|
Die Predigt |
Ostern
und der moderne Mensch
Sonntag für Sonntag haben wir in unserer Kirche die Figur des
Auferstandenen vor Augen. Eine Osterbotschaft ohne Worte. Siegreich
steht er im geöffneten Sarkophag, die rechte Hand zum Segen erhoben.
In der linken Hand die Siegesfahne. Zu seinen Füßen ein
geblendeter Grabwächter.
Erst im 13. Jhd. nach Christus kam diese uns so bekannte Darstellung
auf. So lange hat die christliche Kunst damit Ernst gemacht, dass
das Geschehen der Auferstehung in den Evangelien nicht geschildert
wird. Ein leeres Grab, ein Engel und die Frauen, damit begnügten
sich die Künstler über 1000 Jahre. Sie begnügten sich
demütig mit der Botschaft, dass er auferstanden ist, das Wie
aber unseren menschlichen Augen verborgen ist.
Diese Wende markiert in der christlichen Kunst das allmähliche
Erwachen des modernen Menschen, der sich nicht mehr einfach mit der
Botschaft zufrieden geben kann, sondern der verstehen will, der hinter
die Kulissen blicken will. Der moderne Mensch möchte Ostern gerne
be-greifen, also mit seinen Händen und Gedanken greifen, so wie
der ungläubige Thomas Jesus erst die Hände in die Wunden
legen musste. Wie geht es uns modernen Menschen mit dem Hören,
Begreifen und Annehmen der Osterbotschaft? Ich denke, es hilft, den
Weg der Frauen mitzugehen, wie ihn Matthäus uns
schildert.
Die Frauen trauen sich als erste
1 Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der
Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach
dem Grab zu sehen.
Am frühen Morgen nach dem Sabbat, nach dem Ruhetag, an dem nichts
gearbeitet werden durfte, kommen sie. Am Morgen des ersten Tages der
neuen Woche. Bald darauf wurde der Tag "Herrentag" genannt
und wurde zum Feiertag der christlichen Gemeinde, die sich vor Sonnenaufgang
und vor
Arbeitsbeginn zum Gottesdienst versammelte. Die ersten Gottesdienste
waren Auferstehungsfeiern. Dass die Woche heute nicht mehr mit dem
Sonntag, sondern mit dem Montag beginnt, ist ein Zugeständnis
an die moderne Zeit.
Sonntagmorgen. Zwei Frauen trauen sich als erste aus dem Haus, während
sich die Jünger - wie die Evangelien berichten - noch vor Angst
verstecken: Maria aus dem Ort Magdala und die sog. andere Maria. Ein
Kapitel vorher lesen wir, dass sie die Mutter des Jakobus und des
Josef war. Offenbar zwei Männer, die zu der Zeit, als die Evangelien
aufgeschrieben wurden, noch gut
bekannt waren. Die Kreuzigung haben sie von ferne miterlebt, so lesen
wir weiter. Und auch bei der Grablegung durch Josef von Arimathäa
sind sie dabei gewesen. Zwei Frauen, die Jesus schon zu Lebzeiten
nahestanden. Im
Lukasevangelium lesen wir, dass Jesus Maria Magdalena von sieben Dämonen
befreit hat.
Zwei Frauen, die schon ihre Erfahrungen mit Jesus hatten, werden als
erste mit der Botschaft der Auferstehung konfrontiert. Es mag es erleichtern,
aber es muss nicht heißen, dass Ostern nur begreifen kann, wer
schon Jesus- und Gotteserfahrungen hinter sich hat. Paulus war ein
absoluter Gegner Jesu, als ihm der Auferstandene vor Damaskus begegnet.
Und auch Menschen, die z.B. im Sozialismus ohne Glaubenserziehung
aufgewachsen sind, können überwältigt werden von der
Auferstehungsbotschaft. So lesen wir anschaulich in der Osterausgabe
der Tageszeitung von Schwester Teresa aus Pegnitz.
Die Auferstehung - ein Eingreifen Gottes
2 Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel
des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein
weg und setzte sich darauf. 3 Seine Gestalt war wie der Blitz und
sein Gewand weiß wie der Schnee.
Ich sagte vorhin, die Evangelien beschreiben die Auferstehung nicht.
Das gilt ganz eindeutig für Markus, Lukas und Johannes. Einzig
Matthäus hier sagt ein paar Worte mehr: Aber auch er beschreibt
nicht das Geschehen der Auferstehung, sondern nur ihre äußeren
Begleitumstände. Wann und wie Jesus das Grab verlassen hat, wird
nicht gesagt. Er ist schon weg, bevor der Engel den Frauen den Stein
wegwälzt.
Worauf kommt es Matthäus an, wenn er von diesen Begleitumständen
berichtet? Wenn wir uns die Bildsprache des Alten und Neuen Testamentes
anschauen, dann bedeutet der Hinweis auf das Erdbeben und den Engel
des Herrn genau genommen, dass Gott selber eingreift. Auferstehung,
nach
der Bibel genauer Auferweckung, ist die Tat Gottes. Eine Gestalt wie
ein Blitz und ein Gewand wie Schnee: Da ist eigentlich gar keine Figur
zu sehen, sondern nur Licht.
Ohne Interpretation kein Ostern
4 Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als
wären sie tot. 5 Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet
euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht.
6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt
her und seht die Stätte, wo er gelegen hat; 7 und geht eilends
hin und sagt seinen Jüngern, dass er auferstanden ist von den
Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort
werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt.
Geblendet von dieser Explosion des Lichts sind die Grabwächter
wie tot. Ausgeschaltet fast wie in einem Science-Fiction-Film. Aber
das ist nur das Äußere. Wer Gott begegnet, so lehrt uns
die Bibel, muss zu Tode erschrecken. Deswegen: "Fürchtet
euch nicht."
Und: Ohne die Erklärung des Engels können die Frauen nicht
verstehen, was geschehen ist. Die Lichterscheinung allein erschüttert
zwar in Mark und Bein, aber sie erklärt noch nichts. Ähnlich
wie bei Paulus vor Damaskus, der blind und mit einem tiefen Schock
in die Stadt gebracht wird. Und nach drei Tagen wird ihm Hananias
geschickt, der ihm das Unbegreifliche begreiflich machen muss. (Apg
9,1-19)
Was erfahren die Frauen von dem Engel? Eigentlich nichts Neues: Jesus
ist auferstanden, wie er gesagt hat. Gehört haben sie sie öfter,
seine Worte vom Leiden und Auferstehen. Aber einordnen können
sie sie erst jetzt. Ähnlich wie bei den Emmausjüngern, denen
der Auferstandene am nächsten Tag unerkannt begegenen wird, und
denen er, wie Lukas es ausdrückt, erst die
Schrift öffnen muss, damit sie das Erlebte in ihr Denken einsortieren
können. (Lk 24,25-27)
Achterbahn der Gefühle
8 Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer
Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.
"Furcht und große Freude." Ein paradoxer Gemütszustand.
Eine Art Achterbahn der Gefühle. Hin- und hergerissen sind die
Frauen, als sie
sich auf den Weg machen. Was sie glauben, was sie verstanden haben,
ist nicht gesagt. Nur ihr Gefühlszustand wird beschrieben. Gerade
noch waren sie gekommen, einem geliebten Toten den letzten Liebesdienst
zu erweisen, und dann hören sie, dass er gar nicht tot ist. Das
ist nicht minder schlimm und schockierend, als wenn jemand aus heiterem
Himmel die Nachricht von einem plötzlichen Tod überbracht
bekommt. Ums Begreifen geht's da im
ersten Moment nicht. Es ist, als wäre das Hirn leer, und der
ganze Mensch bestünde nur aus Gefühlen und Emotionen.
Ostern im Alltag erfahren
9 Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt!
Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen
vor ihm nieder. 10 Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht!
Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach
Galiläa gehen: dort werden sie mich sehen.
Auf dem Weg begegnet ihnen Jesus. Sie fallen ihm zu Füßen,
so wie man sich damals nur vor Gott niederwarf oder vor dem Kaiser,
der gottgleiche Stellung beanspruchte.
Zur Botschaft von der Auferstehung kommt die persönliche Begegnung.
Ich vermute, dieser Weg der Frauen und der Weg des ungläubigen
Thomas
ist der einzige Schlüssel für uns moderne Menschen, um einen
Zugang zu Ostern zu finden. "Die Botschaft hör' ich wohl.
Allein, mir fehlt der Glaube." lässt Goethe seinen Faust
auf die Auferstehungsbotschaft antworten.
Vermutlich kann es nur für den wirklich Ostern werden, der sich
mit der Botschaft im Ohr auf den Weg in seinen Alltag macht, um dort
zu
erfahren, dass Gott nicht tot, sondern lebendig ist: Wenn er erlebt,
wie Gebete erhört werden. Wenn er erlebt, wie er gerade noch
einmal mit
dem Leben davon kommt. Wenn er spürt, wie der Glaube ihm in einer
ausweglosen Situation ungeahnte Lebenskräfte verleiht. Wenn er
gestärkt aus einem stillen Kirchengebäude, aus einem Gottesdienst,
aus einem geistlichen Konzert oder aus einer persönlichen stillen
Stunde hervorgeht.
Ohne Erfahrung kein Glaube
Ostern be-greifen ist wohl im ursprünglichen Sinn des Wortes
mehr eine Sache der handgreiflichen Erfahrung als des Verstandes.
Aus meinem persönlichen Erleben kann ich ausdrücklich bejahen,
was der große katholische Theologe Karl Rahner schon vor 39
Jahren formuliert hat:
Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, einer der etwas
erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.
Öffnen Sie sich für solche Glaubenserfahrungen, damit es
immer neu Ostern wird, Ostern im Alltag. |
|