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Die Predigt vom 14. August 2005 (12. Sonntag nach Trinitatis):
»Alles wird gut«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 12. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist Heilwerden an Leib und Seele. Evangelium (1. Lesung) war die Heilung des Taubstummen und Epistel (2. Lesung) die Bekehrung des Paulus. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus dem Propheten Kapitel 29:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
17 Wohlan, es ist noch eine kleine Weile, so soll der Libanon fruchtbares Land werden, und was jetzt fruchtbares Land ist, soll wie ein Wald werden. 18 Zu der Zeit werden die Tauben hören die Worte des Buches, und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen; 19 und die Elenden werden wieder Freude haben am HERRN, und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein in dem Heiligen Israels. 20 Denn es wird ein Ende haben mit den Tyrannen und mit den Spöttern aus sein, und es werden vertilgt werden alle, die darauf aus sind, Unheil anzurichten, 21 welche die Leute schuldig sprechen vor Gericht und stellen dem nach, der sie zurechtweist im Tor, und beugen durch Lügen das Recht des Unschuldigen. 22 So spricht der HERR, der Abraham erlöst hat, zum Hause Jakob: Jakob soll nicht mehr beschämt dastehen, und sein Antlitz soll nicht mehr erblassen. 23 Denn wenn sie sehen werden die Werke meiner Hände in ihrer Mitte, werden sie meinen Namen heiligen. 24 Und die, welche irren in ihrem Geist, werden Verstand annehmen, und die, welche murren, werden sich belehren lassen.
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Die Predigt
Alles wird gut

Alles wird gut werden. Die Wende steht vor der Tür: Das Waldsterben wird gestoppt. Der Ausstoß an Treibhausgasen wird weltweit mehr und mehr zurückgeführt. Das Ozonloch schließt sich wieder. Die Wüsten in Afrika wachsen nicht weiter. Wir brauchen keine Angst zu haben um gesundes Trinkwasser und saubere Luft.
Die ungleichen Verhältnisse zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands werden ausgeglichen. Die versprochenen blühenden Landschaften entstehen. Arbeitsplätze und Einkommen werden gerecht verteilt. Gestärkt durch die Politik haben die Familien den Mut zu mehr Kindern.
Wir leben in einem Rechtsstaat. Mit politischem Einfluss, mit wirtschaftlicher Macht oder mit dem nötigen Kleingeld kann man das Recht nicht auf seine Seite bringen. Betriebsräte, Staatssekretäre und Sportreporter weisen Bestechungsversuche und kleine Vergünstigungen empört zurück. Wähler vertrauen ihren Politikern wieder. Die Verdrossenheit sinkt, die Wahlbeteiligung steigt.
Gegen immer noch unheilbare Krankheiten ist ein Kraut gewachsen. Die Pharmariesen geben AIDS-Medikamente an arme Staaten kostenlos ab.
Die keine Perspektiven mehr hatten, sehen wieder klar. Zukunftsangst macht neuer Hoffnung Platz.

Gegen Perspektivlosigkeit und Zukunftsangst

Manchen von Ihnen sehe ich‘s an den Augen an und an dem Schmunzeln in den Mundwinkeln: „Schön wär‘s.“ Sagen Sie. Oder: „Dein Wort in Gottes Ohr!“ Oder auch: „Träum‘ weiter!“

Ich weiß nicht, wie jene Prophetenworte aus dem Jesajabuch damals bei den Hörern ankamen:

17 Wohlan, es ist noch eine kleine Weile, so soll der Libanon fruchtbares Land werden, und was jetzt fruchtbares Land ist, soll wie ein Wald werden. 18 Zu der Zeit werden die Tauben hören die Worte des Buches, und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen; 19 und die Elenden werden wieder Freude haben am HERRN, und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein in dem Heiligen Israels.

Ich weiß nicht, wie die Worte ankamen, damals in einer Zeit großer Perspektivlosigkeit. Nichts ging voran. Politisch nicht und wirtschaftlich nicht. Nach der Heimkehr aus dem babylonischen Exil hatte man sich die große Wende und blühenden Landschaften erwartet. Israel werde wieder so groß und so stolz werden wie früher. Der Tempel würde schöner aufgebaut als je. Alle fragen nach Gottes Willen. Keiner ist mehr blind und taub für Gott.
Und nichts ging voran. Jeder versuchte, sein eigenes Schäfchen ins Trockene zu bringen und das Recht auf seine Seite zu ziehen. Spott über Politiker. Abkehr vom Glauben.

20 Denn es wird ein Ende haben mit den Tyrannen und mit den Spöttern aus sein, und es werden vertilgt werden alle, die darauf aus sind, Unheil anzurichten, 21 welche die Leute schuldig sprechen vor Gericht und stellen dem nach, der sie zurechtweist im Tor, und beugen durch Lügen das Recht des Unschuldigen. 24 Und die, welche irren in ihrem Geist, werden Verstand annehmen, und die, welche murren, werden sich belehren lassen.

„Alles wird gut!“ So sagte der Prophet damals den Perspektivlosen, den Hoffnungslosen.
„Alles wird gut!“ so hören wir heute morgen gegen die anderen Botschaften der Wochenendausgabe der Zeitung: Spritpreise auf Rekordhöhe. Milde Urteile gegen Schmiergeldempfänger. Unsensible Politiker. Eine gleichbleibende Zahl von Arbeitslosen. Militärische Drohungen gegen den Iran.

Alles Gute Gott zutrauen

Woher nimmt der Prophet den Mut? Nicht aus den Prognosen der Wirtschaftsweisen. Nicht von den Demoskopen, die wöchentlich ein neues Evangelium verkünden, das wir gierig aufsaugen.
Nicht von den Politikern, die derzeit das Blaue, das Rote, das Gelbe, das Grüne und nun auch das Rosarote vom Himmel versprechen.
Woher nimmt der Prophet den Mut für solche Worte? Den Mut zur Zukunft? Das Vertrauen in die Wende? Die große Wende kommt durch Gott.

17 Wohlan, es ist noch eine kleine Weile. 22 So spricht der HERR, der Abraham erlöst hat, zum Hause Jakob: Jakob soll nicht mehr beschämt dastehen, und sein Antlitz soll nicht mehr erblassen. 23 Denn wenn sie sehen werden die Werke meiner Hände in ihrer Mitte, werden sie meinen Namen heiligen.

Alles wird gut werden. Was ist mit diesen Hoffnungen des Alten Testaments? Mit diesen herrlichen Bildern einer anderen Zeit mit Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung?
Der jüdische Glaube sagt: Das ist alles noch Zukunft. Jesus kann nicht der Messias gewesen sein. Was hat sich denn schon grundlegend geändert? Die ersten Christen sagten: Schaut hin. Da und dort erfüllen sich sichtbar die alten Hoffnungen. Am Ende des heutigen Evangeliums:
36 Und er gebot ihnen, sie sollten's niemandem sagen. Je mehr er's aber verbot, desto mehr breiteten sie es aus. 37 Und sie wunderten sich über die Maßen und sprachen: Er hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend.

Christen sind unheilbare Optimisten oder sie sind keine

„Alles wird gut werden.“ Das ist keine Vertröstung. Das ist trotzige, christliche Überzeugung gegen den Augenschein. Das ist eine Einladung, genau hinzuschauen und die vielen alltäglichen Zeichen von mehr Frieden, mehr Gerechtigkeit und mehr Bewahrung der Schöpfung zu entdecken.
Aber die Kirchenkritiker wie Karl Marx und seine Nachfolger hätten Recht: Das wäre eine Vertröstung, wenn Christen resignierend die Hände in den Schoß legen und sich zurücklehnen würden. „Ich glaub zwar nicht daran, lieber Gott, aber mach mal.“
Eigentlich müssten Christen von Hause aus unheilbare Optimisten sein. Menschen, die Gott und sich den anderen alles zutrauen. Menschen, die nicht das halbleere, sondern das halbvolle Glas sehen. Menschen, die sich nicht mit den Gegebenheiten zufrieden geben, sondern vertrauensvoll nach vorne schauen.

Und nach vorne schauen, heißt nicht, dauernd halbleere Gläser anstarren. Wer v.a. unter den Älteren unter uns, immer nur mit der angeblich guten alten Zeit vergleicht oder mit der Wirtschaft der 60er und 70er, dem muss sich ein Grauschleier auf die Augen und auf die Seele legen. Und es ist von der Vernunft her fahrlässig und vom Glauben her unchristlich, seinen Kindern und Enkeln dauernd dieses graue Bild zu vermitteln.

Visionen und Utopien sind lebensnotwendig

Seit wann sollen Glauben, Hoffnung und Mut abhängig sein von der wirtschaftlichen Situation? Dann wären viele Christen in Afrika, in Asien und in Amerika, die uns mit ihrem Glauben und ihrer Begeisterung beschämen, nur Betrogene und gleichzeitig Betrüger der anderen.

Wir haben als Christen mehr. Wir haben Visionen und Utopien. Wir brauchen Visionen und Utopien. Gut. Der Verstand sträubt sich immer wieder dagegen. Visionen, das sind Träume und Schäume. Und Utopien, das Wort sagt es ja schon, die haben keinen Platz, keine Realität.
Aber was uns antreibt, was uns Mut Macht, was uns im Leben voranbringt, ist weniger der Verstand als das Herz. Unser Herz und unsere Seelen brauchen diese „Alles wird gut werden.“-Visionen. Sie lassen uns vorausschauen. Sie reißen den dunklen Horizont der Perspektivlosigkeit auf.

Wer keine solchen Visionen hat, keine Bilder, wie es werden könnte, dem sind auch die Politiker egal. Die taugen ja sowieso alle nichts. Nein, so nehmen ihre Aufgaben genauso ernst wie wir die unsrigen. Aber als Christen können wir von ihnen nicht das Heil erwarten. Sondern wir müssen sie immer wieder konfrontieren mit Gottes Bildern von Gerechtigkeit und Frieden und der Bewahrung der Schöpfung.
Wer keine solchen Visionen hat, keine Bilder, wie es werden könnte, der packt auch nicht mit an, sondern lässt es laufen. Der tut auch keine kleinen Schritte, weil die ja doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Wer aber von den großen Schritten Gottes etwas weiß, der kann auch als Mensch seine kleinen Schritte tun. Und christlicher Glaube ist wie die Politik immer die Kunst der kleinen Schritte gewesen.

Zwei Zitate zum Schluss:
Dom Helder Camara, Bischof in Mittelamerika: „Wenn einer alleine träumt, dann bleibt es ein Traum. Wenn wir aber alle gemeinsam träumen, dann ist das der Anfang einer neuen Wirklichkeit.“

Heinrich Albertz, Pfarrer und Politiker, gefragt, was für ihn die entscheidende Lebenserfahrung gewesen sei: „Dass immer noch ein wenig mehr an Hoffnung da war als an Scheitern und Resignation. Von diesem Übermaß an Hoffnung habe ich gelebt.“

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de