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Die Predigt |
Gemeinde
ist mehr als die Kirchgänger
2.000 Menschen leben in unserer Kirchengemeinde. Sechs Prozent davon
gehen durchschnittlich zum Gottesdienst. Sechs Prozent sind es auch,
die sich als ehrenamtliche Mitarbeiter in der Gemeinde engagieren.
Ein paar
mehr noch treffen sich in den Gruppen und Kreisen. Zehn Prozent finden
sich bei den Waldgottesdiensten und den Familiengottesdiensten zusammen.
Ein Drittel kommt an Weihnachten.
Nahe und Ferne?
Was ist mit den anderen? Gehören sie auch zur Gemeinde? Von Kerngemeinde
und Randgemeinde spricht man manchmal. Oder man unterscheidet Näherstehende
und Fernerstehende. Diese Unterscheidung ist problematisch, weil man
erst einmal nur aufs Äußere sieht: Wer der
Gemeinde ferner steht, muss aber nicht unbedingt fern von Gott sein.
Und wenn jemand der Gemeinde nahe steht, ist das auch noch keine Aussage
über den persönlichen Glauben.
Nahe und Ferne unterscheiden ist auch deswegen problematisch, weil
das die Menschen so festlegt: Aber aus denen, die nahe waren, können
durch eine Verärgerung, durch einen Schicksalsschlag oder berufliche
Veränderungen schnell welche werden, die sich entfernen. Und
aus denen, die fern stehen, können – Gott sei Dank –
jederzeit Nahestehende werden.
Und drittens: Nahe und Ferne unterscheiden, bedeutet, dass man sich
selbst einordnen muss. "Ich stehe der Gemeinde nahe, aber die
da bzw. der da ..." Oder andersherum: "Ein fleißiger
Kirchgänger bin ich zwar nicht, aber vielleicht besser als mancher,
der Sonntag für Sonntag kommt." Wir und die anderen. Das
ist immer ein Problem. Wir sind die Guten, wir sind die Besseren.
Die anderen aber: Nun ja, wer weiß ...
Für alle steht die Tür offen
17 (Christus) ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt
euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. 18 Denn
durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.
So heißt es im heutigen Predigttext aus dem Epheserbrief. Da
gibt es keine Nahen und Fernen mehr. Für alle steht bei Gott
die Tür offen. Für alle hat Christus Frieden mit Gott gemacht.
Nun ist aber mit den Nahen und den Fernen hier im Epheserbrief nicht
genau dasselbe gemeint: Es gab damals Christen, die zuvor Juden gewesen
waren, und welche, die zuvor einen nichtjüdischen, heidnischen
Glauben hatten. Zuerst verbreitete sich der christliche Glaube unter
jüdischen Jesusanhängern im Bereich Jerusalems. Die werden
auf den Apostel Petrus zurückgeführt. Der Apostel Paulus
aber trug dann nach Absprache mit den Jerusalemern das Evangelium
bis nach Kleinasien und Griechenland. Die Judenchristen, das waren
die, die Jesus näher waren oder sich näher fühlten:
in ihrem Denken, ihrer Herkunft, ihrer Erwartung des Messias, ihrer
Art zu leben. Und die sog. Heidenchristen wurden eher kritisch beäugt,
ob ihnen nicht entscheidende Voraussetzungen fehlen. Und da sagt Paulus:
Was war, ist egal. Auf die Ausgangsposition kommt es nicht an. Was
daraus geworden ist und wie es jetzt steht, ist entscheidend. Jetzt
seid Ihr eine Kirche. Keiner von euch steht Gott näher oder ferner.
Halbe und ganze Christen?
In einem weiteren Bild versucht er es zu verdeutlichen: 19 So
seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger
der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
Man kannte in Israel damals sog. Gäste und Fremdlinge, also Menschen
nichtjüdischer Abstammung, die zum Arbeiten oder auf der Flucht
in Israel lebten. Sie waren keine anerkannten Bürger, sie waren
nur geduldet. So sollt ihr vor Gott nicht unterscheiden, sagt Paulus:
Kerngemeinde oder Randsiedler, Näherstehende oder Fernstehende,
ganze und halbe Mitglieder. durch die Taufe sind alle von ihnen Gemeinde.
Und doch gibt es Unterschiede, wenn auch nicht von Gott her: Gott
steht allen Getauften gleich nahe. Alle haben sie den gleichen Zugang
zu ihm. Ob sie diesen Zugang zu Gott, ob sie diese offene Tür
auch nutzen, das ist die andere Frage.
Miteinander Gemeinde bauen
Ich denke an die Bilder von der Grundsteinlegung unserer Kirche vor
43 Jahren. Viele hatten ihre gekauften Ziegelsteine mitgebracht. Auch
ein Haufen unverkaufter lag noch da. Und dann fügten in einem
symbolischen
Akt viele persönlich ihren Stein in die Grundmauer ein. Jeder
Stein wurde gebraucht. Keiner sollte übrig bleiben.
19 So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern
Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, 20 erbaut auf
den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein
ist, 21 auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst
zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr
miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Ausnahmslos jeder Getaufte wird in der Gemeinde als eine Art lebendiger
Stein gebraucht. Ich weiß, dass das bei 2000 Gemeindegliedern
Theorie und Wunschvorstellung ist. Vielleicht kennen Sie das alte
Wortspiel: "Wenn sie alle hineingingen, gingen sie nicht
alle hinein. Weil sie aber nicht alle hineingehen, gehen sie alle
rein." Aber am Prinzip, am Grundsatz dürfen wir nicht
rütteln: Eigentlich werden alle Getauften gebraucht. Eigentlich
haben alle Getauften eine Gabe oder Fähigkeit, auf die die Gemeinde
nicht verzichten darf. Eigentlich gäbe es für jeden in der
Kirche, nicht im Kirchengebäude, einen persönlichen Platz.
Und Konfirmandenunterricht ist u.a. dazu da, zu entdecken, wo einmal
der eigene Platz in der Gemeinde sein könnte.
Die Gemeinde ist nie fertig
Das ist das Bild, das Paulus entwirft: Die Gemeinde ist wie ein Haus,
wie ein heiliges Haus, ein Tempel. Sie ist nie fertig. Sie ist immer
im Bau. Der Grund steht schon lange. Durch die Apostel und Propheten,
durch die
Verkündigung der ersten Christen, durch ihre Bereitschaft, sogar
ihr Leben dafür herzugeben.
Wir heutigen stehen in einer langen Tradition von glaubenden Menschen
vor uns. Wir sind nicht die ersten, die glauben, und wir werden nicht
die letzten sein. Wir profitieren von dem, was Menschen vor uns in
die Gemeinde eingebracht haben. Und Spätere werden von dem unseren
profitieren. Stockwerk für Stockwerk ist durch die Geschichte
der Gemeinde hindurch gebaut worden. Wir fügen ein weiteres hinzu
und hoffen, dass die jetzt junge Generation dann auch weiterbauen
wird.
Mitarbeiten, spenden und beten
Jede und jeder wird gebraucht, auch wenn die einzelnen Gaben und Beiträge
natürlich verschieden wie die Menschen sind. Der eine füllt
als Stein vielleicht eine große Lücke, der andere eine
kleine. Der eine Stein steht an entscheidender, tragender Stelle.
Ein anderer füllt vielleicht nur eine Lücke. Aber jeder
Stein wird gebraucht. Und jeder ist unabhängig von seiner Funktion
genauso viel wert wie der andere.
Die im Vordergrund Stehenden, die an leitender Position werden genauso
gebraucht wie die, die still und treu im Hintergrund arbeiten. Die
einen haben den Mut, sich im Gottesdienst vorne hin zu stellen und
den Mund aufzumachen. Die anderen dienen lieber mit einer handwerklichen
Fähigkeit oder ihrer Arbeitskraft. Die einen haben die Fähigkeit,
auf Menschen zuzugehen und Besuche zu machen. Den anderen ist es genug,
einen Gemeindebrief einzuwerfen, ohne dass man mit jemand reden
muss. Und wer sagt: "Aktiv mitmachen kann ich nicht. Aber mit
meiner Spende helfe ich dazu." ist ebenso willkommen. Und wer
meint, er sei zu
gar nichts zu gebrauchen, der kann allemal für den Aufbau der
Gemeinde beten.
Ich weiß, ich weiß, wir dürfen uns nicht überfordern
und wir müssen auch realistisch und nüchtern bleiben. Aber
ohne diese Vision, dass es für alle einen Platz gibt, dass alle
eine entscheidende Gabe haben, dass jeder wichtig ist, können
wir Gemeinde nicht bauen. Ohne eine solche Vision bleibt alles, wie
es ist. Dann gehen wir auch mit den sog. Fernstehenden in unserer
Familie, unserer Nachbarschaft und Bekanntschaft anders um: Wir
können in ihnen die möglichen Mitarbeiter, Mitspender und
Mitbeter von morgen sehen.
... muss eine Mannschaft sein
Nicht im Bild des Hausbaus, aber auf ähnliche Art im Bild eines
Schiffes mit seiner Mannschaft sagt es ein Lied, das wir gleich singen:
Im Schiff, das sich Gemeinde nennt, muss eine Mannschaft sein,
sonst ist man auf der weiten Fahrt verloren und allein.
Ein jeder stehe, wo er steht, und tue seine Pflicht,
wenn er sein Teil nicht treu erfüllt, gelingt das Ganze nicht.
Und was die Mannschaft auf dem Schiff ganz fest zusammenschweißt
in Glaube, Hoffnung, Zuversicht, ist Gottes guter Geist.
Bleibe bei uns, Herr! Bleibe bei uns, Herr,
denn sonst sind wir allein auf der Fahrt durch das Meer.
O bleibe bei uns, Herr!
Amen |
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