|
Die Predigt |
Friedenshoffnung
für den Nahen Osten?
Gott sei Dank schweigen im Nahen Osten die Waffen weitgehend. Aber
Waffenruhe ist nicht Frieden. Kann es jemals Frieden geben in dieser
Region?
Jetzt, wo nach den vier Wochen Auseinandersetzung der gegenseitige
Hass nur noch weiter geschürt worden ist.
Mit einer Hisbollah und mit einem Land wie dem Iran, die Israel von
der Landkarte radieren wollen. Mit Palästinensern, die durch
Selbstmordattentäter oder Raketen den Terror mitten in die unschuldige
Bevölkerung hinein tragen.
Mit radikalen Siedlern auf der anderen Seite, die die alten biblischen
Verheißungen so verstehen, dass ganz Palästina ihnen gehört.
Mit israelischen Politikern und Militärs, denen man natürlich
zugesteht, dass sie sich und ihr Land verteidigen, die dabei aber
offensichtlich über das Ziel hinaus schießen.
Kann jemals Frieden werden im Nahen Osten? Gibt es noch Hoffnung?
Ja, biblisch gesehen gibt es Hoffnung. Ein Hoffnungstext aus dem Buch
des Propheten Jesaja aus einer Zeit, wo es für Jerusalem noch
viel schlechter ausgesehen hat als heute: (siehe Text oben)
Damals gab es keine Hoffnung
Worte aus einer Zeit ungefähr 500 Jahre vor Christus. Das sog.
Babylonische Exil war vorbei, also die Zeit, wo die Babylonier als
damalige Weltmacht Jerusalem zerstört, Stadt und Tempel dem Erdboden
gleich gemacht und die wichtigsten Bewohner in die Gefangenschaft
nach Babylonien geführt hatten. 800 km weit weg von der Heimat
war zwei Generationen lang ihre einzige Sehnsucht die Rückkehr
nach Jerusalem, der Wiederaufbau der Stadt und des Tempels.
Nun hatten sich die politischen Verhältnisse endlich gewandelt.
Unter der neuen Weltmacht, den Persern, durften die Verbannten in
kleinen Gruppen wieder zurückkehren. Sie fingen an, aus dem Nichts
heraus Jerusalem und den Tempel wieder aufzubauen. Alles sollte in
ihrer Vorstellung wieder so herrlich werden wie früher. Aber
die großartigen Erfolge blieben aus. Jerusalem blieb klein und
armselig. Die Heimkehr der letzten aus Babylonien verzögerte
sich immer mehr. Der jüdische Glaube derer, die 50 Jahre in der
Fremde lebten, und der Glaube derer, die im Land bleiben konnten,
hatte sich auseinander entwickelt.
In diese Situation hinein richtet der Prophet seine Worte. Er resigniert
nicht angesichts der ärmlichen Lage der Gemeinde und der Stadt.
Er verweist auf die immer noch gültigen Verheißungen Gottes.
Gott hat seine Gemeinde nicht vergessen. Er lädt ein, Gott in
den Ohren zu liegen, dass er doch endlich das versprochene Heil kommen
lässt. Dann würde die Stadt Jerusalem ihre alte Bedeutung
wieder gewinnen. Die Nachbarn würden wieder mit Hochachtung von
ihr reden:
6 O Jerusalem, ich habe Wächter über deine Mauern bestellt,
die den ganzen Tag und die ganze Nacht nicht mehr schweigen sollen.
Die ihr den HERRN erinnern sollt, ohne euch Ruhe zu gönnen, 7
lasst ihm keine Ruhe, bis er Jerusalem wieder aufrichte und es setze
zum Lobpreis auf Erden!
Hat sich Gott zurückgezogen?
Die Wächter auf den Mauern patrouillierten damals wohl wirklich
Tag und Nacht, um die im Aufbau befindliche Stadt zu schützen.
Im prophetischen Bild werden sie zu Hoffnungswächtern, zu Verheißungswächtern,
die Gott Tag und Nacht in den Ohren liegen, dass er seine alten Verheißungen
am Volk Israel endlich wahr macht.
Schläft Gott? Schweigt er? Hat er uns und seine Verheißungen
vergessen? So hat man damals gefragt. Wie kann er es zulassen, dass
die Nachbarvölker sich so über sein auserwähltes Volk
erheben?
Schläft Gott? Schweigt er? Hat er sich gar schon aus dem Nahen
Osten verabschiedet? So könnte man auch heute noch fragen?
Niemand kann ihm über die Schulter schauen. Aber vielleicht ist
er einfach nur maßlos traurig über die Menschen dort, so
wie wir es im Evangelium von Jesus gehört haben:
41 Und als er nahe hinzukam, sah er die Stadt und weinte über
sie 42 und sprach: Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was
zum Frieden dient! Aber nun ist's vor deinen Augen verborgen. (Lk
19,41-42)
Und das gilt nicht nur für die Israelis, die in ihrem Feldzug
gegen den Libanon die Grenzen der Verhältnismäßigkeit
überschritten haben. Dass sie nicht erkennen, was zum Frieden
dient, gilt selbstverständlich genauso auch der palästinensischen
und syrischen Seite.
Es braucht heute noch und heute wieder Menschen, die Gott geduldig
in den Ohren liegen, dass er seine alten Verheißungen am Volk
Israel wahr macht. Welche Verheißung: Die von einem Großisrael
vom Sinai im Süden bis an das Gebirge Hermon im Norden, das die
Palästinensergebiete und den Libanon mit einschließt? Sicher
nicht. Sondern die Verheißung, dass Friede werde für alle
in der Region Lebenden. Dass man, wenn schon nicht miteinander, wenigstens
nebeneinander in Frieden leben kann: „Land gegen Frieden“.
Einfach unter dem Ölbaum sitzen
8 Der HERR hat geschworen bei seiner Rechten und bei seinem starken
Arm: Ich will dein Getreide nicht mehr deinen Feinden zu essen geben
noch deinen Wein, mit dem du so viel Arbeit hattest, die Fremden trinken
lassen, 9 sondern die es einsammeln, sollen's auch essen und den HERRN
rühmen, und die ihn einbringen, sollen ihn trinken in den Vorhöfen
meines Heiligtums.
Bilder von zwei Fernsehberichten aus der letzten Zeit habe ich vor
Augen: Jetzt erst vor ein paar Tagen Bilder aus Nordisrael, wo durch
den Beschuss der Hisbollah Obstplantagen zerstört worden sind,
Bäume verbrannt sind und das Obst am Boden verfault, weil sich
vier Wochen lange niemand aus dem Haus und aus dem Bunker traute.
Und vor einiger Zeit der Bericht, wo man traurig mit ansehen musste,
wie der Verlauf der israelischen Schutzmauer offenbar bewusst so gewählt
wurde, dass vielen Palästinensern die Ölbäume zerstört
und sie damit ihrer Existenz beraubt wurden.
So einfach und unspektakulär ist eigentlich seit Alters im Orient
die Friedenshoffnung: dass jeder in Ruhe unter seinem Ölbaum
sitzen, sein Land bebauen und die Früchte seiner Arbeit ernten
darf.
Gegen die Resignation
Normale Augen konnten damals nur Resignation sehen. Doch so sicher
sehen die Augen des Propheten damals schon die Wende zum Guten, das
Kommen Gottes zum Heil, dass er die Menschen einlädt, sich darauf
vorzubereiten:
10 Gehet ein, gehet ein durch die Tore! Bereitet dem Volk den
Weg! Machet Bahn, machet Bahn, räumt die Steine hinweg! Richtet
ein Zeichen auf für die Völker! 11 Siehe, der HERR lässt
es hören bis an die Enden der Erde: Saget der Tochter Zion: Siehe,
dein Heil kommt! Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich
erwarb, geht vor ihm her! 12 Man wird sie nennen »Heiliges Volk«,
»Erlöste des HERRN«, und dich wird man nennen »Gesuchte«
und »Nicht mehr verlassene Stadt«.
Nein, Gott schläft nicht. Gott schweigt nicht. Gott hat sich
nicht verabschiedet. Er ist im Kommen. Also macht ihm Bahn bei euch!
Ich verstehe es so: Damit es einen Wandel geben kann, muss zuallererst
einmal die Resignation überwunden werden. Wer resigniert, sieht
auch die kleinsten Zeichen des Friedens nicht. Wer resigniert, traut
auch Gott nichts mehr zu.
Das Alte Testament und seine Verheißungen gilt zusammen mit
dem Neuen Testament auch uns Christen: Was können wir als Christen
tun im Blick auf den Nahen Osten? Nach den Prophetenworten: Nicht
resignieren. Nicht die Hoffnung fahren lassen. Gott in den Ohren liegen.
Den Frieden im Nahen Osten in unser Gebet einschließen. Und
den Frieden für die ganze Region im Blick haben: also nicht einseitig
für eine Seite Partei ergreifen. Nicht in der Art eines Stammtischgeredes
aus der Ferne zu wissen meinen, wer die Schuldigen sind.
Auch uns hat Gott nicht vergessen
Zum Schluss: Eigentlich müsste bei einer christlichen Auslegung
dieser Jesajaworte noch eine zweite Predigt folgen, die ich nur andeuten
kann. Am 10. Sonntag nach Trinitatis und noch mehr bei der momentanen
politischen Lage im Nahen Osten steht der bleibende Zuspruch Gottes
an Israel zwangsläufig bei der Auslegung im Vordergrund. Doch
die Prophetenworte gelten dem Volk Gottes, zu dem auch wir durch die
Taufe gehören. Wie gehen wir als einzelne Glaubende damit um,
wenn wir in unserem konkreten Leben wie die Damaligen das Gefühl
haben: Gott schläft. Er hört mich nicht. Er hat mich vergessen.
Er hat vergessen, was er mir versprochen hat: „Fürchte
dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem
Namen gerufen; du bist mein.“ Oder: „Siehe, ich bin bei
euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Auch wir werden durch die Worte Jesajas aufgerufen: nicht resignieren,
Gott geduldig in den Ohren liegen und ihm keine Ruhe lassen. Und wenn
jemand selbst nicht oder nicht mehr beten und hoffen kann: wie die
Wächter auf den Mauern stellvertretend zu Gott rufen für
die, die uns am Herzen liegen. Ihnen Mut machen: Gott hat dich nicht
vergessen. Er kommt. Er ist auf dem Weg zu dir. |
|