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Die Predigt |
Mut zur Krankensalbung
So lesen wir im Gesangbuch unter der Nr. 873:
„In vielen Kirchen und Gemeinden wird die Form der Krankensegnung
wiederentdeckt. Christen und Christinnen können Kranke auf diese
Weise segnen:
Im Namen Jesu Christi wollen wir über (Name) beten. Wir vertrauen
sie/ihn der Gnade und der Kraft Christi an.
Herr Jesus Christus, du hast unsere Krankheit getragen und unsere
Schmerzen auf dich geladen. Wir danken dir für deine Geduld und
Liebe. Wir bitten dich für (Name): Schenke ihr/ihm Glauben, der
dir vertraut, und die Gewissheit, dass du diese Krankheit zum Heil
wendest. Amen.
Die Krankensegnung kann mit einer Krankensalbung verbunden werden.
Das Gefäß mit dem Salböl wird mit folgenden Worten
zur Hand genommen:
Gott, du nimmst deine Schöpfung in den Dienst deines Erbarmens.
Wir bitten dich: Lass dieses Öl zum Zeichen deiner heilenden
und rettenden Kraft an dieser/diesem Kranken werden. Amen.
Der oder die Segnende legt beide Hände auf den Kopf der oder
des Kranken uns spricht:
(Name), du wirst gesegnet im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Er
richte dich auf durch die heilende Macht seiner Liebe. Friede sei
mit dir.
Bei einer Salbung taucht die oder der Segnende einen Finger in das
Öl und macht das Zeichen des Kreuzes auf die Stirn oder auch
auf die beiden Hände der/des Kranken. Ein gemeinsames Vaterunser
kann sich anschließen.“
Zu Unrecht vergessen
Können Sie sich so etwas vorstellen: Der Pfarrer wurde gerufen.
Er steht am Bett eines Kranken und segnet und salbt ihn auf die dargestellte
Weise. Und das ist keine katholische Handlung, sondern eine evangelisch-lutherische.
So hat es die Synode aller deutschen lutherischen Kirchen vor inzwischen
über 10 Jahren beschlossen. Und seit fast 10 Jahren gibt es auch
Gottesdienste mit Segnung und Salbung in Bayreuth.
Warum haben eigentlich nicht schon viel früher Bibelleser ernst
genommen, was da seit fast 2000 Jahren schon im Jakobusbrief steht.
Es ist der Predigttext für heute:
13 Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes,
der singe Psalmen. 14 Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich
die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn
salben mit Öl in dem Namen des Herrn. 15 Und das Gebet des Glaubens
wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn
er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden. 16 Bekennt also
einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund
werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.
Angst und Hindernisse?
Woher kommt es – so müsste man von diesen Sätzen her
als Christ eigentlich ganz unbekümmert fragen – dass wir
bei einer Krankheit wie selbstverständlich zum Arzt gehen, bzw.
den Arzt ins Haus holen, den Arzt als Leib-Sorger, aber nicht auf
den Gedanken kommen, auch nach einem Seel-Sorger zu fragen?
Viele Hindernisse kann ich mir denken:
Ein Hindernis könnte sein, dass Krankheit als etwas rein Körperliches
angesehen wird, was mit dem eigenen Glauben nichts zu tun hat.
Ein Hindernis könnte sein, dass man in unserer Gesellschaft ohne
weiteres ein körperliches Leiden haben kann, ein seelisches vor
den Leuten aber besser verschweigt.
Ein Hindernis könnte sein, dass über Generationen bei Menschen
der Eindruck erweckt wurde, wenn der Pfarrer zu einem Kranken kommt,
dann müsse es wohl bald mit ihm zu Ende gehen.
Ein Hindernis könne sein, dass solche äußeren Zeichen
und Körperhaltungen wie Segnen, Knien, Salben, sich bekreuzigen
in der aufgeklärten Zeit verschwunden sind, und auf einmal als
katholisch angesehen wurden, obwohl sie doch zu unseren gemeinsamen
christlichen Wurzeln gehören.
Ein Hindernis könnte sein, dass Krankheit etwas Intimes ist,
wobei man nicht gerne beobachtet, geschweige denn angefasst wird,
was aber wiederum bei einem Arzt keine Probleme bereitet.
Ein Hindernis könnte sein, dass man gerne der Frage ausweichen
möchte: Was ist, wenn dieses Gebet und diese Salbung nicht zum
Erfolg führt, und der Kranke nicht wieder gesund wird?
Die enge Verbindung von Leib und Seele
„Heilung an Leib und Seele“. Das ist Thema dieses 19.
Sonntags nach Trinitatis seit Jahrhunderten. Aber vielleicht hat sich
in unserer Zeit wirklich etwas verändert, indem mehr Menschen
das inzwischen bewusster geworden ist, was zuvor nur kleinen Kreisen
klar war: Ganzes Menschsein ist ein Miteinander von Leib und Seele.
Auch Krankheit hat immer eine leibliche und eine seelische Seite.
Glaubensleben und körperliches Leben sind eng miteinander verbunden.
Diese Zeilen aus dem Jakobusbrief, wenn man sie einfach einmal so
nimmt, wie sie dastehen, machen ernst damit, dass der Mensch nicht
nur Körper, sondern auch Herz und Seele ist.
„Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes,
der singe Psalmen.“
Vergesst um Gottes Willen über die Sorge für euren Leib
die Sorge für eure Seele nicht, so höre ich Jakobus sagen:
Lasst eure Gefühle heraus. Gebt ihnen Raum. Wenn es euch schlecht
geht, dann betet, dann klagt, dann schreit heraus, was euch bedrückt.
Und sagt es Gott. Schluckt es nicht hinunter, sonst wird es euch zerfressen.
Und wenn es euch gut geht, dann freut euch, dann dankt und singt,
laut oder auch im Herzen. Und sagt auch das Gott.
Und wenn ihr krank seid, dann bleibt auch da mit euren Gefühlen
nicht allein. Kapselt euch nicht ab. Zieht euch nicht zurück.
Versteckt euch nicht. Sondern ruft nach Menschen eures Vertrauens,
damit sie eure Not vor Gott tragen.
Segnung und Salbung ist selbstverständlich
Andere christliche Kirchen haben sich das bewahrt. Da kommt sich keiner
komisch dabei vor, den Pfarrer zu rufen. Da kommt sich auch kein Pfarrer
komisch vor, gerufen zu werden.
Da gehört es in vielen Bereichen der englischen oder der schweizerischen
Kirche geradezu zur Selbstverständlichkeit, dass vor einer Operation
Angehörige, Ärzte und der Pfarrer zum Gebet für den
Kranken beieinander sind. Da ist es nichts Ungewöhnliches, dass
im Rahmen eines Abendmahlsgottesdienstes jemand in den Altarraum kommt,
und wegen einer Krankheit oder wegen einer schweren Unternehmung für
sich beten lässt, sich die Hände auflegen lässt und
sich persönlich segnen lässt. Und er muss keine Angst haben,
anschließend von den anderen dafür angestarrt zu werden,
wenn er wieder in seine Bank zurückgeht.
Wann ist man gesund?
Was ist aber nun, wenn eine Sache nicht so ausgeht, wie sich ein Mensch
erhofft hat? Was ist, wenn ein Kranker, der sich hat segnen lassen,
seine Krankheit behält, vielleicht noch schlimmer krank wird
oder gar stirbt? Wie gehen wir damit um, wenn doch hier steht:
„Das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der
Herr wird ihn aufrichten.“
Die Kirchen, die die Krankensegnung bzw. die Krankensalbung ganz selbstverständlich
praktizieren, sagen: Was Gott mit diesem Menschen vor hat, ist allein
seine Sache. Ein Mensch wird gesund. Und ein anderer behält seine
Krankheit. Das ist aber noch lange kein Grund, das Beten aufzugeben
und Gott anzuzweifeln. Denn auch der, der seine Krankheit behält,
wird als Gesegneter von Stund an anders damit umgehen. Er wird sich
trotz und mit seiner Krankheit bei Gott und bei seinen Angehörigen
geborgen wissen.
Wir müssen nur von dem unheiligen Gedanken Abschied nehmen, als
sei die Gesundheit das höchste denkbare Gut und die Krankheit
das größte nur denkbare Übel. „Helfen und aufrichten“
werde das Gebet und die Salbung einen Menschen, heißt es im
Text. „Helfen und aufrichten“, das muss nicht unbedingt
heißen, von den Symptomen der Krankheit befreien, „helfen
und aufrichten“ kann Gott einen Menschen auch, obwohl er ihm
seine Krankheit nicht abnimmt.
Krankheit und Sünde?
„Und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.
Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander,
dass ihr gesund werdet.“
Was heißt das nun schon wieder? Hat jeder, der krank ist, gesündigt?
Ist Krankheit eine Folge von Sünde?
Wenn wir die ganze Bibel ernst nehmen, und nicht nur einzelne Aussagen
herausgreifen, dann sagt sie dazu ein klares und eindeutiges Jein:
D.h. Krankheit und Sünde können zusammenhängen, sie
müssen aber nicht.
Ganz eindeutige wird unter anderem von Jesus die Anschauung abgelehnt,
als sei jede Krankheit die Folge von Sünde. Was könnte es
Schlimmeres geben, als einen kranken Menschen, der sowieso schon geplagt
ist und nach Gott fragt, noch tiefer hineinzutauchen, indem man ihn
auch noch zum Sünder macht.
Aber andererseits ist es bei dem engen Zusammenhang von Seele und
Körper auch nicht auszuschließen, dass die eine oder andere
Krankheit eine Folge unvergebener, alter Schuld sein kann. Ein unvergebener
Streit, eine Entzweiung zwischen zwei Menschen. Ein Versagen, das
nie aufgedeckt wurde, und wo einen nur das eigene Gewissen verklagt.
Ein unverarbeitetes Erlebnis im Krieg, und mag es auch schon 60 Jahre
her sein. Sie können in einem Menschen heimlich rumoren und ihn
innerlich kaputt macht. Dann schlägt kein Medikament an. Kein
Arzt kann helfen, oder er stellt fest, dass der Kranke eigentlich
organisch völlig gesund ist.
Und dann kann es geschehen, dass in einem seelsorgerlichen Gespräch
diese alte Last ausgesprochen und im Namen Gottes vergeben wird. Und
von Stund an wird der befreite Mensch nicht nur seelisch, sondern
auch körperlich heil. Heil in einem ganzheitlichen Sinn.
„... der rufe zu sich ...“
Aber – und damit sind wir wieder am Anfang angelangt –
das kann niemandem aufgedrängt, sondern nur erbeten werden.
„Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten
der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl
in dem Namen des Herrn.“
„Der rufe zu sich.“ so heißt es. Der, der Hilfe
braucht, muss die Mauer des Schweigens und vielleicht der Scham durchbrechen,
und nach Hilfe fragen. Ein seelsorgerliches Gespräch, ein Gebet,
eine Fürbitte, eine Handauflegung, eine Krankensalbung kann niemand
aufgedrängt oder untergejubelt werden.
Aber das Angebot muss natürlich da sein. Und so gehe ich jetzt
einmal von mir aus und behaupte ganz frech, die Bereitschaft der Pfarrer
sei da, sich zu einem solchen Dienst rufen zu lassen. Und ich bin
überzeugt, auch die sog. Ältesten – heute wären
das Kirchenvorsteher –, die den Pfarrer bei einem solchen Dienst
begleiten, fänden sich.
Als langjährigen Mitarbeiter bei den Gottesdiensten mit Salbung
und Segnung kann ich nur einladen im Namen dessen, der von sich sagt:
„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid.
Ich will euch erquicken.“ Amen |
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