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Die Predigt vom 12. Juli 2009 (5. Sonntag nach Trinitatis):
»Wenn einem so viel Gutes widerfährt ...«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 5. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist die unverdiente Gnade, die einen in den Dienst ruft. Evangelium und Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war die Erzählung vom Fischzug des Petrus nach Lukas 5. Epistel ist der Hinweis des Paulus, dass sich das Kreuz Jesu jeder Logik verschließt.
Predigttext
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Der Predigttext
5 1 Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth 2 und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. 3 Da stieg er in eins der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus. 4 Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! 5 Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen. 6 Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische, und ihre Netze begannen zu reißen. 7 Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, so daß sie fast sanken. 8 Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. 9 Denn ein Schrecken hatte ihn erfaßt und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, 10 ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. 11 Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.
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Die Predigt
Womit habe ich das verdient?

„Womit habe ich das verdient?" So fragen Menschen, wenn sie Schlimmes erleben, für das sie keine Erklärung haben. So fragen Menschen, wenn sie an Gottes Gerechtigkeit zweifeln.
„Womit habe ich das eigentlich verdient?" So fragen manchmal aber auch Menschen ganz überrascht und glücklich. Dass es das auch gibt, darauf möchte ich Sie heute aufmerksam machen. Daran möchte ich Sie heute erinnern.
Es ist nicht gut, wenn sich Gespräche immer nur um das drehen, was misslungen und beklagenswert ist. Wenn einer dem anderen dauernd nur seine Krankheiten und Wehwehchen vorjammert. Wenn man sich nur gegenseitig darin bestätigt, wie schlimm die heutige Welt ist.
Denn es gibt auch das andere, dass Menschen sich aus heiterem Himmel beschenkt fühlen und merken: „Dass es das jetzt gibt, dass ich das erleben darf, das ist ein Geschenk. Dafür kann ich nichts. Das hab' ich mir nicht erarbeitet. Das hab' ich mir nicht verdient."

Das Leben neu geschenkt bekommen

Ich habe, solange ich in Bayreuth bin, schon einige Gemeindeglieder in der Herzklinik besucht, die eine Operation am offenen Herzen hinter sich hatten. Das ist ja nicht irgendeine Operation. Medizinisch nicht, vor allem aber auch seelisch nicht. Wenn nun jemand diese schwere Operation hinter sich hat ... Wenn all das Bangen und Überlegen, alle heimliche und offene Angst vorbei sind ... Dann, ja dann, kommt bei den meisten dieses Gefühl: „Jetzt ist mir das Leben ein zweites Mal geschenkt worden. Dass alles in Ordnung gegangen ist, dass es mir wieder so gut geht, womit habe ich das eigentlich verdient?"
Und für die meisten ist dann diese Frage auch mit einer starken inneren Erschütterung verbunden: mit einem großen Staunen, mit Dankbarkeit, mit Erregung, und auch mit Tränen.

Einen zweiten Geburtstags feiern dürfen. Das Leben neu als Geschenk annehmen. Vielleicht sitzt auch heute (Morgen) jemand da, der das auf diese oder auf andere Art und Weise auch schon erlebt haben. Sei es, dass er von einer schweren Krankheit gesund geworden ist. Sei es, dass er bei einem Unfall (oder damals im Krieg) um Haaresbreite davongekommen ist. Sei es, dass er aus dem dunklen Tal einer Depression herausgefunden hat. Oder was es sonst noch geben mag.

Was Petrus erlebt hat

„Womit habe ich das eigentlich verdient?" So fragte damals auch der Fischer Simon, der spätere Apostel Petrus, als ihm dieser wunderbare Fischzug gelang. Einen Erfolg, wie er ihn noch nie in seinem Leben hatte. Einen Erfolg gegen alle Vernunft:

Und sie fingen eine große Menge Fische, und ihre Netze begannen zu reißen. 7 Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, so dass sie fast sanken.

Simon Petrus, ein alter Hase als Fischer am See Genezareth: Ein alter Hase, dem niemand etwas vormachen konnte, geschweige denn ein junger Rabbi wie Jesus, der von der Sache nichts versteht. Petrus, ein alter Hase, der genau weiß, dass Fische vor allem nachts beißen und sich tagsüber unerreichbar in tieferes Wasser zurückziehen ... Diesem alten Hasen, der mit keiner Überraschung mehr gerechnet hat, wird gegen alle Vernunft, gegen alle Erwartung und ohne sein Zutun dieses Geschenk gemacht.

Jesus sprach zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! 5 Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.

Es zieht ihm die Beine weg

Petrus: als Mann, der mit beiden Beinen auf der Erde steht, wird er uns in den Evangelien geschildert. Als dickköpfig, als selbstbewusst, als zupackend und impulsiv dazu. Doch, was er da erlebt, das zieht ihm sozusagen die Beine weg. Das macht ihm weiche Knie. Er spürt: Das habe ich nicht verdient. Da ist etwas Besonderes im Gang. Der, mit dem ich da spreche, der mir diesen in Fischeraugen so unsinnigen Auftrag gegeben hat, mit dem muss etwas Besonderes los sein. Es erschüttert ihn und bringt ihn ganz aus der Fassung.

8 Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. 9 Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten.

„Und er fiel Jesus zu Füßen." Das Niederwerfen, die sog. Proskynese, war nicht nur ein Niederknien, sondern man lag flach mit dem ganzen Körper. Eine Geste völliger Unterwerfung. Sich niederwerfen, das gab es damals eigentlich nur vor Gott, oder vor einem Menschen, der göttliche Verehrung verlangte, wie dem römischen Kaiser. Undenkbar, dass dieser selbstbewusste Petrus vor einem Menschen zu Boden gehen würde. Nein, Petrus spürt: Da ist er mitten im Leben Gott begegnet.

Nicht wieder zur Tagesordnung zurück

„Womit habe ich das eigentlich verdient?" Gott sei Dank, gibt es diese Frage auch in einem guten und dankbaren Sinn und nicht immer nur klagend und jammernd. Gott sei Dank, gibt es auch in einem guten Sinn solche erschütternden Erlebnisse, die einem so die Beine wegreißen und den festen Stand verlieren lassen, dass man das Leben ganz neu einrichten muss.
Das ist der eine Kern dieser Geschichte vom wunderbaren Fischfang.

Und der andere Kern ist: „Wenn einem so viel Gutes widerfährt, ..." Nein, nicht Asbach Uralt! Sondern: Wenn einem so viel Gutes widerfährt, dann ist das eine tiefe Dankbarkeit wert. Wenn einer so etwas erleben darf, dann soll er es nicht nur bei einer kurzen Dankbarkeit belassen, sondern seinem Schöpfer wirklich dafür die Ehre geben. Dann soll er nach der ersten Erschütterung nicht gleich wieder zur Tagesordnung zurückzukehren. Wenn Gott einem Unverdientes schenkt, dann ist dieses Unverdiente auch Auftrag, Auftrag an der Welt, Auftrag an anderen Menschen. Wenn Gott einen Menschen so etwas erleben lässt, dann hat er etwas mit ihm vor. Wie war es bei Petrus?

Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. 11 Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

Der wunderbare Fischzug war für Petrus der Startschuss in ein neues Leben. Er kann nicht zur Tagesordnung zurück. Er kann nicht anders: Er muss sich in den Dienst nehmen lassen. In den Dienst an anderen Menschen. So viel Unverdientes hat er erfahren, dass er davon weitersagen und weitergeben muss. Und dass er dafür alles stehen und liegen lässt. Als Menschenfischer soll er helfen, die, die sich von Gott entfernt haben, die Gott verloren gegangen sind, wieder zu ihm zurückbringen.
Solche Menschen braucht die Welt, auch heute. Menschen, die sich in Gottes Namen für die Gemeinschaft in den Dienst nehmen lassen. Menschen, die entdecken: Im Himmel braucht mich Gott – Gott sei Dank – noch nicht. Also braucht er mich hier. Menschen, die sich deswegen für andere einsetzen, weil sie viel Grund zum Danken haben.

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de