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predigt[e].de

Die Predigt vom 19. September 2005 (17. Sonntag nach Trinitatis):
»Glaube kann gesund machen«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 17. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist die Macht des Glaubens. Evangelium (1. Lesung) war die Erzählung von der sog. kanaanäischen Frau und Epistel (2. Lesung) der Hinweis des Paulus, dass der Glaube aus der Verkündigung kommt. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war ein Abschnitt aus Markus 9:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
17 Einer aber aus der Menge sagte zu Jesus: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. 18 Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn; und er hat Schaum vor dem Mund und knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe mit deinen Jüngern geredet, dass sie ihn austreiben sollen, und sie konnten's nicht. 19 Er aber antwortete ihnen und sprach: O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir! 20 Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund. 21 Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist's, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf. 22 Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! 23 Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst - alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. 24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben!
25 Als nun Jesus sah, dass das Volk herbeilief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein! 26 Da schrie er und riss ihn sehr und fuhr aus. Und der Knabe lag da wie tot, so dass die Menge sagte: Er ist tot. 27 Jesus aber ergriff ihn bei der Hand und richtete ihn auf, und er stand auf.
Predigt
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Die Predigt
Salbungsgottesdienste in Bayreuth

Gottesdienste mit Salbung und Segnung bieten wir als Team dreimal im Jahr in Bayreuth an. (Einer davon hat ja im vergangenen Jahr auch in unserer Kirche stattgefunden.) Gottesdienste, in denen Menschen die Hände aufgelegt und sie mit Salböl gesegnet werden. Wir glauben, dass Menschen dadurch wieder heil werden können: Vielleicht werden sie gesund. Vielleicht wird etwas besser. Vielleicht können sie auch annehmen, was ihnen auferlegt ist. Wir überlassen es Gott. Wir glauben nicht, dass es an uns Menschen liegt: Weder am Team des Gottesdienstes noch an denen, die kommen.
Wir glauben nicht, dass jemand geheilt wird, wenn wir nur die richtige Technik anwenden, eine bestimmte Stellung der Hände, die Art der Berührung. Wir glauben nicht, dass es auf ganz bestimmte Worte ankommt, so als wären sie Zauberworte. Wir nehmen nur die Worte aus dem Jakobusbrief ernst: 14 Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. 15 Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten. (Jak 5,14-15)
Und wir glauben auch, dass es nicht an dem Menschen liegt, der da kommt, ob er geheilt wird oder nicht. Genauer: Wir können nicht sagen: Er wird geheilt, wenn sein Glaube nur groß genug ist. Das hieße ja dann, wenn nichts geschieht, dann glaubt er nicht richtig, ja dann ist er sozusagen selber schuld, dann liegt es ihm. Und doch trägt, der da kommt, auf seine Art etwas zum Gelingen bei: Er kommt, weil er möchte, dass ihm geholfen wird. Er traut Gott etwas zu. Der Handelnde aber bleibt Gott.

Nicht der Glaube an die eigene Kraft

Da gibt es aber eine biblische Geschichte, die auf den ersten Blick so klingt, als läge es am eigenen Glauben, wenn jemand gesund wird, als könne ein fester Glaube alles, ja auch unmöglich Scheinendes bewirken. Im Markusevangelium Kapitel 9: (s.o.)

„Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ Ein gern gewählter Konfirmationsspruch. Heißt das nicht doch, wenn man nur ganz fest glaubt, dann schafft man alles? Sehen wir genauer hin:
Wenn du aber etwas kannst (sagt der Vater des Kindes zu Jesus), so erbarme dich unser und hilf uns! 23 Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst - alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.
Wenn einer etwas kann, dann ist es Jesus. Nicht der Glaube des Vaters macht den Jungen gesund, sondern allein Jesus, in dem sich Gott ihm zuwendet. Die entscheidende Frage aber ist, ob der Vater das Jesus zutraut.

Und der Vater, der spürt, dass das Heil seines Sohnes von ihm abhängt: „Ja, ich glaube. Ich glaube, dass du das kannst.“ Und im gleichen Atemzug: „Eigentlich kann ich es nicht glauben. Ich weiß nicht, ob ich es glauben kann. Ich weiß nicht, ob ich dir das zutrauen kann. Ich möchte gerne glauben. Hilf doch meinem mangelnden Glauben auf die Beine. Hilf mir, dass ich dir vertrauen kann. Ich glaube. Hilf meinem Unglauben."

Glauben heißt, sich loslassen können

Das ist für mich der Kern dieser Erzählung: Nicht die Frage nach unserem Können und unserer Macht, sondern die Frage nach unserem Glauben als Gottvertrauen:
Nicht mein Glaube macht mich gesund. Wenn es an meinem Glauben hängen würde, wäre er je groß genug? Nein, wenn, dann macht Gott mich gesund. Doch ich muss vorher wissen, ob ich es aus tiefstem Herzen überhaupt will, und ob ich es ihm aus tiefstem Herzen zutraue, dass er es kann und will.
Ich muss sozusagen meine ganze eigene Kraft und Macht fahren lassen und mich ganz in Gottes Hand fallen lassen. Mit den Worten Jesu: „Nicht wie ich will, sondern wie du willst. Dein Wille geschehe.“ Dann kann er auch Überraschendes und Undenkbares, ja geradezu Unmögliches an mir tun.

Epilepsie, die unheimliche Krankheit

Überraschendes und Unmögliches. Das wird deutlich an der Schilderung der Krankheit des Jungen. Wir würden nach unserem heutigen medizinischen Wissen sagen, er hatte epileptische Anfälle. Plötzliche starke Krämpfe. Oft verbunden mit Zähneknirschen, Schaum vor dem Mund, Körperstarre. Plötzliche Bewusstlosigkeit, die einen Menschen fallen lässt wie ein Sack, wo er gerade ist. In die offene Feuerstelle z.B., wie sie damals in den Häusern üblich war. Oder ins Wasser. Es ist nicht klar, woran der Vater denkt: Die Zisterne beim Wasserholen vielleicht. Oder am Ufer des Sees Genezareth.

Unheimlich war den Menschen damals diese Krankheit: Es ist, als würde eine fremde, böse Macht von einem Moment auf den anderen von einem Menschen Besitz ergreifen. So als wolle sie ihn umbringen. Wenn Gott der Gott des Lebens ist, dann kann es nur eine widergöttliche, böse Macht sein.
Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir, der hat einen sprachlosen Geist. 18 Und wo er ihn erwischt, reißt er ihn. 22 Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte.

Es wäre eine eigene Diskussion, wie man sich das vorstellen soll: ob es solche bösen Geister gibt, oder ob sie nur den Vorstellungen der damaligen, vorwissenschaftlichen Zeit entsprechen. Aber zwei Dinge stehen fest: Das gibt es auch heute, dass Menschen nicht ihr eigener Herr, sondern beherrscht sind. Und: Jesus ist stärker. Die Macht Gottes ist stärker.

Wenn einer nicht mehr sein eigener Herr ist

Von Sucht reden wir, wenn jemand nicht mehr sein eigener Herr ist. Eine fremde, eine lebensfeindliche Kraft hat ihn fest im Griff. Er ist nicht mehr selbstbestimmt, sondern fremdbestimmt. Er besitzt sich nicht mehr selber. Er ist besessen.

Kann einer, der nicht mehr sein eigener Herr ist, überhaupt um Hilfe rufen? Kann aber jemandem geholfen werden, der nicht wirklich Hilfe will. „Willst du gesund werden?“, so fragt Jesus einmal ausdrücklich (Joh 5,6).
Wollte der Junge gesund werden? Es steht nicht da. Der Junge ist ganz passiv. Er ist Opfer. Die Krankheit, die von ihm Besitz ergriffen hat, lässt ihn verstummen. Und wenn der Anfall wieder vorbei ist, weiß er nicht mehr, wie ihm geschehen ist. Sein Vater bringt ihn stellvertretend zu Jesus hin. Er identifiziert sich ganz mit ihm. Das Leiden seines Sohnes ist auch seines. Es liegt wie ein Schatten über der ganzen Familie: 22 Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!

Die Not anderer vor Gott bringen

Es kann also auch Menschen geholfen werden, die nicht selber um Hilfe schreien. So wie hier oder auch wie im Evangelium von der Frau und ihrer Tochter, das wir vorhin gehört haben (Mt 15,21-28). Oder auch beim sog. Hauptmann von Kapernaum, dessen Sohn gelähmt zu Hause liegt (Mt 8,5-13).

Müssten wir vielleicht viel mutiger die Not anderer vor Gott bringen: Die Not derer, die selber Gott nichts oder nichts mehr zutrauen. Die Not derer, die sprachlos und stumm geworden sind, die es aufgegeben haben, zu beten. Die Not derer, die so im Banne einer Macht, einer Sucht, einer fixen Idee sind, dass sie gar nicht wahrhaben wollen und können, dass sie vielleicht Hilfe brauchen.

Und wenn wir es nicht oder zu selten tun, liegt es daran, dass wir keine Augen für sie haben oder gleichgültig geworden sind. Oder liegt es auch unserem Glauben: also daran, dass wir Gott zu wenig zutrauen?

„Ich glaube. Hilf meinem Unglauben.“ Diese geistliche Not des Vaters ist sicher oft auch unsere eigene: Ich glaube, ja. Aber, lieber Gott, ich möchte oft viel fester, viel intensiver, viel vertrauensvoller glauben können.

„Ich möchte Glauben haben, / der über Zweifel siegt, / der Antwort weiß auf Fragen / und Halt im Leben gibt.“ (Evangelisches Gesangbuch Nr. 622)
Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de