langen Leine bleiben dürfen
Ich weiß, es ist in eurem Alter nicht sehr cool, religiös
zu sein, kirchlich gebunden zu sein. Die Freiheit der langen Leine
ist euch lieber. Das gehört zu der Entwicklungsphase, durch die
Ihr im Moment hindurchgeht. Eure Eltern wissen das. Die Kunst der
rechten Erziehung in diesem Alter ist, die Leine mehr oder weniger
lang zu halten. Freiheit ist wichtig, aber ohne Leine geht es nicht.
Aber das wisst Ihr als Jugendliche ja selber: Ihr wollt die lange
Leine. Aber ihr wollt natürlich, wenn es ernst wird, wenn ihr
Hilfe braucht, wenn es ums Geld geht, auch, dass Euch jemand festhält,
und dass Ihr Euch festhalten könnt.
Die lange Leine ist solange keine Problem, wie man zwischen Eltern
und Kindern über alles reden kann. Kinder müssen nicht alles
erzählen, aber sie müssen das Gefühl haben, dass sie
jederzeit mit ihren Sorgen kommen können. Und Eltern müssen
nicht alles wissen, brauchen aber die Sicherheit, dass Ihnen die entscheidenden
Dinge nicht vorenthalten werden.
So lasst Euch nicht von den Erwachsenen verführen, die lebenslang
pubertär bleiben und meinen, auf Verankerung verzichten zu können.
Die es für ein Zeichen von Stärke oder modernem Lebensgefühl
halten, ohne diese Rückbindung, also ohne Religion, ohne Glauben,
ohne Gott zu leben. Es fehlt ihnen dann offenbar doch, wenn es darauf
ankommt, die innere Sicherheit. Ihre angebliche Stärke und Coolness
entpuppt sich als Schwäche.
Verankert euch mit Eurer Konfirmation in Eurer Taufe. Verankert Euch
in Gott als dem festen Grund. Genießt die Freiheit der langen
Leine, die Gott Euch gönnt. Ich weiß, dass Ihr wie alle
Generationen vorher Euch nach der Konfirmation ein ganzes Stück
von der Gemeinde entfernen werdet. Aber bleibt an der langen Leine
trotzdem verankert. Vergesst nicht, wo Ihr Hilfe findet. Prüft
immer wieder die Festigkeit der Ankerleine zu Gott, damit Ihr sie
habt und damit sie hält, wenn Ihr sie braucht. Sagt anschließend
ehrlich und von Herzen ja zu Gott als dem Grund, in dem man sich verankern
kann. Sagt ja, mit Gottes Hilfe. Amen |
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