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Die Predigt |
Glaube,
der Halt verleiht
Ich möchte Glauben haben, / der über Zweifel siegt,
/ der Antwort weiß auf Fragen / und Halt im Leben gibt.
(Gesangbuch Nr. 622,1)
Eines der neuen Lieder in unserem Gesangbuch. Wer möchte manchmal
nicht gerne ein wenig leichter glauben können? Wer möchte
nicht manchmal gerne einen festeren Glauben haben? Einen, der die
Zweifel überwinden lässt. Der Antworten weiß. Der
Halt verleiht. Einen Glauben haben, das heißt, festen Boden
unter den Füßen haben.
Wir begegnen im Predigttext Menschen, die Schritt für Schritt
in den Glauben hinein geführt werden.
35 Johannes der Täufer stand am Jordan und zwei seiner Jünger;
36 und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist
Gottes Lamm! 37 Und die zwei Jünger hörten ihn reden und
folgten Jesus nach. 38 Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen,
und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi
- das heißt übersetzt: Meister -, wo ist deine Herberge?
39 Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen's und blieben
diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde. 40 Einer von
den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt
waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus. 41 Der findet zuerst
seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden,
das heißt übersetzt: der Gesalbte. 42 Und er führte
ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn
des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt:
Fels.
„Was sucht ihr?“ und „Kommt und seht!“ Das
sind die ersten beiden Sätze, die Jesus nach der Darstellung
des Johannesevangeliums in der Öffentlichkeit sagt. Sie haben
mit dieser Suche nach festem Glauben, mit dieser Suche nach festem
Boden unter den Füßen zu tun:
„Was sucht ihr?“ Nur wer sucht, kann finden. Wer meint,
ihm fehle nichts, er habe sein Leben fest im Griff, der braucht nicht
weiter zuhören. Wer nicht will, der hat schon.
Und: „Kommt und seht!“ Nur durch Ausprobieren lässt
sich entdecken, was Glaube ist und wie er wachsen kann.
Gehen wir einfach ein Stück mit den Menschen, von denen hier
die Rede ist:
Glaube: Eingeladen werden
Johannes der Täufer stand am Jordan, und zwei seiner Jünger;
und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist
Gottes Lamm!
Zum ersten: Glaube ist Einladung. Glaube ist Eingeladenwerden.
Glaube beginnt durch einen Anstoß von außen, irgendwann
und irgendwie, bei einem jeden verschieden: durch eine fromme Großmutter,
durch einen überzeugenden Pfarrer, durch ein einschneidendes
Erlebnis.
Und dabei kommt es wohl, wie hier, nicht auf die Menge der Worte an.
Nur einen Satz sagt der Täufer: "Siehe, das ist Gottes Lamm!"
Keine lange Predigt. Eigentlich nur ein Fingerzeig. Ein Fingerzeig,
der neugierig macht.
Rein menschlich gesehen ist Johannes eigentlich zu bewundern: Die
Jünger waren „seine“ Jünger. (seine in Anführungszeichen).
Und da kommt mit Jesus „Konkurrenz“ für ihn, ein
neuer interessanter Lehrer; und er lässt die Jünger einfach
ziehen, er ermuntert sie sogar.
Wenn es um das Heil von Menschen geht, körperlich oder seelisch,
dann darf es kein mein und dein geben: Menschen sind nicht Besitz.
Die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft soll zur Freiheit führen
und nicht einen Menschen gefangen nehmen. Daran kann man Sekten und
falsche Propheten unter anderem erkennen: Sie binden Menschen nicht
an Gott, sondern an sich als Menschen und lassen sie nicht mehr los.
Sie nehmen ihnen ihre Freiheit.
Glaube: Aufbruch
Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus
nach.
Zum zweiten: Glaube ist Aufbruch.
Sich aufmachen, aufbrechen gehört zum Leben. Wer nicht aufbricht,
erfährt nichts Neues. Wer nicht aufbricht, macht keine Fortschritte.
Im Blick auf den Glauben: Keiner wird nach einem Anstoß, den
er bekommt, zum Glauben gedrängt. Nach einer persönlichen
Einladung. Nach einem schicksalhaften Fingerzeig. Aus eigener Entscheidung
muss er einen Schritt tun. Ohne diesen mutigen Schritt, ohne dieses
Wagnis geht es nicht.
Verwunderlich, dass die beiden Jünger hier in der Geschichte,
die eigentlich wissen, wo sie hingehören, so einfach diesem Mann
Jesus nachlaufen! Als Jünger des Johannes waren sie wohl Menschen
auf der Suche. Auf der Suche nach Sinn für ihr Leben und auch
für ihr Volk. Auf der Suche nach dem Messias, auf der Suche nach
dem persönlichen und dem politischen Heil. Johannes wollte nicht
selber der Messias sein, sondern nur der Wegweiser. Deshalb braucht
er sie nicht halten, sie nicht an sich binden.
„Siehe, das ist Gottes Lamm.“ Geheimsprache, Fremdwort
für uns. Für die beiden Jünger als Kenner der Heiligen
Schrift genug, um zu wissen, dass sie einen Besonderen vor sich haben.
Glaube: Auf der Suche sein
Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu
ihnen: Was sucht ihr?
Zum dritten: Glaube ist auf der Suche sein.
Glaube heißt, in seinem Leben noch nicht fertig sein, noch nicht
am Ziel sein. „Was sucht ihr?“
Wer vorankommen will, wer reifen will, darf dieser Frage nicht ausweichen:
Was suche ich? Suche ich überhaupt etwas? Was suche ich, wenn
ich glaube? Was suche ich, wenn ich in einen Gottesdienst gehe?
Und auch: Welchen Gott suche ich? Wie muss Gott aussehen, wenn er
für mich Gott sein soll? Wir wissen ja, dass die Erwartungen,
die die Juden damals an den Messias hatten, von Jesus enttäuscht
wurden. Er war kein politischer Heilsbringer und wollte es offenbar
nicht sein. Er hat nicht die Römer aus dem Land gejagt. Er war
das Lamm, das geschlachtet wurde, und nicht der Metzger, der das Messer
geschwungen hat.
Was suche ich? Will ich nur bestätigt werden in dem, was ich
schon weiß oder zu wissen meine? Oder bin ich offen und bereit,
mich infrage stellen zu lassen und neues zu entdecken über mich
und Gott?
Glaube: Erfahrungen machen
Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi - das heißt übersetzt:
Meister -, wo ist deine Herberge? Er sprach zu ihnen: Kommt und seht!
Sie kamen und sahen's und blieben diesen Tag bei ihm.
Zum vierten: Glaube ist Erfahrungen machen.
Glaube ist, sich erst einmal auf Gott einlassen. Glaube ist ausprobieren.
Jesus lädt die beiden ein vor dem Hintergrund der orientalischen
Gastfreundschaft. Vom Glauben erfährt man weniger etwas durch
ein kurzes Gespräch, weniger durch das bloße Hören,
sondern indem man sich auf den Weg macht, indem man eine geraume Zeit
miteinander oder nebeneinander lebt.
Ein alter, weiser Mönch wurde einmal gefragt, wie er einen anderen
Menschen zum christlichen Glauben führen würde. Und er soll
gesagt haben: „Ich würde ihn ein Jahr lang bei mir wohnen
lassen.“
Glaube: Bewegung
Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus
nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus. Der findet
zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias
gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte. Und er führte
ihn zu Jesus.
Zum fünften: Glaube ist Bewegung.
Glaube drängt zum Weitersagen. Was ich erfahren habe, sollen
auch andere erfahren, die auf der Suche sind. Glaube ist nicht selbstgenügsam.
Er behält nicht eifersüchtig für sich. Er macht sich
auf den Weg.
Nur dadurch gibt es ja auch bei uns Glauben. Nur dadurch sitzen wir
heute morgen hier. Nur durch eine ununterbrochene Kette von Hören
und Weitersagen ist der Glaube aus Palästina und dann aus dem
Mittelmeerraum auch zu uns nach Europa gekommen, ist er bis in unsere
Generation gekommen.
Und so hängt es auch entscheidend an einem jeden von uns, wie
der Glaube der nächsten Generation weitergegeben wird.
Glaube: Erkannt werden
Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes;
du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.
Zu guter Letzt: Glaube ist nicht nur, wie bisher gehört, sich
einladen lassen, aufbrechen, auf der Suche sein, Erfahrungen machen
und weitertragen. Glaube ist auch Erkanntwerden.
Da erfährt auf einmal einer oder eine wie hier Petrus: Gott kennt
mich. Er kennt meine Lebensgeschichte. Er kennt meine Fragen. Er kennt
meine Zweifel, meine Hoffnungen und Sehnsüchte. Er kennt mich,
obwohl ich bisher überhaupt nichts mit ihm zu tun gehabt habe.
Er kennt mich besser, als ich mich kenne. Er ist gnädiger zu
mir, als ich selbst und andere es zu mir sind. Er nimmt mich an, wo
ich selbst und andere mich nicht annehmen können.
Und das nicht so, dass ich erst diese anderen Schritte hätte
hinter mich bringen müssen, als Voraussetzung geradezu. Nicht
so, dass Gott erst dann einen Schritt auf mich zuginge, wenn ich einen
Schritt auf ihn zu gemacht habe. Nein, für manche beginnt Glaube
mit diesem Erkanntwerden und Angenommensein. Und dann folgt erst das
Weitere: Aufbrechen, Erfahrungen machen und Weitersagen.
Jesus kennt mich, erfährt Petrus. Das heißt: Er kennt auch
meine Stärken. Er weiß, was ich kann, und mutet mir etwas
zu. Er ruft mich in die Verantwortung. Er kann mich brauchen. Ein
Fels soll ich sein für ihn und seine Gemeinde: Er will auf mich
bauen.
So ist Glaube zuletzt auch: beauftragt werden, gesandt werden.
Ist das nicht wichtig auch für dich und für mich, zu wissen:
Ich werde gebraucht! Ich tauge zu etwas! Ich werde gebraucht auch
in der Gemeinde. Ich tauge zu etwas vor Gott. Ich denke, damit lässt
sich leben. Amen
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