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Die Predigt |
Wie es nach Weihnachten
weiter geht
Heute vor zwei Wochen erst haben wir Weihnachten gefeiert und von
der Geburt Jesu gehört. Vor drei Tagen noch waren die drei Weisen
an seiner Krippe. Und heute hören wir schon von seiner Taufe
durch Johannes. Nach
Lukas war Jesus zu diesem Zeitpunkt um die 30 Jahre alt. Mit Riesenschritten
geht es also voran: Die Evangelien und das Kirchenjahr haben kein
großes Interesse an der Kindheit und an der Jugend Jesu.
Die Evangelisten Markus und Matthäus
Markus, der nach Meinung der meisten Wissenschaftler das erste und
älteste Evangelium geschrieben hat, hat nicht einmal eine Geburtsgeschichte,
sondern beginnt mit dem Auftreten Johannes des Täufers. Und dann
folgt unvermittelt die erste Erwähnung Jesu mit den
Worten (Mk 1,9): Und es begab sich zu der Zeit, dass Jesus aus
Nazareth in Galiläa kam und ließ sich taufen von Johannes
im Jordan.
Der Evangelist Matthäus erzählt nach dem Besuch der drei
Weisen von der Flucht nach Ägypten, wo die Heilige Familie den
Tod des Kindermörders Herodes abwartet. Sie kehren wieder zurück
und lassen sich in Nazareth
nieder. Von dort aus kommt Jesus zu Johannes, um sich von ihm taufen
zu lassen.
Der Evangelist Lukas
Noch ausführlicher schreibt der Evangelist Lukas. Aber er beschreibt
auch nicht Kindheit und Jugend, sondern unterrichtet seine nichtjüdischen
Leser davon, wie die religiöse Entwicklung eines jüdischen
Kindes normalerweise
abläuft: Im Anschluss an die altbekannte Weihnachtsgeschichte
folgt Jesu Beschneidung nach acht Tagen, wo er auch den Namen Jesus
erhält. Später bringen ihn die Eltern nach Jerusalem, um
am Tempel das übliche Dankopfer
für den Erstgeborenen darzubringen. Simeon und Hanna sagen ihnen
voraus, dass ihr Sohn einmal eine wichtige Rolle in der Heilsgeschichte
einnehmen werde. Und es endet mit den Worten (Lk 2,39-40): Und
als sie alles vollendet hatten nach dem Gesetz des Herrn, kehrten
sie wieder zurück nach Galiläa in ihre Stadt Nazareth. Das
Kind aber wuchs und wurde stark, voller Weisheit, und Gottes Gnade
war bei ihm.
Mit zwölf Jahren nehmen sie Jesus zum ersten Mal mit zum Passafest
an den Tempel. Vermutlich hat Jesus dort seine Bar Mizwa gefeiert,
wo ein
Junge zum ersten Mal aus der Thora lesen darf. Das Fest der Religionsmündigkeit,
vergleichbar unserer Konfirmation. Und wieder endet es
zusammenfassend (Lk 2,52): Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter
und Gnade bei Gott und den Menschen.
Die sogenannten Kindheitsevangelien
Es ist viel nachgedacht und spekuliert worden über diese Zeit,
von der man nichts weiß: Jesus werde wohl den Beruf seines Vaters
erlernt haben. Er sei wohl sehr fromm gewesen und habe gar schriftgelehrten
Unterricht gehabt. Und dann entstehen in der frühen Kirche sogar
verschiedene sog. Kindheitsevangelien mit Wundergeschichten, die der
kleine Jesus
vollbracht hat, und die allesamt einer frommen Phantasie entspringen.
Man konnte sich ganz einfach nicht damit zufrieden geben, dass die
Evangelisten v.a. Interesse daran haben, was Jesus in der Öffentlichkeit
getan und gepredigt hat.
Das erste Auftreten Jesu in der Öffentlichkeit
So gehört zum heutigen 1. Sonntag nach Epiphanias von alters
her die Erzählung von seiner Taufe durch Johannes am Jordan.
Und im heutigen Predigttext folgt die Fortsetzung im Matthäusevangelium
mit seinem ersten Auftreten in seiner Heimat Galiläa:
12 Als nun Jesus hörte, dass Johannes gefangengesetzt worden
war, zog er sich nach Galiläa zurück. 13 Und er verließ
Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet
von Sebulon und Naftali, ... 17 Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen:
Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Offenbar gehörte Jesus zu den Anhängern Johannes des Täufers.
Aber er tritt erst selbst eigenständig an die Öffentlichkeit,
nachdem Johannes von seinem Landesherrn Herodes Antipas, einem Sohn
des Kindermörders Herodes, ins
Gefängnis geworfen worden war. Im Gegensatz zu Johannes ist Jesus
kein
Asket. Johannes zog sich aus der Zivilisation zurück. Er lebte
als eine Art Einsiedler, ernährte sich auch der Natur, und predigte
in der Wüste in der Nähe des Jordan. Jesus dagegen ging
zu den Menschen. Er verließ Nazareth, die Stadt, in der er aufgewachsen
war, und wirkte im Gebiet um den See Genezareth.
Warum wird nicht gesagt. Matthäus berichtet, dass Jesus mit seiner
Botschaft in Nazareth nicht auf offene Ohren getroffen ist (Mt 13,53-58):
Woher hat dieser solche Weisheit und solche Taten? Ist er nicht
der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria, und
seine Brüder Jakobus und Josef und Simon und Judas? Und seine
Schwestern, sind sie nicht alle bei uns? Woher kommt ihm denn das
alles? Und sie ärgerten sich an ihm. Jesus aber sprach zu ihnen:
Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland und in seinem
Hause. Und er tat dort nicht viele Zeichen wegen ihres Unglaubens.
Aus dieser Geschichte kommt dann auch das
Sprichwort, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt.
Jesus geht zu den Menschen
Im Unterschied zu Johannes dem Täufer, der die Menschen zu sich
kommen ließ, zog Jesus dort durch die Dörfer. Im Unterschied
zu Johannes predigte er nicht nur, sondern er wandte sich den Menschen
auch zu: Der ganze Mensch mit Leib und Seele stand für ihn im
Mittelpunkt. Er heilte körperliche Krankheiten. Er machte Menschen,
die unter psychischen Belastungen standen, wieder davon frei.
Seine wichtigste Botschaft aber ist nach der Auskunft der Evangelien
die gleiche wie bei Johannes. Von Johannes heißt es im Matthäusevangelium
(Mt 3,12-2): Zu der Zeit kam Johannes der Täufer und predigte
in der Wüste von Judäa und sprach: Tut Buße, denn
das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Von Jesus heißt es hier (Mt 4,17): Seit der Zeit fing Jesus
an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Was ist das Himmelreich?
Was haben die Menschen damals darunter verstanden: "Das Himmelreich
ist nahe herbeigekommen." Sie wussten: "Himmelreich"
meint "Himmelsherrschaft". Und "Himmel" war eine
Umschreibung für Gott, dessen Namen man als frommer Jude nicht
in den Mund nahm. "Das Himmelreich ist nahe" hieß
also: Gottes Herrschaft bricht bald an. Seit dem Alten Testament erhoffte
man sich, dass die ungerechte Herrschaft der Menschen einmal zu Ende
gehen und Gottes gerechte Herrschaft beginnen werde. Gerecht im politischen
Sinn, dass alle frei sein sollen und es keine Unterdrückung mehr
gibt. Gerecht im sozialen Sinn, dass die Güter zwischen Reichen
und Armen gleich verteilt sind. Gerecht und heil im leiblichen Sinn,
dass keine Krankheiten, Sorgen und bösen Mächte die Menschen
mehr bedrängen.
Die Gottesherrschaft braucht Vorbereitung
In dieser neuen gerechten Gottesherrschaft, so glaubte man, hat nur
der einen Platz, der auch nach ihren Regeln lebt: der gerecht ist
zu seinen Mitmenschen und dessen Verhältnis zu Gott in Ordnung
ist. Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Das hieß also bei Johannes und bei Jesus: "Kehrt um!
Ändert euer Leben, wo es nötig ist, damit euer Leben der
Gottesherrschaft entspricht. Wenn Gottes Herrschaft anbricht, müsst
ihr vorbereitet sein. Also nützt die verbleibende Zeit, euch
darauf vorzubereiten."
Bei Johannes war das eher eine eindringliche Drohbotschaft (Mt 3,7-10):
Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr
dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene
Frucht der Buße! Es ist schon die Axt den Bäumen an die
Wurzel gelegt. Darum: jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird
abgehauen und ins Feuer geworfen.
Also: Ändert euch! Wenn ihr euch nicht ändert, seid ihr
verloren, habt ihr keine Chance, habt ihr keinen Anteil an der kommenden
Gottesherrschaft.
Gott selber kommt zu den Menschen
Bei Jesus ist es eher umgekehrt. Er sagt nicht wie Johannes: Erst
müsst ihr euch ändern. Dann kommt die Gottesherrschaft zu
euch. Durch seine Taten, seine Zuwendung, seine Heilungen bringt er
sozusagen schon einen Vorgeschmack der Gottesherrschaft zu den Menschen.
Mt 12,28: Wenn ich aber die bösen Geister durch den Geist
Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen. Lk
17,20-21: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten
kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es! Oder: Da ist
es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.
Jesus schenkt ihnen das Heil der Gottesherrschaft, unabhängig
davon, ob sie nun schon vorbereitet sind oder nicht. Und durch diese
Zuvorkommenheit ändern sich die Menschen. Sie ändern sich
durch seine zuvorkommende Liebe. Sie ändern sich nicht wie bei
Johannes aus Angst. Sie ändern sich auch nicht aus eigener Kraft.
Die entscheidende Botschaft: Gott macht den Anfang.
Das erlebt die Ehebrecherin, die nicht gesteinigt und nicht verdammt
wird, die aber hinterher hört (Joh 8,11): Geh hin und sündige
hinfort nicht mehr.
Das erlebt der Oberzöllner Zachäus, der wirklich betrogen
und ausgebeutet hat, der von Jesus aber dennoch das Heil zugesprochen
bekommt, das ihm die Frommen schon lange abgesprochen haben (Lk 19,9):
Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams
Sohn.
Und diese Zuvorkommenheit des Gottesreiches krempelt den Betrüger
um. Sie bewirkt, was dieser Mann nie aus eigener Kraft und eigenem
Willen geschafft hätte (Lk 19,8): Zachäus aber trat
vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem
Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so
gebe ich es vierfach zurück.
Das erlebten die Zöllner und Sünder, zu denen sich Jesus
an den Tisch setzte. Das erlebten die Aussätzigen, vor denen
er sich nicht ekelte und fürchtete. Das erlebten die ungebildeten
Leute vom Land, die die Heiligen
Schriften gar nicht lesen konnten.
Diese zentrale Botschaft "Die Gottesherrschaft ist nahe."
ist aber zugleich immer eine große Anfechtung gewesen. Seit
2000 Jahren hat sich nichts Grundlegendes getan. Hat sich Jesus getäuscht?
Das wäre eine weitere Predigt wert. Wir hatten das Thema am Ende
des Kirchenjahres.
Fest steht, dass wir heute nicht besser und nicht anders sind als
die Menschen damals. Die Menschheit hat in 2000 Jahren nicht viel
gelernt. Auch wir sind nicht auf Gott vorbereitet. Auch wir brauchen
diese zuvorkommende Liebe Jesu, die uns ändern will und kann.
Amen |
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