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Die Predigt |
Die Jahreslosung
2005
Die Jahreslosung für dieses neue Jahr 2005:
"Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre."
(Lk 22,32)
Wer redet hier und zu wem wird geredet? Wem gilt dieses Wort?
Es ist ein Wort Jesu aus dem Lukasevangelium im 22. Kapitel. Mit diesem
Kapitel beginnt im Lukasevangelium die Passionsgeschichte. Einen Tag
vor seinem Tod sitzen Jesus und seine Jünger beim letzten Abendmahl
zusammen. Nach dem Essen kommen sie miteinander ins Gespräch.
Die Jünger haben anscheinend immer noch nicht begriffen, dass
es jetzt ernst wird mit dem Leiden, das Jesus schon öfter angekündigt
hat. Sie rechnen
offenbar immer noch damit, dass unter seiner Führung die Gottesherrschaft
anbricht, in der sie eine wichtige Rolle spielen würden. Wer
würde dann von ihnen wichtiger oder größer sein? Das
bereitet sie Jesus unmissverständlich
darauf vor, dass auch sie bald Anfechtungen und Versuchungen durchzustehen
haben. Und er wendet sich an Simon Petrus:
31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben
wie den Weizen. 32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein
Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so
stärke deine Brüder.
Scheitern und Bewährung bei Petrus
So wie man früher per Hand mit einem Sieb die Spreu von den Weizenkörnern
getrennt hat, so wird sich in den Anfechtungen und Versuchungen zeigen,
wessen Glaube sich bewährt, und wessen Glaube nicht. Und auch
Petrus ist vor dem Versagen nicht gefeit. Wir kennen die Geschichte
seiner Verleugnung: Als einziger wagt er sich nach der Gefangennahme
Jesu noch in den Hof des Palastes. Aber aus Angst wird er leugnen,
dass er mit diesem Jesus etwas zu tun hat. Und trotz dieses Versagens
nimmt ihn der Auferstandene ein paar Tage später in seinen Dienst
und überträgt ihm die Verantwortung für die anderen
Jünger. 32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein
Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so
stärke deine Brüder.
Petrus als Paradebeispiel
Direkt angeredet ist nur Petrus. Ihm wird Verantwortung übertragen.
Doch was den Zweifel angeht, die Versuchung, das Angefochtensein,
das
Versagen – damit steht Petrus nur stellvertretend für alle
anderen Jünger. Sicher ist er in den Evangelien sehr herausgehoben.
Aber es besteht biblisch kein Grund, das zu interpretieren, wie es
die katholische Kirche mit dem Papsttum tut: Jesus selbst habe Petrus
als seinen Stellvertreter auf Erden eingesetzt. Prototyp ist Petrus
sozusagen. Paradebeispiel für das, was auch andere treffen kann.
Was von ihm gesagt wird, gilt von allen Jüngern. Ja, es
gilt auch heute für jeden Glaubenden. Petrus steht stellvertretend
für den, dessen Glaube ins Wanken gerät. Er steht für
die menschliche Seite des Glaubens. Mit "Simon" redet Jesus
den Petrus an, also mit seinem ursprünglichen Namen. Als Mensch
wie du und ich. "Petrus", der Fels, der Unerschütterliche,
das ist er auch, aber nicht immer und vor allem nicht aus eigener
Kraft.
Glaube kann zerrinnen
Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.
Das bedeutet nichts anderes als: Glaube ist nicht unerschütterlich.
Glaube ist nicht immer gleich stark. Man hat den Glauben nicht wie
einen Besitz, den einen niemand nehmen kann. Glaube kann aufhören.
Nur bei Lukas wird dieses griechische Wort verwendet: So wie einem
der Mammon, das Geld, ausgehen kann, und so wie beim Tod Jesu das
Licht der Sonne verlischt, so kann auch Glaube erlöschen. Er
leuchtet nicht mehr. Er wird kalt. Er zerrinnt unmerklich zwischen
den Fingern.
Wo kommt die Versuchung her?
Glaube erlischt durch Anfechtung. Glaube erlischt, indem er auf die
Probe gestellt wird. Wo kommt solche Anfechtung her? Wer stellt uns
auf die Probe? Unsere Bibel gibt darauf verschiedene Antworten.
31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben
wie den Weizen. 32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein
Glaube nicht aufhöre.
Glaube wird auf die Probe gestellt wie bei Hiob. Der Satan, auf deutsch:
der Versucher, bekommt von Gott begrenzte Macht. Gott lässt es
zu, dass Menschen angefochten werden, dass Menschen durch ihn auf
die Probe gestellt werden. Das ist nur eine Vorstellung der Bibel,
nur eine von verschiedenen Antworten. An anderer Stelle wird dem Bösen
jegliche Macht
abgesprochen. Und dass es so eine Art Handel zwischen Gott und dem
Satan geben könnte, ist nach anderen Jesusworten wieder ganz
undenkbar.
Das zeigt, dass auch die, die uns die Worte Jesu überliefert
haben, mündlich und schriftlich, mit dieser Frage nicht fertig
geworden sind, dass es eine bohrende Frage ist, auf die es keine eindeutige
Antwort gibt.
Auch Jesus kannte die Versuchung
Auch Jesus selbst hatte Versuchungen stand zu halten: Noch vor seinem
öffentlichen Auftreten muss er in der Auseinandersetzung mit
dem Versucher durchkämpfen, was es bedeutet, im Rampenlicht zu
stehen, was es bedeutet, dass Menschen einem an den Lippen hängen.
Die Versuchung der Macht. Die Versuchung, sich selber in den Mittelpunkt
zu stellen und nicht
seinen Auftrag. Die Versuchung, für sich selber etwas herauszuholen
und nicht für die einem Anvertrauten da zu sein. Jeder, der in
verantwortlicher Position steht, jeder, der Verantwortung für
andere Menschen hat, kennt
diese tiefen Versuchungen.
Auch Jesus hätte seinen Glauben wegwerfen können. Noch vor
der Gefangennahme hätte er sich aus Jerusalem absetzen und fliehen
können. Und am Kreuz schreit er die tiefste Anfechtung eines
Glaubenden heraus: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich
verlassen?" Aber indem er "mein
Gott" sagt, hält er doch an ihm und am Glauben fest und
wird am Ende belohnt.
Ähnlich geht es dem Petrus, der erst dreimal beteuert, er kennt
Jesus nicht, und dann vom Auferstandenen dreimal eindringlich gefragt
wird: "Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?" (Joh
21,16-17)
Was hilft gegen die Versuchung?
Wie kam es dazu? Nicht aus des Petrus eigener Kraft. Als Jesus dem
Petrus seine Anfechtungen und sein Scheitern ankündigte, hätte
er ja sagen
können wie so viele heute: "Wenn es so weit ist, dann reiß
dich doch in Gottes Namen zusammen! Du schaffst es schon." Nein:
Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.
Jesus appelliert nicht an die eigene Kraft, sondern er steht selber
vor Gott für den Glauben des Petrus ein.
Und so wie Petrus der Prototyp des Zweifelnden und Angefochtenen ist,
so wie wir ganz genauso damit gemeint sind, so gilt auch einem jeden
von uns dieser Zuspruch: Jesus Christus steht für deinen Glauben
ein. Für deinen manchmal starken und dann wieder schwankenden,
angefochtenen, zweifelnden Glauben.
Ein
Jesus von Rembrandt
Diese Botschaft, dass Christus für unseren Glauben eintritt,
bekommt auf dem Kärtchen mit der Jahreslosung, das Sie bekommen
haben, ein Gesicht: Es ist das Gesicht Jesu aus dem sog. "Hundertguldenblatt",
einer Radierung von Rembrandt. Offiziell heißt sie sehr nüchtern:
"Jesus predigend". Wir sehen Jesus inmitten der Leidenden
und Kranken, inmitten der Kinder, die
von ihren Eltern gebracht werden. Mit offenen Armen und Händen
steht er da. Mit liebenden Augen schaut er die Menschen um sich herum
an. (Quelle: www.gottesdienstinstitut.org)
Vielleicht kann Ihnen dieses Kärtchen zu einer Vergewisserung
werden: Jesus Christus kennt mich. Er schaut mich an. Er tritt auch
für meinen Glauben ein. Vielleicht kann es zu einer Vergewisserung
werden, wenn in diesem neuen Jahr mit seinen neuen Herausforderungen
Ihr Glaube brüchig zu werden droht, angefochten wird, langsam
zwischen den Fingern zu zerrinnen droht.
"Aber" ist ein wichtiges Wort
Jesus Christus spricht: Ich aber habe für dich gebeten, dass
dein Glaube nicht aufhöre.
Das "aber" aus dem Bibeltext ist beim Aussuchen der Jahreslosung
verloren gegangen. Schade eigentlich. Gott setzt unserem Zweifel und
unseren Anfechtungen, er setzt unserer begrenzten Kraft, er setzt
der Macht des
Versuchers sein "Aber" entgegen.
Lassen Sie sich mit diesen Kärtchen diese Botschaft immer wieder
neu sagen. Und sagen Sie sie auch anderen weiter: Es sind genügend
Kärtchen da. Vielleicht brauchen Sie das eine oder andere: in
einer konkreten Situation, für einen konkreten Menschen. Jesus
Christus spricht: Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube
nicht aufhöre. Amen |
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