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predigt[e].de

Die Predigt vom 9. September 2007 (14. Sonntag nach Trinitatis):
»Wenn Gott einem begegnet«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 14. Sonntag nach Trinitatis. Sein Thema ist die Dankbarkeit für Überraschendes im Leben. Evangelium (1. Lesung) war die Erzählung vom dankbaren Samariter und Epistel (2. Lesung) die Dankbarkeit des Paulus, dass wir Gottes Kinder sein dürfen. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war die Erzählung von Jakob und der „Himmelsleiter“ in 1. Mose 28:
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
10 Aber Jakob zog aus von Beerscheba und machte sich auf den Weg nach Haran 11 und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein von der Stätte und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an der Stätte schlafen. 12 Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. 13 Und der HERR stand oben darauf und sprach: Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. 15 Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.
16 Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht! 17 Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels. 18 Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goss Öl oben darauf 19 und nannte die Stätte Bethel. 20 Und Jakob tat ein Gelübde und sprach: Wird Gott mit mir sein und mich behüten auf dem Wege, den ich reise, und mir Brot zu essen geben und Kleider anzuziehen 21 und mich mit Frieden wieder heim zu meinem Vater bringen, so soll der HERR mein Gott sein. 22 Und dieser Stein, den ich aufgerichtet habe zu einem Steinmal, soll ein Gotteshaus werden.
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Die Predigt
Gott segnet den Betrüger

Und Jakob zog aus von Beerscheba und machte sich auf den Weg nach Haran.
So friedlich und selbstverständlich, wie das klingt, war es damals nicht: Jakob ist auf der Flucht. Seine Mutter Rebekka hat ihm geraten, sich in der Ferne, in der Heimat, aus der sie kam, eine Frau zu suchen. Es ist nur ein Vorwand um des Friedens willen. Jakob soll fliehen, weil sein Bruder Esau ihn bei nächster Gelegenheit umbringen will. Jakob, der gewieftere von beiden, hat seinen körperlich überlegenen Bruder um das Erbe betrogen, das ihm als dem Erstgeborenen zugestanden hätte.
Ruhelos und heimatlos ist Jakob unterwegs - auf der Suche nach einer neuen Heimat. Im Freien muss er schlafen. Ein Stein ist sein Kopfkissen. Es wäre also kein Wunder gewesen, wenn er wegen seines schlechten Gewissens und aus Angst vor seinem Bruder Albträume gehabt hätte. Aber nein, er träumt in jener Nacht, dass ihm der Himmel offen steht. Gott ermutigt und segnet ihn, er segnet den Betrüger. Er segnet nicht seinen Betrug, aber ihn als Menschen. Und Jakob spürt: Das hat er nicht verdient.
Er wacht auf und merkt: An einer heiligen Stätte hat er geschlafen. Er fürchtet sich. Ein heiliger Schauer überkommt ihn. Er richtet einen Stein zu einem Denkmal auf und gießt Salböl darüber. Eine Kirchweihe ist das sozusagen. Der Ort, an dem ihm Gott begegnet ist, wird zum heiligen Ort erklärt. Aber: Entscheidend ist nicht der Ort, sondern die Begegnung mit Gott, sein Erwachen und sein Erschaudern.

Das habe ich nicht verdient

„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Der Wochenspruch gibt das Thema vor. Im Evangelium haben wir vom sog. dankbaren Samariter gehört. Und nun der dankbare Jakob. Beide begegnen auf ihrem Lebensweg Gott. Sie erfahren die Nähe Gottes. Der eine als Kranker und Ausgestoßener, der andere mit Schuld beladen und als Flüchtling. Beide können nicht unbedingt damit rechnen, dass Gott ihnen begegnet, gerade ihnen. Dem Samariter begegnet er in der Gestalt Jesu, der ihn gesund macht. Jakob begegnet er im Traum und verspricht ihm seine Begleitung.

Beide Geschichten fragen nach uns: Wo ist Gott dir auf deinem Lebensweg begegnet? Unerwartet, überraschend, helfend, begleitend, erschütternd. Die Geschichten vom dankbaren Jakob und vom dankbaren Samariter brauchen ihre Fortsetzung in den Geschichten vom dankbaren Max, vom dankbaren Hans, von der dankbaren Inge und der dankbaren Ursula, und wie sie alle heißen mögen.

Wie kann man Gott begegnen?

Wie macht man denn eine solche Begegnung? So könnte jetzt jemand fragen, der meint, dass ihm das bisher noch nicht widerfahren ist. Wir sehen aus den beiden Geschichten: Wir können solche Begegnungen nicht machen. Sie geschehen von Gott her. Unsere Aufgabe ist aber dann, unsere Augen aufzumachen und zu spüren: Das war nicht ein Moment wie alle anderen. Ein Erschaudern, das kribbelnd durch den ganzen Körper geht, kann es sein. Eine tiefe Verwunderung. Eine tiefe Dankbarkeit. Eine überwältigende Naturerfahrung.
Jakob erwacht – in einem wörtlichen und einem übertragenen Sinn. Er spürt: Da war Gott, was ich am Abend vorher gar nicht gemerkt habe. Ehrfurcht überkommt ihn. Das Gespür, der Moment und der Ort sind heilig. Gotteswelt und Menschenwelt sind sich ganz nah gekommen.
Er hätte sagen können: Träume sind Schäume. Oder es hätte geschehen können wie bei den neun anderen von Jesus Geheilten, dass sie das Erlebnis als selbstverständlich ansehen und gleich wieder zur Tagesordnung übergehen. Sie würden auf Anfrage hin vielleicht sagen: „Eine Gottesbegegnung – die habe ich mein Leben lang noch nicht gemacht! Wie sieht so was aus?“

Wir brauchen heilige Orte

Es ist gut, wenn jemand eine solche Begegnung mit Gott irgendwie fest machen kann. Manche Menschen wissen noch genau den Tag und die Stunde und den Ort, wo sie in diesem Moment waren. Und an Jahrestagen oder wenn sie wieder an diesem Ort vorbeikommen, wird es ihnen wieder bewusst, als wäre es gestern erst gewesen. Heilige Moment sind das und heilige Orte.
Für Jakob war es ein heiliger Ort. Er schichtet Steine zu einem Denkmal auf und weiht es mit Öl. Denk-mal. Schauen Sie sich das Wort einmal genau an: Denk-mal. Denk mal nach, wie und was da damals gewesen ist! Bethel – Haus Gottes. So nennt er den Ort: Hier wohnt Gott. An diesem Ort ist mir Gott begegnet.
Unser Glaube und unsere Dankbarkeit brauchen Orte. Und deswegen müssen Kirchen offen sein. Deswegen müssen Kreuze am Weg oder auf Gipfeln stehen. Deswegen muss es Friedhöfe geben – möglichst ohne anonyme Grabstätten.

Und dann muss sich etwas ändern

Und ein drittes ist noch wichtig bei einer solchen Gottesbegegnung – ein drittes nach dem Augen aufmachen und dem heiligen Ort: Der dankbare Samariter und auch Jakob spüren: Jetzt kann es nicht so bleiben, wie es war. Jetzt muss sich etwas ändern. Das ist nicht nur ein wichtiger Ort und ein wichtiger Moment. Das ist eine Lebenswende.
Jakob überkommt ein heiliger Schauer: Wenn Gott ihn ermutigt und segnet, obwohl er es nicht verdient hat, obwohl er ein Betrüger ist, dann muss sich in seinem Leben fortan etwas ändern. Er tut ein Gelübde: Wenn eintrifft, was Gott ihm versprochen hat, wenn alles wieder gut wird, wenn er sein Ziel erreicht, dann will er Gott nicht mehr vergessen.
Lebenswende war es auch für den dankbaren Samariter. Lebenswende in einem wörtlichen Sinn: Er kehrt um auf seinem Weg und bedankt sich bei Jesus. Umkehr – das ist wieder beides: Das wörtliche Umkehren auf dem Weg, das aber unweigerlich mit einer inneren Umkehr verbunden ist.

Und so gebe Gott, dass der dankbare Max und der dankbare Hans, und die dankbare Inge und Ursula und wer auch immer noch ihren Gott nicht vergessen. „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de