Womit habe ich das
verdient? „Womit habe ich das verdient?"
So fragen Menschen, wenn sie Schlimmes erleben, für das sie
keine Erklärung haben. So fragen Menschen, wenn sie an Gottes
Gerechtigkeit zweifeln.
„Womit habe ich das eigentlich verdient?" So fragen manchmal
aber auch Menschen ganz überrascht und glücklich. Dass
es das auch gibt, darauf möchte ich Sie heute aufmerksam machen.
Daran möchte ich Sie heute erinnern.
Es ist nicht gut, wenn sich Gespräche immer nur um das drehen,
was misslungen und beklagenswert ist. Wenn einer dem anderen dauernd
nur seine Krankheiten und Wehwehchen vorjammert. Wenn man sich nur
gegenseitig darin bestätigt, wie schlimm die heutige Welt ist.
Denn es gibt auch das andere, dass Menschen sich aus heiterem Himmel
beschenkt fühlen und merken: „Dass es das jetzt gibt,
dass ich das erleben darf, das ist ein Geschenk. Dafür kann
ich nichts. Das hab' ich mir nicht erarbeitet. Das hab' ich mir
nicht verdient."
Das Leben neu geschenkt bekommen
Ich habe, solange ich in Bayreuth bin, schon
einige Gemeindeglieder in der Herzklinik besucht, die eine Operation
am offenen Herzen hinter sich hatten. Das ist ja nicht irgendeine
Operation. Medizinisch nicht, vor allem aber auch seelisch nicht.
Wenn nun jemand diese schwere Operation hinter sich hat ... Wenn
all das Bangen und Überlegen, alle heimliche und offene Angst
vorbei sind ... Dann, ja dann, kommt bei den meisten dieses Gefühl:
„Jetzt ist mir das Leben ein zweites Mal geschenkt worden.
Dass alles in Ordnung gegangen ist, dass es mir wieder so gut geht,
womit habe ich das eigentlich verdient?"
Und für die meisten ist dann diese Frage auch mit einer starken
inneren Erschütterung verbunden: mit einem großen Staunen,
mit Dankbarkeit, mit Erregung, und auch mit Tränen.
Einen zweiten Geburtstags feiern dürfen. Das Leben neu als
Geschenk annehmen. Vielleicht sitzt auch heute (Morgen) jemand da,
der das auf diese oder auf andere Art und Weise auch schon erlebt
haben. Sei es, dass er von einer schweren Krankheit gesund geworden
ist. Sei es, dass er bei einem Unfall (oder damals im Krieg) um
Haaresbreite davongekommen ist. Sei es, dass er aus dem dunklen
Tal einer Depression herausgefunden hat. Oder was es sonst noch
geben mag.
Was Petrus erlebt hat
„Womit habe ich das eigentlich verdient?" So fragte damals
auch der Fischer Simon, der spätere Apostel Petrus, als ihm
dieser wunderbare Fischzug gelang. Einen Erfolg, wie er ihn noch
nie in seinem Leben hatte. Einen Erfolg gegen alle Vernunft:
Und sie fingen eine große Menge Fische, und ihre Netze
begannen zu reißen. 7 Und sie winkten ihren Gefährten,
die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen.
Und sie kamen und füllten beide Boote voll, so dass sie fast
sanken.
Simon Petrus, ein alter Hase als Fischer am See Genezareth: Ein
alter Hase, dem niemand etwas vormachen konnte, geschweige denn
ein junger Rabbi wie Jesus, der von der Sache nichts versteht. Petrus,
ein alter Hase, der genau weiß, dass Fische vor allem nachts
beißen und sich tagsüber unerreichbar in tieferes Wasser
zurückziehen ... Diesem alten Hasen, der mit keiner Überraschung
mehr gerechnet hat, wird gegen alle Vernunft, gegen alle Erwartung
und ohne sein Zutun dieses Geschenk gemacht.
Jesus sprach zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft
eure Netze zum Fang aus! 5 Und Simon antwortete und sprach: Meister,
wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf
dein Wort will ich die Netze auswerfen.
Es zieht ihm die Beine weg
Petrus: als Mann, der mit beiden Beinen auf der Erde steht, wird
er uns in den Evangelien geschildert. Als dickköpfig, als selbstbewusst,
als zupackend und impulsiv dazu. Doch, was er da erlebt, das zieht
ihm sozusagen die Beine weg. Das macht ihm weiche Knie. Er spürt:
Das habe ich nicht verdient. Da ist etwas Besonderes im Gang. Der,
mit dem ich da spreche, der mir diesen in Fischeraugen so unsinnigen
Auftrag gegeben hat, mit dem muss etwas Besonderes los sein. Es
erschüttert ihn und bringt ihn ganz aus der Fassung.
8 Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen
und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.
9 Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren,
über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten.
„Und er fiel Jesus zu Füßen." Das Niederwerfen,
die sog. Proskynese, war nicht nur ein Niederknien, sondern man
lag flach mit dem ganzen Körper. Eine Geste völliger Unterwerfung.
Sich niederwerfen, das gab es damals eigentlich nur vor Gott, oder
vor einem Menschen, der göttliche Verehrung verlangte, wie
dem römischen Kaiser. Undenkbar, dass dieser selbstbewusste
Petrus vor einem Menschen zu Boden gehen würde. Nein, Petrus
spürt: Da ist er mitten im Leben Gott begegnet.
Nicht wieder zur Tagesordnung zurück
„Womit habe ich das eigentlich verdient?" Gott sei Dank,
gibt es diese Frage auch in einem guten und dankbaren Sinn und nicht
immer nur klagend und jammernd. Gott sei Dank, gibt es auch in einem
guten Sinn solche erschütternden Erlebnisse, die einem so die
Beine wegreißen und den festen Stand verlieren lassen, dass
man das Leben ganz neu einrichten muss.
Das ist der eine Kern dieser Geschichte vom wunderbaren Fischfang.
Und der andere Kern ist: „Wenn einem so viel Gutes widerfährt,
..." Nein, nicht Asbach Uralt! Sondern: Wenn einem so viel
Gutes widerfährt, dann ist das eine tiefe Dankbarkeit wert.
Wenn einer so etwas erleben darf, dann soll er es nicht nur bei
einer kurzen Dankbarkeit belassen, sondern seinem Schöpfer
wirklich dafür die Ehre geben. Dann soll er nach der ersten
Erschütterung nicht gleich wieder zur Tagesordnung zurückzukehren.
Wenn Gott einem Unverdientes schenkt, dann ist dieses Unverdiente
auch Auftrag, Auftrag an der Welt, Auftrag an anderen Menschen.
Wenn Gott einen Menschen so etwas erleben lässt, dann hat er
etwas mit ihm vor. Wie war es bei Petrus?
Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun
an wirst du Menschen fangen. 11 Und sie brachten die Boote ans Land
und verließen alles und folgten ihm nach.
Der wunderbare Fischzug war für Petrus der Startschuss in ein
neues Leben. Er kann nicht zur Tagesordnung zurück. Er kann
nicht anders: Er muss sich in den Dienst nehmen lassen. In den Dienst
an anderen Menschen. So viel Unverdientes hat er erfahren, dass
er davon weitersagen und weitergeben muss. Und dass er dafür
alles stehen und liegen lässt. Als Menschenfischer soll er
helfen, die, die sich von Gott entfernt haben, die Gott verloren
gegangen sind, wieder zu ihm zurückbringen.
Solche Menschen braucht die Welt, auch heute. Menschen, die sich
in Gottes Namen für die Gemeinschaft in den Dienst nehmen lassen.
Menschen, die entdecken: Im Himmel braucht mich Gott – Gott
sei Dank – noch nicht. Also braucht er mich hier. Menschen,
die sich deswegen für andere einsetzen, weil sie viel Grund
zum Danken haben.
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