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predigt[e].de

Die Predigt vom 9. Mai 2004 (Kantate):
»Glauben ist gesund«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Kirchenmusiksonntag „Kantate“ („Singt!“). Sein Thema ist der Aufruf zu Dank und Lob. Evangelium dieses Sonntags ist Jesu Aufruf an die Mühseligen und Beladenen. Epistel und Predigttext (s.u.) war ein Abschnitt aus Kolosser 3, der u.a. zu dankbarem Singen aufruft:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
9 ... ihr habt den alten Menschen mit seinen Werken ausgezogen 10 und
den neuen angezogen ...
12 So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; 13 und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! 14 Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. 15 Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar. 16 Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. 17 Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.
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Die Predigt
Glauben ist gesund

Wer meint, Glaube sei Einbildung oder nur etwas für Schwächlinge, die sonst ihr Leben nicht meistern können, nimmt die Ergebnisse der Forschung nicht wahr. Wer meint, Menschen, die freiwillig in den Gottesdienst gehen, seien zu belächeln, muss seinerseits belächelt werden. Wer wollte, konnte es auch im Nordbayerischen Kurier lesen:

Eine Reihe von Untersuchungen, die vor allem in den USA durchgeführt worden sind, hätten eindeutig erwiesen, dass „enge und positive Wechselwirkungen“ zwischen Gläubigkeit und gesundheitlichem Empfinden bestehen, heißt es in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift „Psychologie heute“. Wer an einen gütigen Gott oder „auch nur“ an einen tieferen Sinn des Lebens glaube, bewältige Lebenskrisen und Stress leichter, sei weniger anfällig für Krankheiten und genese schneller. ... Wer an Gott und die göttliche Liebe im Menschen glauben könne, lebe „insgesamt sehr viel gesünder und glücklicher“, schreibt das Blatt. ... Eine andere Untersuchung, so das Magazin, habe ergeben, dass gläubige Menschen „wie erwartet“ weitaus weniger suchtgefährdet als Nichtgläubige sind, weniger häufig Selbstmord begehen und sich seltener scheiden lassen, aber auch „vielleicht überraschend“ ein erfüllteres Liebesleben haben. (Kurier 21.5.97)

Wer glaubt, lebt zufriedener. Wer glaubt, lebt gesünder. Wer glaubt, hat ein besseres Immunsystem. Wer glaubt, ist mit sich selbst und der Welt zufriedener. Wer glaubt, wirkt heilsam auf seine Umgebung.
Wenn ich mich umschaue, dann habe ich die besten und herzlichsten Beziehungen zu Menschen, die aus ihrem Glauben heraus eine natürliche
Freundlichkeit und Herzlichkeit ausstrahlen. Und ich habe die größten Probleme mit brummigen Zeitgenossen, die sich selber nicht gut sind,
die dauernd nur mit zusammengekniffenen Lippen durch die Gegend laufen und die ganze Welt und auch Gott dafür verantwortlich machen, dass es
ihnen so schlecht geht.

Glaube verwandelt Menschen

Glaube verwandelt Menschen sichtbar und fühlbar. Das kann man erleben. So richtig beschreiben kann man es nicht. Man kann nur in Bildern davon reden. Vergangene Woche war das im Predigttext das Bild der neuen Schöpfung: Getauft sein und Glauben ist wie Neuwerden, ist wie neu geschaffen werden.
Im heutigen Predigttext – Sie haben ihn vorhin als Epistel gehört. – nun ein anderes Bild: Glauben ist, wie wenn man alte Gewohnheiten auszieht wie ein altes Kleid und neue Kleider anzieht: 9 ... ihr habt den alten Menschen mit seinen Werken ausgezogen 10 und den neuen angezogen ...

Hier werden Menschen angeredet, die bei ihrer Taufe ihr altes Leben aufgegeben und ein neues angefangen haben. Dass das bei der Säuglingstaufe ein Problem ist, auch dieses Thema hatten wir am vergangenen Sonntag schon: Der als kleines Kind Getaufte erlebt diesen
Wandel nicht bewusst.
Was aber das christliche Leben und Glauben im Alltag angeht, haben uns die Freikirchen, die nur Erwachsene taufen, nicht viel voraus: Auch dort wird nach meiner persönlichen Erfahrung nur mit Wasser gekocht. Auch dort gibt es Eifer und Laschheit. Auch dort gibt es Begeisterung und Routine. Man muss in die neuen Kleider des Glaubens jeden Tag neu hineinschlüpfen. Wenn das bei als Erwachsene Getauften besser oder gar automatisch ginge, bräuchte der Apostel in diesem Brief an die Gemeindeglieder in Kolossä nicht so deutlich darauf hinzuweisen:

In den Glauben schlüpfen wie in einen Mantel

„Ihr seid doch anders geworden. Ihr habt andere Möglichkeiten. Jetzt macht auch Ernst damit. Werdet die, die Ihr eigentlich schon seid: Ihr seid durch eure Taufe von Gott Auserwählte, Geheiligte und Geliebte. Schlüpft in die neuen Kleider des Glaubens hinein wie in einen Mantel, den Gott euch hinhält!“

12 So zieht nun an ... herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; 13 und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! 14 Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. 15 Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar. 16 Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. 17 Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.

Das A und O ist die Dankbarkeit

Glaube ist möglich. Verwandelt werden ist möglich. Sich ändern ist möglich. Glücklicher werden und mit anderen Menschen anders umgehen ist möglich. Ich fange den Text von hinten an. Das A und O ist die Dankbarkeit:
17 Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.

Dankbar sein und was man tut, nicht aus eigener Kraft tun, sondern in dem Wissen, dass einem diese Kraft von Gott geschenkt wird. Wer dankbar ist, lebt anders. Wer dankbar ist, strahlt etwas aus. Und wer behauptet, dass er nichts zu danken hätte, weil es ihm nur schlecht geht, oder weil er alles aus eigener Kraft schafft, der lügt oder er hat nur einen begrenzten Horizont, dass er Wichtiges nicht mehr sehen kann. Man kann sich so in sein Misslingen, in sein Abgelehntwerden in seine Krankheit, in seine Trauer hineinsteigern, dass man nichts anderes mehr sieht. Dann ist die Welt nur schwarz. Allen anderen geht es besser. Und Gott ist nur ungerecht.

Gottesdienst gibt Anstöße

Wie wird man ein anderer? Wie wird man verwandelt? Wie kann man die Dinge anders sehen?
16 Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.

Man kann doch – so werde ich öfter gefragt – auch ohne den Gottesdienst und die Gemeinde ein guter und anständiger Mensch sein? Und dann sage ich: Ja, man kann. Kirchgänger sind nicht automatisch bessere Menschen. Aber wer darauf verzichtet, schmort in seinem eigenen Saft und verzichtet auf die Anstöße und die Ermunterung, die er in der Gemeinschaft des Gottesdienstes oder eines Gemeindekreises bekommen kann: Anstöße durch die Bibel, die vorgelesen, gepredigt, gesungen oder im Gespräch bewegt wird. Anstöße, die einer dem anderen gibt. Neues, was mir aufgeht. Defizite, die ich entdecke. Ermunterung, die ich verspüre. Trost, den ich höre.
Und das alles Entscheidende, weswegen diese Worte aus dem Kolosserbrief überhaupt für diesen Sonntag ausgesucht wurden, das Singen: Das gemeinsame Singen im Gottesdienst, das Singen in einem Chor, das stille Singen in einer Melodie, die einen heimlich begleitet, die man beim Fahrradfahren oder Laufen vor sich hinträllert oder die man beim Aufwachen am Morgen in sich hat.
Wer singt, betet doppelt, sagte einer der alten Kirchenväter. Wer singt, kann nicht mit zusammengekniffenen Lippen und Trauermiene gebeugt durch die Welt schlurfen. Wer singt, weitet seinen seelischen Horizont. Wer singt, vertreibt die Depression. Wer singt, öffnet sich für andere und für Gott.

Verwandlung ist möglich

Und aus dieser Grundeinstellung, aus der Dankbarkeit und dem Singen heraus, ist dann auch eine andere Sicht der Dinge und Verwandlung
möglich:
12 So zieht nun an ... herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut,
Sanftmut, Geduld.

Erbarmen fordert Erbarmen heraus. Freundlichkeit bringt wieder Freundlichkeit hervor. Demut lässt andere aufhorchen. Sanftmut steckt andere an. Geduld wirkt Beispiel gebend. Und jede und jeder, der meint, so etwas gäbe es je heute gar nicht mehr und den alten Zeiten nachtrauert, wo alles besser war, der hat auf der Stelle die Möglichkeit, mit diesem anderen Leben anzufangen. Und wer behauptet, das lohne sich nicht, das werde doch nur ausgenutzt, der hat es noch nicht wirklich probiert.

Manchmal kann man nur ertragen

O.k. nicht alle Menschen sind gut. Auch in einer christliche Gemeinschaft ist nicht heile heile Segen. Aber das wird ja nicht verschwiegen. Die Bibel ist ehrlich:
13 Ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! 14 Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.
Es gibt Situationen, wo man einander nur ertragen, der wie es in einer moderneren Übersetzung heißt, einander aushalten kann. Einander ertragen: Da ist vorausgesetzt, dass wir alle verschieden sind und auch, dass wir einander schnell gegenseitig zur Last werden können.
Einander ertragen, d.h. sich bewusst werden: Genauso wie andere mir Schwierigkeiten machen durch ihre Art, mache auch ich ihnen Schwierigkeiten. Genauso wie ich manchmal nur jemand leise stöhnend aushalten kann, geht es ihm in anderer Weise auch mit mir.

Und wenn ertragen und aushalten nicht mehr reicht. Wenn etwas geschehen ist, was man nicht mehr ertragen und aushalten kann, dann bleibt bloß noch, das Unrecht beim Namen nennen und zu vergeben. Vergeben, weil man ja auch nicht selber ohne Schuld ist.

15 Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe,
regiere in euren Herzen.

Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de