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Die Predigt |
Wir können
eigentlich nicht von Gott reden
„Als Christen müssen wir von Gott reden, aber eigentlich
können wir es gar nicht, weil unser menschlicher Verstand ihn
nicht erfassen kann.“ So hat sinngemäß ein bekannter
Theologe des vergangenen Jahrhunderts gesagt, der dann übrigens
ein riesiges Werk zu diesem Thema geschrieben hat.
Gott ist das zentrale Thema unseres Glaubens. Deswegen reden wir auch
immer wieder von ihm und über ihn. Pfarrer reden über Gott
in der Predigt, Lehrer im Unterricht, Eltern am Kinderbett (hoffentlich
wenigstens!), Menschen auf der Straße oder am Stammtisch. Als
Vater bezeichnen wir ihn, als Hirten, als Herrn, als gut, als lieb,
als verborgen, als unbegreiflich. Auch Menschen, die nicht glauben,
entfährt einmal ein „Gott sei Dank!“ oder sie reden
vom „Fußballgott“ oder vom „Wettergott“.
So macht sich jeder sein Bild.
Aber letztlich wissen wir doch, dass Gott nicht so ist wie die Dinge
dieser Welt. Man kann ihn nie ganz verstehen. Man kann ihn nicht greifen,
nicht sehen, nicht messen und nicht wiegen. Alles Reden über
ihn bleibt vorläufig.
Von Gott reden: von den reden, was er tut
Wie redet man am besten über Gott? Kann man überhaupt über
ihn reden? Muss man nicht mehr mit ihm und zu ihm reden? Oder hinhören
und ihn reden lassen. Ein Zeitgenosse Martin Luthers hat gesagt, von
Gott reden bedeutet, von seinen Wohltaten zu uns zu reden. Also: Wer
und wie Gott an und für sich ist, darüber sollten wir als
Menschen nicht zu viel spekulieren. Sondern wir sollten v.a. davon
reden, wie er zu uns ist, und wie wir ihn in unserem Leben erfahren
haben. Besser möglich wäre das eigentlich in einem Gespräch,
wo sich jeder einbringen kann, als in einer Predigt, wo nur einer
redet. Aber vielleicht können die Gedanken des heutigen Predigttextes
Anstoß zum Nachdenken und zum Gespräch werden.
Ein überschwängliches Gotteslob
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der
uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.
Mit diesem Gotteslob beginnt der Brief an die Gemeinde in Ephesus.
Und dann geht dem Schreiber der Mund über und er führt im
einzelnen aus, warum Gott, der uns als Vater, Sohn und Heiliger Geist
begegnet, zu loben ist. Keine leichte Sprache, deswegen kurz zusammengefasst:
Gott kennt einen jeden von uns und hat ja zu uns gesagt. Als die Zeit
reif war, wurde er in Jesus Christus ein Mensch und hat sich den Menschen
zugewandt. Wir sind wie Christus seine geliebten Kinder. Das sollen
wir ganz fest glauben. Deutlich gemacht und öffentlich versprochen
wird es uns durch unsere Taufe.
Der Mensch kein Zufallsergebnis
Ich greife ein paar zentrale Gedanken dieses recht langen und nicht
ganz leichten Abschnitts heraus. Wie ist Gott zu uns? Erstens:
4 (Gott) hat uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war.
Ein überraschendes Wort, eine schöne Vorstellung. Das heißt
doch: Bevor es die Welt, ja bevor es die Zeit gab, hatte uns Gott
als der Schöpfer schon im Blick. Von allen Menschen, die vor
uns gelebt haben, die mit uns leben, und die nach uns leben werden,
hatte Gott damals schon ein Bild vor seinem inneren Auge. So wie ein
Komponist, der sich eine Melodie im Kopf zurechtlegt, bevor er sie
dann niederschreibt. So wie ein Maler, der sich im Kopf das Ganze
seines Werkes schon einmal ausmalt, bevor er den ersten Pinselstrich
macht. Genauso, steht hier, hatte Gott jeden einzelnen von uns mit
all seinen Einzelheiten und Eigenarten vor Augen, bevor überhaupt
ein Lebewesen diese Erde bevölkerte. Wir sind nicht einfach nur
die Summe der Erbanlagen unserer Eltern. Wir sind nicht einfach das
Ergebnis eines Zufalls.
Ich bin gewollt
Derselbe Gedanke findet sich in einem schönen Satz, den ich in
einem Buch gefunden habe: „Meine Eltern wollten ein Kind, nicht
mich. Mich wollte Gott.“
Jedes Menschenkind ist von Anfang an eine eigene, unverwechselbare
Persönlichkeit. Die Eltern wissen nicht, was aus ihm einmal werden
wird. Sie wollen ein Kind, haben vielleicht ihre Wünsche und
Hoffnungen. Aber sie müssen ihr Kind nehmen, wie es ist. Denn
wie es wirklich ist und noch werden wird, das weiß nur Gott.
Deswegen: „Meine Eltern wollten ein Kind, nicht mich. Mich wollte
Gott.“ Ich denke, das ist ein gutes Wort für Menschen,
die mit sich und ihrem Leben nicht so recht zufrieden sind. Die sollen
wissen und glauben: So wie ich bin, so will mich Gott und so bin ich
recht.
Die Botschaft vom nahen Gott
Wie ist Gott zu uns? Der Gedanke wird weitergesponnen. Zweitens:
In seiner Liebe 5 hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder
zu sein durch Jesus Christus.
Von Jesus wird in der Bibel gesagt, er sei Gottes Sohn gewesen. Nicht
der leibliche Sohn Gottes, sondern der, der mit ihm ganz verbunden
war, der seinen Willen kannte, der in seinem Namen redete, der ein
völliges und blindes Vertrauen zu ihm hatte. Und dieser Jesus
brachte eine Botschaft in die Welt, die im Alten Testament nur vorsichtig
angedeutet war und großes Aufsehen erregte: Auch wir sind Kinder
Gottes und er will zu uns wie ein Vater sein. Wie ein guter Vater,
einer, wie man sich ihn wünscht und erträumt. Und er lehrte
seine Jünger, Vater unser zu beten.
Gott bestimmte uns zu seinen Kindern, steht hier. Im Griechischen
steht hier ein Wort, das bedeutet: Gott hat uns adoptiert, Gott hat
uns an Kindes Statt angenommen. Mit diesem Bild aus dem weltlichen
Recht versucht der Briefschreiber deutlich zu machen, wie Gott zu
uns steht. Gott verpflichtet sich, Gott verbürgt sich. Gott kümmert
sich um uns mit allen Rechten und Pflichten, wie einer sich um ein
Kind kümmert, das er angenommen hat.
Wir sind nicht Kinder zweiter Klasse
Wie ist Gott zu uns? Noch weiter wird das Bild ausgezogen, nun im
Blick auf Jesus. Drittens:
11 In (Jesus) sind wir auch zu Erben eingesetzt worden.
Das ist die Fortsetzung des Bildes von der Adoption, von unserer Annahme
durch Gott. Wir sind durch die Adoption nicht Kinder zweiter Klasse.
Wir sind sozusagen den leiblichen Kindern gleichgestellt. Wir sind
Gottes Kinder mit allen Rechten. Im Bild: Wir sind Kinder, die erbberechtigt
sind. Das ist ja auch heute noch das untrügliche Zeichen, das
jemand voll und ganz als Kind zählt. Wie einem leiblichen Kind
steht uns alles zu, was Gott verspricht. Alles gehört uns, wenn
wir es auch - was ja für das Erben typisch ist - noch nicht gleich
besitzen.
So ist es ja mit dem Erben: Angenommen, die Eltern versprechen einem,
dass man das oder jenes einmal bekommen werde. Dieses Versprechen
zählt, so als wäre es schon soweit, auch wenn man das Versprochene
noch nicht in Händen hat.
Genauso ist es auch mit dem Glauben: Alles ist dem Glaubenden von
Gott versprochen: Lebenssinn, Frieden, Unversehrtheit. Aber noch haben
wir es nicht ganz. Wir müssen damit leben, dass wir zu Lebzeiten
noch nicht im Himmel sein können. Solange wir hier leben, bleiben
die Fragen nach dem Sinn, bleibt der Unfrieden, bleiben Sorgen und
Krankheit. Versprochen ist versprochen. Aber noch haben wir es nicht.
Die Taufe als Brief und Siegel
Aber trotzdem. Mit ganz leeren Händen stehen wir nicht da. Und
jetzt kommt nach Gott, dem Vater und dem Sohn auch der Hl. Geist in
den Blick:
In ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt
worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist, 14 welcher
ist das Unterpfand unsres Erbes.
Wir bleiben beim Bild vom Erben: Eltern können ihr mündliches
Erbversprechen ja auch schwarz auf weiß festmachen, können
es vom Notar beglaubigen lassen und dort als Testament niederlegen.
So ist es auch mit den Versprechungen Gottes im Glauben. Die Taufe
ist wie das Siegel, das der Notar zur Beglaubigung unter den Vertrag
macht. Sie ist ein Testament. Sie ist ein feierlicher Akt, bei dem
Gott seine mündlichen Zusagen, die für alle Menschen gelten,
für uns persönlich schwarz auf weiß festmacht.
Wer getauft ist, soll wissen: Gott meint es mit mir nicht nur vage
und unverbindlich gut. Nein, ich habe es schriftlich, ich habe es
schwarz auf weiß, ich kann mich voll und ganz darauf verlassen.
Wie ein Blick durchs Schlüsselloch
Und noch ein wenig weiter wird dieses Bild vom Erben ausgedehnt: Der
Vater könnte ja sagen: Du erbst einmal alles von mir. Warten
musst du schon können. Aber zum Zeichen, dass ich es ernst meine,
kannst du heute schon meine goldene Uhr haben. Damit verbürge
ich mich. Das ist eine Art Vorgeschmack auf das Übrige.
Genauso, so heißt es hier, haben wir Christen als Vorgeschmack
und Anzahlung auf das, was kommen soll, den Heiligen Geist. „Unterpfand“,
so übersetzt Luther mit einem mittelalterlichen Wort. Ein Unterpfand,
irgendetwas Kleines, Wertvolles, Persönliches, hat früher
ein Mädchen dem jungen Mann gegeben, der es anbetete, um damit
zu sagen: Ich habe dein Werben erhört, aber hab Geduld, noch
ist es ein wenig früh für uns.
So ist der Heilige Geist für uns sozusagen wie ein Zipfelchen
des Reiches Gottes, ein Stückchen des Himmels, der uns als Erbe
versprochen ist. Der Hl. Geist ist wie ein Blick durch das weihnachtliche
Schlüsselloch, bevor die Tür zu Bescherung ganz aufgemacht
wird.
Hl. Geist ist da in den Glücksmomenten, die man manchmal hat
und wo man für einen Moment die ganze Welt umarmen könnte.
Hl. Geist ist da, wo zwischen verfeindeten Menschen auf einmal eine
überraschende Versöhnung, ein gutes Verstehen und Einigkeit
möglich werden.
Hl. Geist ist da, wo ich mir für einen Moment meines Glaubens
ganz sicher bin, wo ich spüre, Gott ist da und er hilft mir.
Hl. Geist ist da, wo mir ein Licht aufgeht über meinen Lebensweg,
dass und weswegen ein schlimmes Ereignis doch gut und segensreich
war.
Hl. Geist ist da, wo in meiner Not plötzlich ein lieber Mensch
anklopft oder anruft und mir wie ein Bote Gottes vorkommt.
Hl. Geist ist da, wo mir urplötzlich aufgeht, wie das Problem,
das ich schon so lange mit mir herumschleppe, zu lösen sein könnte.
Das alles sind Momente, wo Gott Heiligen Geist schenkt, Momente, wo
ein kleines Stück Himmel sichtbar wird. Sie wollen ein Vorgeschmack
und eine Anzahlung sein für das, was uns später einmal in
Fülle erwartet: wahres Glück, wahre Versöhnung, fester
Glaube, ganze Erkenntnis und endgültige Gemeinschaft.
Diese kleinen Vorzeichen und Vorgeschmäcker gibt es immer wieder,
Gott sei Dank. Von daher bin ich unheimlich gespannt auf das Ganze,
was Gott am Ende für uns bereithält. Amen |
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