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Die Predigt vom 17. April 2005 (Jubilate):
»Der Stoff, aus dem die Freude ist«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 3. Sonntag nach Ostern. Er trät den Namen „Jubilate“, d.h. „Jubelt!“. Sein Thema ist die Freude, die aus dem Glauben kommt, aber auch die Freude über Gottes Schöpfung. Evangelium (1. Lesung) war Jesu Gleichnisrede vom Weinstock und Epistel (2. Lesung) das Wort vom Glauben, der die Welt überwindet. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus den Abschiedsreden Jesu bei Johannes im 16. Kapitel:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
(Jesus sprach zu seinen Jüngern:) 16 Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. 20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden. 21 Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. 22 Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. 23 An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen.
Predigt
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Die Predigt
Die Ängste der Menschen und der Glaube

"Ängste und Depressionen suchen die Deutschen heim. Kassen melden starken Anstieg psychischer Erkrankungen" so konnte man Mitte der Woche in der Zeitung lesen. Psychische Erkrankungen seien mittlerweile die
vierthäufigste Ursache für das Fehlen am Arbeitsplatz. Am häufigsten seien Angststörungen und Depressionen. Und dann kann man noch lesen, dass die Hanseaten ganz oben doppelt so häufig betroffen sind wie die Bayern.
Ist es nur Zufall, dass direkt darüber von einem Vortrag vor der bayerischen Landessynode berichtet wurde: Ein Viertel der evangelischen Christen, Kirchenmitglieder wohlgemerkt, hätten keinerlei Kontakt mehr zu Kirche und Glauben.
Zurückgehender Glaube und steigende Lebensangst: Ich bin völlig überzeugt, dass beides miteinander zu tun hat. Nicht in dem Sinne, dass Glaubende immer mit einem seligen Lächeln dahinschweben müssten wie der Engel Aloisius beim Münchner im Himmel. Aber so, dass Glaubende mit ihren Ängsten anders umgehen können und sich von ihnen nicht auffressen lassen müssen. Angst und Freude, darum dreht es sich im heutigen Predigttext: (siehe oben)

Der Abschied Jesu von seinen Jüngern

Es geht um Angst und Freude, um Abschied und Wiedersehen. Es geht darum, wie relativ die Zeit ist: wie man mitten in der Angst meint, das würde alles überhaupt kein Ende nehmen, man würde nie über den Verlust hinweg kommen, das gute Ende sei nie zu erreichen. Und im Nachhinein wird die Zeit dann Gott sei Dank ganz anders empfunden.

Von Abschiednehmen und Wiedersehen. Von Trauer und Freude. Die Worte handeln erst einmal von den Jüngern damals und wie es ihnen beim Abschied von Jesus ging. Man könnte sie aber auch übertragen auf das Abschiednehmen im Leben überhaupt. Und man könnte sie übertragen auf unseren Glauben: Denn auch wir müssen zurechtkommen damit, dass Jesus sich sichtbar ein für allemal verabschiedet hat.

(Jesus sprach zu seinen Jüngern:) 16 Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet.
Eine Art Rätselrede für die Jünger. Wir Heutigen können schnell sagen: Na klar, da redet Jesus von seinem baldigen Tod und von seinem Auferstehen wenige Tage darauf. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Dass die Jünger Jesus bald wiedersehen würden, damit meint Johannes nicht nur die relativ kurze Zeit der Begegnungen mit dem Auferstandenen. Er meint nicht nur Ostern, sondern auch Pfingsten: Er meint auch die Begegnung mit dem Heiligen Geist, der den auferstandenen Jesus auf der Erde vertritt. Den Tröster, wie es bei Johannes heißt. Wir schauen die Geschichte sozusagen von rückwärts an. Wir sehen alles durch die getönte Brille der Auferstehung. Aber die Jünger damals, denen der lebendige Jesus etwas vom Abschiednehmen erzählt, wie sollten die es begreifen?

Hat sich Gott verabschiedet?

Und ähnlich auch beim Abschiednehmen unter Menschen: Kann man sich vorher schon auf einen endgültigen Abschied vorbereiten? Kann man sich wirklich mit dem Gedanken vertraut machen, dass ein bestimmter Mensch, ein Partner, ein Kind, Vater oder Mutter auf einmal nicht mehr da ist? Und: Wenn Menschen in leisen Andeutungen den Angehörigen ihren Abschied ankündigen, dann wollen erfahrungsgemäß die Angehörigen nicht hören und schieben das Thema weit weg.

Und auch, was den Glauben angeht: Täten wir uns als Christen manchmal nicht leichter, wenn wir einem anderen Gott zeigen könnten? Wenn wir sagen könnten: Schau hin, da ist er, und da findest du ihn und folgende Antwort gibt er dir. Ist es nicht manchmal, als habe sich Gott aus dieser Welt verabschiedet?

Kein Abschied ohne Trauer

20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden.
Die Jünger haben geweint und getrauert, als Jesus tot war. Sie haben sich eingesperrt aus Angst. Die Gegner aber haben triumphiert. "Die Welt wird sich freuen." Mit "Welt" meint der Evangelist Johannes die, die nichts mit Jesus zu tun haben wollten. Doch die Trauer hat nicht das letzte Wort. Aus Trauer wird Freude werden. Jesus ist realistisch und ehrlich: Es gibt keinen Abschied ohne Trauer, ohne Weinen, ohne Klagen. Ob das ein Abschied von einem Menschen ist, der stirbt, ein Abschied, weil einen der Partner verlässt, oder vielleicht auch der Abschied von einem Kind, das aus dem Haus geht.

An der Traurigkeit geht es nicht vorbei. Man kann sie nicht wie ein Hindernis umfahren. Für den Tunnel, der durch den Berg geht, gibt es keinen alternativen Weg. Wer auf die andere Seite kommen will, muss durch.
Die Traurigkeit wird in Freude verwandelt. Das heißt doch: Freude fällt nicht einfach vom Himmel. Freude ist verwandelte Trauer. Freude ist ein Verwandlungsprozess. Die Trauer ist der Stoff, aus dem die Freude gemacht wird.

Die verwandelte Trauer

Und dann das Ganze noch einmal in einem Bild, das ehrlicherweise vermutlich nur Mütter so richtig nachvollziehen können:
21 Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.
Darf ein Mann wie der Evangelist Johannes so ein Bild verwenden? Müssen die Frauen nicht sagen: Du hast gut reden? Aber vielleicht kann doch der, der eine Geburt erlebt hat, es doch wenigstens ein bisschen nachvollziehen.
Entscheidend ist nicht der Tunnel, sondern das Licht am Ende. Entscheidend ist die Verwandlung. Die Trauer, die sich in Freude verwandelt. Die Trauer, die einen selbst verwandelt, so wie der bunte Schmetterling nach
der Überwinterung aus der unscheinbaren Puppe schlüpft.
Ich denke an die Frau, die damals auf der ersten Etappe unseres Jakobsweges mit uns gegangen ist, wenige Wochen, nachdem ihr Mann
gestorben war. Sie hat viel Zeit für sich gebraucht. Sie ist mit uns gegangen, aber doch ihren eigenen Weg. Vor kurzem habe ich sie wieder getroffen: verwandelt und strahlend.

Dann werden wir keine Fragen mehr haben

22 Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. 23 An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen.
Die Jünger haben viele Fragen. Sie verstehen nicht, was Jesus meint. Sie verstehen nicht, weshalb es überhaupt einen Abschied geben muss. Sie verstehen nicht, weswegen im Sterben ein Sinn liegen soll. Sie können nicht verstehen. Noch nicht. Aber der Tröster, der Heilige Geist, der Geist der Wahrheit, der wird sie in alle Wahrheit leiten, der wird sie im Nachhinein
verstehen lassen, so sagt Johannes ein paar Verse weiter vorne.

Die Jünger haben viele Fragen. Die Menschen haben viele Fragen. Auch die Glaubenden haben viele Fragen. Doch ihre Fragen werden sich auflösen, wenn sie dem Auferstandenen begegnen. Das hat bei Johannes einen doppelten Sinn: Jesus begegnen, ihn wiedersehen, das wird auf jeden
Fall einmal am Ende sein. Aber wir würden die Botschaft des Johannesevangelium massiv verkürzen, wenn wir meinten, er vertröste seine
damaligen Hörer und uns heute auf dieses Ende. Nein, auch hier und jetzt gibt es im Glauben solche Begegnungen mit dem lebendigen Jesus
durch den Heiligen Geist: Man muss sie wollen, man muss sie erwarten, man muss sie suchen. 23 An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen. Das erfahren Menschen, dass sich z.B. durch ein Gebet Fragen lösen können und Freudigkeit und Gelassenheit einkehrt. Auch durch das Singen und in der Meditation macht man solche Erfahrungen. Das ist vielleicht so ähnlich, wie wenn man durchs weihnachtliche Schlüsselloch schaut und schon ein wenig von dem kommenden Glanz erahnen kann. Beim Wiedersehen mit
Christus, bei der Begegnung mit Gott werden wir keine Fragen mehr haben. Hinterher werden wir verstehen. Da wird auf einmal alles sonnenklar sein.

Von der Freude aus dem Glauben

Wer aus dieser Gelassenheit des Glaubens heraus leben kann, der lebt freudiger. Ganz gewiss.
Sie kennen Peter Hahne. Den vom ZDF-Hauptstadtstudio. Den ewigen Junggesellen, den sich so viele Schwiegermütter als Schwiegersohn vorstellen könnten, auch wenn er jetzt langsam ein wenig zu alt dafür wird. In
der Wochenendausgabe der Tageszeitung ist ein Bericht von ihm und seinem Buch "Schluss mit lustig". Sein Lächeln sei sein Markenzeichen, heißt es. Und dann wird er zitiert: "Mir laufen zu viele Christen mit einer Miene herum, als seien sie dauernd auf dem Weg zum Zahnarzt. Luther nannte die Freude den Doktorhut des Glaubens, davon muss man was merken!"
Er hat recht. Doch diese Freude kann man nicht einfach befehlen. Sie muss von innen kommen. Sie muss aus dem Glauben gespeist werden. Glauben Sie mir: Sie tun sich etwas Gutes, wenn Sie heute da sind. Wenn Sie sich
öffnen für Gott und seinen Heiligen Geist. Wenn Sie von Herzen singen. Kommen Sie wieder! Kommen Sie öfter! Es wird Sie auf die Dauer verwandeln. Ganz bestimmt.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de