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predigt[e].de

Die Predigt vom 11. Juni 2006 (Trinitatis):
»Ich bin gewollt«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Sonntag Trinitatis („Fest der Heiligen Dreifaltigkeit“). Sein Thema ist der dreieinige Gott. Evangelium (1. Lesung) war das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus und Epistel (2. Lesung) das Staunen des Paulus über Gottes Wege. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war das Gotteslob zu Beginn des Epheserbriefs:
Predigttext
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Der Predigttext
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. 4 Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, daß wir, heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe 5 hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens,
6 zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. 7 In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, 8 die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit. 9 Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluß, den er zuvor in Christus gefaßt hatte, 10 um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, daß alles zusammengefaßt würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist. 11 In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluß seines Willens; 12 damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben. 13 In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit - in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist, 14 welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, daß wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
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Die Predigt
Wir können eigentlich nicht von Gott reden

„Als Christen müssen wir von Gott reden, aber eigentlich können wir es gar nicht, weil unser menschlicher Verstand ihn nicht erfassen kann.“ So hat sinngemäß ein bekannter Theologe des vergangenen Jahrhunderts gesagt, der dann übrigens ein riesiges Werk zu diesem Thema geschrieben hat.
Gott ist das zentrale Thema unseres Glaubens. Deswegen reden wir auch immer wieder von ihm und über ihn. Pfarrer reden über Gott in der Predigt, Lehrer im Unterricht, Eltern am Kinderbett (hoffentlich wenigstens!), Menschen auf der Straße oder am Stammtisch. Als Vater bezeichnen wir ihn, als Hirten, als Herrn, als gut, als lieb, als verborgen, als unbegreiflich. Auch Menschen, die nicht glauben, entfährt einmal ein „Gott sei Dank!“ oder sie reden vom „Fußballgott“ oder vom „Wettergott“. So macht sich jeder sein Bild.
Aber letztlich wissen wir doch, dass Gott nicht so ist wie die Dinge dieser Welt. Man kann ihn nie ganz verstehen. Man kann ihn nicht greifen, nicht sehen, nicht messen und nicht wiegen. Alles Reden über ihn bleibt vorläufig.

Von Gott reden: von den reden, was er tut

Wie redet man am besten über Gott? Kann man überhaupt über ihn reden? Muss man nicht mehr mit ihm und zu ihm reden? Oder hinhören und ihn reden lassen. Ein Zeitgenosse Martin Luthers hat gesagt, von Gott reden bedeutet, von seinen Wohltaten zu uns zu reden. Also: Wer und wie Gott an und für sich ist, darüber sollten wir als Menschen nicht zu viel spekulieren. Sondern wir sollten v.a. davon reden, wie er zu uns ist, und wie wir ihn in unserem Leben erfahren haben. Besser möglich wäre das eigentlich in einem Gespräch, wo sich jeder einbringen kann, als in einer Predigt, wo nur einer redet. Aber vielleicht können die Gedanken des heutigen Predigttextes Anstoß zum Nachdenken und zum Gespräch werden.

Ein überschwängliches Gotteslob

3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.
Mit diesem Gotteslob beginnt der Brief an die Gemeinde in Ephesus. Und dann geht dem Schreiber der Mund über und er führt im einzelnen aus, warum Gott, der uns als Vater, Sohn und Heiliger Geist begegnet, zu loben ist. Keine leichte Sprache, deswegen kurz zusammengefasst:
Gott kennt einen jeden von uns und hat ja zu uns gesagt. Als die Zeit reif war, wurde er in Jesus Christus ein Mensch und hat sich den Menschen zugewandt. Wir sind wie Christus seine geliebten Kinder. Das sollen wir ganz fest glauben. Deutlich gemacht und öffentlich versprochen wird es uns durch unsere Taufe.

Der Mensch kein Zufallsergebnis

Ich greife ein paar zentrale Gedanken dieses recht langen und nicht ganz leichten Abschnitts heraus. Wie ist Gott zu uns? Erstens:
4 (Gott) hat uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war.
Ein überraschendes Wort, eine schöne Vorstellung. Das heißt doch: Bevor es die Welt, ja bevor es die Zeit gab, hatte uns Gott als der Schöpfer schon im Blick. Von allen Menschen, die vor uns gelebt haben, die mit uns leben, und die nach uns leben werden, hatte Gott damals schon ein Bild vor seinem inneren Auge. So wie ein Komponist, der sich eine Melodie im Kopf zurechtlegt, bevor er sie dann niederschreibt. So wie ein Maler, der sich im Kopf das Ganze seines Werkes schon einmal ausmalt, bevor er den ersten Pinselstrich macht. Genauso, steht hier, hatte Gott jeden einzelnen von uns mit all seinen Einzelheiten und Eigenarten vor Augen, bevor überhaupt ein Lebewesen diese Erde bevölkerte. Wir sind nicht einfach nur die Summe der Erbanlagen unserer Eltern. Wir sind nicht einfach das Ergebnis eines Zufalls.

Ich bin gewollt

Derselbe Gedanke findet sich in einem schönen Satz, den ich in einem Buch gefunden habe: „Meine Eltern wollten ein Kind, nicht mich. Mich wollte Gott.“
Jedes Menschenkind ist von Anfang an eine eigene, unverwechselbare Persönlichkeit. Die Eltern wissen nicht, was aus ihm einmal werden wird. Sie wollen ein Kind, haben vielleicht ihre Wünsche und Hoffnungen. Aber sie müssen ihr Kind nehmen, wie es ist. Denn wie es wirklich ist und noch werden wird, das weiß nur Gott. Deswegen: „Meine Eltern wollten ein Kind, nicht mich. Mich wollte Gott.“ Ich denke, das ist ein gutes Wort für Menschen, die mit sich und ihrem Leben nicht so recht zufrieden sind. Die sollen wissen und glauben: So wie ich bin, so will mich Gott und so bin ich recht.

Die Botschaft vom nahen Gott

Wie ist Gott zu uns? Der Gedanke wird weitergesponnen. Zweitens:
In seiner Liebe 5 hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus.
Von Jesus wird in der Bibel gesagt, er sei Gottes Sohn gewesen. Nicht der leibliche Sohn Gottes, sondern der, der mit ihm ganz verbunden war, der seinen Willen kannte, der in seinem Namen redete, der ein völliges und blindes Vertrauen zu ihm hatte. Und dieser Jesus brachte eine Botschaft in die Welt, die im Alten Testament nur vorsichtig angedeutet war und großes Aufsehen erregte: Auch wir sind Kinder Gottes und er will zu uns wie ein Vater sein. Wie ein guter Vater, einer, wie man sich ihn wünscht und erträumt. Und er lehrte seine Jünger, Vater unser zu beten.
Gott bestimmte uns zu seinen Kindern, steht hier. Im Griechischen steht hier ein Wort, das bedeutet: Gott hat uns adoptiert, Gott hat uns an Kindes Statt angenommen. Mit diesem Bild aus dem weltlichen Recht versucht der Briefschreiber deutlich zu machen, wie Gott zu uns steht. Gott verpflichtet sich, Gott verbürgt sich. Gott kümmert sich um uns mit allen Rechten und Pflichten, wie einer sich um ein Kind kümmert, das er angenommen hat.

Wir sind nicht Kinder zweiter Klasse

Wie ist Gott zu uns? Noch weiter wird das Bild ausgezogen, nun im Blick auf Jesus. Drittens:
11 In (Jesus) sind wir auch zu Erben eingesetzt worden.
Das ist die Fortsetzung des Bildes von der Adoption, von unserer Annahme durch Gott. Wir sind durch die Adoption nicht Kinder zweiter Klasse. Wir sind sozusagen den leiblichen Kindern gleichgestellt. Wir sind Gottes Kinder mit allen Rechten. Im Bild: Wir sind Kinder, die erbberechtigt sind. Das ist ja auch heute noch das untrügliche Zeichen, das jemand voll und ganz als Kind zählt. Wie einem leiblichen Kind steht uns alles zu, was Gott verspricht. Alles gehört uns, wenn wir es auch - was ja für das Erben typisch ist - noch nicht gleich besitzen.
So ist es ja mit dem Erben: Angenommen, die Eltern versprechen einem, dass man das oder jenes einmal bekommen werde. Dieses Versprechen zählt, so als wäre es schon soweit, auch wenn man das Versprochene noch nicht in Händen hat.
Genauso ist es auch mit dem Glauben: Alles ist dem Glaubenden von Gott versprochen: Lebenssinn, Frieden, Unversehrtheit. Aber noch haben wir es nicht ganz. Wir müssen damit leben, dass wir zu Lebzeiten noch nicht im Himmel sein können. Solange wir hier leben, bleiben die Fragen nach dem Sinn, bleibt der Unfrieden, bleiben Sorgen und Krankheit. Versprochen ist versprochen. Aber noch haben wir es nicht.

Die Taufe als Brief und Siegel

Aber trotzdem. Mit ganz leeren Händen stehen wir nicht da. Und jetzt kommt nach Gott, dem Vater und dem Sohn auch der Hl. Geist in den Blick:
In ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist, 14 welcher ist das Unterpfand unsres Erbes.
Wir bleiben beim Bild vom Erben: Eltern können ihr mündliches Erbversprechen ja auch schwarz auf weiß festmachen, können es vom Notar beglaubigen lassen und dort als Testament niederlegen. So ist es auch mit den Versprechungen Gottes im Glauben. Die Taufe ist wie das Siegel, das der Notar zur Beglaubigung unter den Vertrag macht. Sie ist ein Testament. Sie ist ein feierlicher Akt, bei dem Gott seine mündlichen Zusagen, die für alle Menschen gelten, für uns persönlich schwarz auf weiß festmacht.
Wer getauft ist, soll wissen: Gott meint es mit mir nicht nur vage und unverbindlich gut. Nein, ich habe es schriftlich, ich habe es schwarz auf weiß, ich kann mich voll und ganz darauf verlassen.

Wie ein Blick durchs Schlüsselloch

Und noch ein wenig weiter wird dieses Bild vom Erben ausgedehnt: Der Vater könnte ja sagen: Du erbst einmal alles von mir. Warten musst du schon können. Aber zum Zeichen, dass ich es ernst meine, kannst du heute schon meine goldene Uhr haben. Damit verbürge ich mich. Das ist eine Art Vorgeschmack auf das Übrige.
Genauso, so heißt es hier, haben wir Christen als Vorgeschmack und Anzahlung auf das, was kommen soll, den Heiligen Geist. „Unterpfand“, so übersetzt Luther mit einem mittelalterlichen Wort. Ein Unterpfand, irgendetwas Kleines, Wertvolles, Persönliches, hat früher ein Mädchen dem jungen Mann gegeben, der es anbetete, um damit zu sagen: Ich habe dein Werben erhört, aber hab Geduld, noch ist es ein wenig früh für uns.

So ist der Heilige Geist für uns sozusagen wie ein Zipfelchen des Reiches Gottes, ein Stückchen des Himmels, der uns als Erbe versprochen ist. Der Hl. Geist ist wie ein Blick durch das weihnachtliche Schlüsselloch, bevor die Tür zu Bescherung ganz aufgemacht wird.

Hl. Geist ist da in den Glücksmomenten, die man manchmal hat und wo man für einen Moment die ganze Welt umarmen könnte.
Hl. Geist ist da, wo zwischen verfeindeten Menschen auf einmal eine überraschende Versöhnung, ein gutes Verstehen und Einigkeit möglich werden.
Hl. Geist ist da, wo ich mir für einen Moment meines Glaubens ganz sicher bin, wo ich spüre, Gott ist da und er hilft mir.
Hl. Geist ist da, wo mir ein Licht aufgeht über meinen Lebensweg, dass und weswegen ein schlimmes Ereignis doch gut und segensreich war.
Hl. Geist ist da, wo in meiner Not plötzlich ein lieber Mensch anklopft oder anruft und mir wie ein Bote Gottes vorkommt.
Hl. Geist ist da, wo mir urplötzlich aufgeht, wie das Problem, das ich schon so lange mit mir herumschleppe, zu lösen sein könnte.

Das alles sind Momente, wo Gott Heiligen Geist schenkt, Momente, wo ein kleines Stück Himmel sichtbar wird. Sie wollen ein Vorgeschmack und eine Anzahlung sein für das, was uns später einmal in Fülle erwartet: wahres Glück, wahre Versöhnung, fester Glaube, ganze Erkenntnis und endgültige Gemeinschaft.

Diese kleinen Vorzeichen und Vorgeschmäcker gibt es immer wieder, Gott sei Dank. Von daher bin ich unheimlich gespannt auf das Ganze, was Gott am Ende für uns bereithält. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de