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Die Predigt |
Salbungsgottesdienste
in Bayreuth
Gottesdienste mit Salbung und Segnung bieten wir als Team dreimal
im Jahr in Bayreuth an. (Einer davon hat ja im vergangenen Jahr auch
in unserer Kirche stattgefunden.) Gottesdienste, in denen Menschen
die Hände aufgelegt und sie mit Salböl gesegnet werden.
Wir glauben, dass Menschen dadurch wieder heil werden können:
Vielleicht werden sie gesund. Vielleicht wird etwas besser. Vielleicht
können sie auch annehmen, was ihnen auferlegt ist. Wir überlassen
es Gott. Wir glauben nicht, dass es an uns Menschen liegt: Weder am
Team des Gottesdienstes noch an denen, die kommen.
Wir glauben nicht, dass jemand geheilt wird, wenn wir nur die richtige
Technik anwenden, eine bestimmte Stellung der Hände, die Art
der Berührung. Wir glauben nicht, dass es auf ganz bestimmte
Worte ankommt, so als wären sie Zauberworte. Wir nehmen nur die
Worte aus dem Jakobusbrief ernst: 14 Ist jemand unter euch krank,
der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über
ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. 15 Und
das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird
ihn aufrichten. (Jak
5,14-15)
Und wir glauben auch, dass es nicht an dem Menschen liegt, der da
kommt, ob er geheilt wird oder nicht. Genauer: Wir können nicht
sagen: Er wird geheilt, wenn sein Glaube nur groß genug ist.
Das hieße ja dann, wenn nichts geschieht, dann glaubt er nicht
richtig, ja dann ist er sozusagen selber schuld, dann liegt es ihm.
Und doch trägt, der da kommt, auf seine Art etwas zum Gelingen
bei: Er kommt, weil er möchte, dass ihm geholfen wird. Er traut
Gott etwas zu. Der Handelnde aber bleibt Gott.
Nicht der Glaube an die eigene Kraft
Da gibt es aber eine biblische Geschichte, die auf den ersten Blick
so klingt, als läge es am eigenen Glauben, wenn jemand gesund
wird, als könne ein fester Glaube alles, ja auch unmöglich
Scheinendes bewirken. Im Markusevangelium Kapitel 9: (s.o.)
„Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Ein
gern gewählter Konfirmationsspruch. Heißt das nicht doch,
wenn man nur ganz fest glaubt, dann schafft man alles? Sehen wir genauer
hin:
Wenn du aber etwas kannst (sagt der Vater des Kindes zu Jesus),
so erbarme dich unser und hilf uns! 23 Jesus aber sprach zu ihm: Du
sagst: Wenn du kannst - alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.
Wenn einer etwas kann, dann ist es Jesus. Nicht der Glaube des Vaters
macht den Jungen gesund, sondern allein Jesus, in dem sich Gott ihm
zuwendet. Die entscheidende Frage aber ist, ob der Vater das Jesus
zutraut.
Und der Vater, der spürt, dass das Heil seines Sohnes von ihm
abhängt: „Ja, ich glaube. Ich glaube, dass du das kannst.“
Und im gleichen Atemzug: „Eigentlich kann ich es nicht glauben.
Ich weiß nicht, ob ich es glauben kann. Ich weiß nicht,
ob ich dir das zutrauen kann. Ich möchte gerne glauben. Hilf
doch meinem mangelnden Glauben auf die Beine. Hilf mir, dass ich dir
vertrauen kann. Ich glaube. Hilf meinem Unglauben."
Glauben heißt, sich loslassen können
Das ist für mich der Kern dieser Erzählung: Nicht die Frage
nach unserem Können und unserer Macht, sondern die Frage nach
unserem Glauben als Gottvertrauen:
Nicht mein Glaube macht mich gesund. Wenn es an meinem Glauben hängen
würde, wäre er je groß genug? Nein, wenn, dann macht
Gott mich gesund. Doch ich muss vorher wissen, ob ich es aus tiefstem
Herzen überhaupt will, und ob ich es ihm aus tiefstem Herzen
zutraue, dass er es kann und will.
Ich muss sozusagen meine ganze eigene Kraft und Macht fahren lassen
und mich ganz in Gottes Hand fallen lassen. Mit den Worten Jesu: „Nicht
wie ich will, sondern wie du willst. Dein Wille geschehe.“ Dann
kann er auch Überraschendes und Undenkbares, ja geradezu Unmögliches
an mir tun.
Epilepsie, die unheimliche Krankheit
Überraschendes und Unmögliches. Das wird deutlich an der
Schilderung der Krankheit des Jungen. Wir würden nach unserem
heutigen medizinischen Wissen sagen, er hatte epileptische Anfälle.
Plötzliche starke Krämpfe. Oft verbunden mit Zähneknirschen,
Schaum vor dem Mund, Körperstarre. Plötzliche Bewusstlosigkeit,
die einen Menschen fallen lässt wie ein Sack, wo er gerade ist.
In die offene Feuerstelle z.B., wie sie damals in den Häusern
üblich war. Oder ins Wasser. Es ist nicht klar, woran der Vater
denkt: Die Zisterne beim Wasserholen vielleicht. Oder am Ufer des
Sees Genezareth.
Unheimlich war den Menschen damals diese Krankheit: Es ist, als würde
eine fremde, böse Macht von einem Moment auf den anderen von
einem Menschen Besitz ergreifen. So als wolle sie ihn umbringen. Wenn
Gott der Gott des Lebens ist, dann kann es nur eine widergöttliche,
böse Macht sein.
Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen
sprachlosen Geist. 18 Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn.
22 Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn
umbrächte.
Es wäre eine eigene Diskussion, wie man sich das vorstellen soll:
ob es solche bösen Geister gibt, oder ob sie nur den Vorstellungen
der damaligen, vorwissenschaftlichen Zeit entsprechen. Aber zwei Dinge
stehen fest: Das gibt es auch heute, dass Menschen nicht ihr eigener
Herr, sondern beherrscht sind. Und: Jesus ist stärker. Die Macht
Gottes ist stärker.
Wenn einer nicht mehr sein eigener Herr ist
Von Sucht reden wir, wenn jemand nicht mehr sein eigener Herr ist.
Eine fremde, eine lebensfeindliche Kraft hat ihn fest im Griff. Er
ist nicht mehr selbstbestimmt, sondern fremdbestimmt. Er besitzt sich
nicht mehr selber. Er ist besessen.
Kann einer, der nicht mehr sein eigener Herr ist, überhaupt um
Hilfe rufen? Kann aber jemandem geholfen werden, der nicht wirklich
Hilfe will. „Willst du gesund werden?“, so fragt Jesus
einmal ausdrücklich (Joh
5,6).
Wollte der Junge gesund werden? Es steht nicht da. Der Junge ist ganz
passiv. Er ist Opfer. Die Krankheit, die von ihm Besitz ergriffen
hat, lässt ihn verstummen. Und wenn der Anfall wieder vorbei
ist, weiß er nicht mehr, wie ihm geschehen ist. Sein Vater bringt
ihn stellvertretend zu Jesus hin. Er identifiziert sich ganz mit ihm.
Das Leiden seines Sohnes ist auch seines. Es liegt wie ein Schatten
über der ganzen Familie: 22 Wenn du aber etwas kannst, so
erbarme dich unser und hilf uns!
Die Not anderer vor Gott bringen
Es kann also auch Menschen geholfen werden, die nicht selber um Hilfe
schreien. So wie hier oder auch wie im Evangelium von der Frau und
ihrer Tochter, das wir vorhin gehört haben (Mt
15,21-28). Oder auch beim sog. Hauptmann von Kapernaum, dessen
Sohn gelähmt zu Hause liegt (Mt
8,5-13).
Müssten wir vielleicht viel mutiger die Not anderer vor Gott
bringen: Die Not derer, die selber Gott nichts oder nichts mehr zutrauen.
Die Not derer, die sprachlos und stumm geworden sind, die es aufgegeben
haben, zu beten. Die Not derer, die so im Banne einer Macht, einer
Sucht, einer fixen Idee sind, dass sie gar nicht wahrhaben wollen
und können, dass sie vielleicht Hilfe brauchen.
Und wenn wir es nicht oder zu selten tun, liegt es daran, dass wir
keine Augen für sie haben oder gleichgültig geworden sind.
Oder liegt es auch unserem Glauben: also daran, dass wir Gott zu wenig
zutrauen?
„Ich glaube. Hilf meinem Unglauben.“ Diese geistliche
Not des Vaters ist sicher oft auch unsere eigene: Ich glaube, ja.
Aber, lieber Gott, ich möchte oft viel fester, viel intensiver,
viel vertrauensvoller glauben können.
„Ich möchte Glauben haben, / der über Zweifel siegt,
/ der Antwort weiß auf Fragen / und Halt im Leben gibt.“
(Evangelisches Gesangbuch Nr. 622)
Amen |
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