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predigt[e].de

Die Predigt vom 9. Dezember 2007 (2. Advent):
»Advent ist nicht nur im Dezember«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 2. Sonntag im Advent. Sein Thema ist das Kommen des Reiches Gottes. Evangelium (1. Lesung) war Jesu Rede von den Anzeichen des Reiches Gottes und Epistel (2. Lesung) der Aufruf zum geduldigen Warten. Der Predigt lag das Adventslied von Paul Gerhardt zugrunde:
Predigttext
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Der Predigttext
(Verse siehe unten)
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Die Predigt
Überraschender Besuch

Manchmal komme ich bei einem Besuch überraschend und unangekündigt in eine Wohnung, und die erste Reaktion ist: „Damit hab’ ich jetzt nicht gerechnet.“ Oder: „Um diese Zeit hab’ ich nicht mit Ihnen gerechnet. Sie müssen schon entschuldigen, Herr Pfarrer, aber es ist gar nicht aufgeräumt.“ Und dann erfahre ich auch, warum: Weil jemand gerade erst von der Arbeit oder einem Einkauf nach Hause gekommen ist. Weil die Handwerker im Haus waren. Weil kleine Kinder da sind, usw.
Und die nächste Frage lautet dann manchmal: „Was kann ich Ihnen denn nun anbieten? Ich hab’ gar nichts zurecht gemacht. Ich kann Sie gar nicht richtig empfangen.“

Ach ja, es ist Advent. Und Gott will vielleicht überraschend einen Moment bei mir vorbeischauen. Er will schauen, ob ich gerade ein wenig Zeit für ihn habe. Bin ich vorbereitet? Wie soll ich ihn empfangen? Was müsste ich erst herrichten? Welche Frage würde ich ihm stellen? Was würde ich ihm sagen wollen?
„Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?“ So fragt der Liederdichter Paul Gerhardt in seinem Adventslied:

Advent ist nicht nur im Dezember

1. Wie soll ich dich empfangen / und wie begegn ich dir, / o aller Welt Verlangen, / o meiner Seelen Zier? / O Jesu, Jesu, setze / mir selbst die Fackel bei, / damit, was dich ergötze, / mir kund und wissend sei.

„O aller Welt Verlangen.“ Ja, immer wieder haben die Menschen gehofft, dass du endlich kommst, dass du Frieden bringst, dass du Gerechtigkeit schaffst.
„O meiner Seelen Zier.“ Auch ich freue mich, dass du gerade zu mir kommen willst. Ich habe auch so viele Fragen, die ich dir schon lange einmal stellen wollte.
Aber wie soll ich mich vorbereiten? Was soll ich anziehen? Was soll ich richten? Wie kann ich dir vor die Augen treten?
„O Jesu, Jesu, setze mir selbst die Fackel bei.“ Lass mir doch ein Licht aufgehen. Zeig mir doch einen Weg. Gib mir doch einen Wink. Und schenk mir, dass ich wie die klugen Brautjungfern auch eine brennende Lampe habe, wenn du ein wenig ausbleibst und dann überraschend kommst.
„damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.“ Gib mir doch einen Wink, damit ich weiß, womit ich dir eine Freude machen kann.

Wann ist Advent? Klar, Advent ist in den vier Wochen vor Weihnachten. Aber das ist zu einfach: Kommt Gott in den anderen elf Monaten nicht zu mir? Will er da nichts mit mir zu tun haben? Nein, Advent ist nicht nur im Dezember. Advent ist immer dann, wenn Menschen sehnsüchtig auf Gott warten, weil sie Fragen haben, die ihnen Menschen nicht beantworten können. Wenn sie Hilfe brauchen, die Menschen nicht geben können. Advent ist immer dann, wenn Gott überraschend etwas von mir will: Indem er tröstet und aufrichtet, aber auch indem er kritisch oder aufrüttelnd bei mir anklopft. Und Advent ist auch in jedem Abendmahlsgottesdienst. Denn auch da will Gott ganz persönlich bei mir Einzug halten. Bin ich vorbereitet?
Wir singen die erste Strophe des Liedes Nr. 11: Wie soll ich dich empfangen.

Persönliche Vorbereitung im Advent

2. Dein Zion streut dir Palmen / und grüne Zweige hin, / und ich will dir in Psalmen / ermuntern meinen Sinn. / Mein Herze soll dir grünen / in stetem Lob und Preis / und deinem Namen dienen, / so gut es kann und weiß.

Zum 1. Advent gehört als Evangelium der Einzug Jesu nach Jerusalem. Der Einzug in Zion, wie die Stadt von einem ihrer Berge her auch genannt wird. Jesus kommt. Die einen empfangen ihn freudig und voller Hoffnung. Sie erwarten sich etwas von ihm. Andere sind eher gleichgültig, weil sie ihn nur vom Hörensagen kennen. Wieder andere können sich gar nicht freuen, weil er Unruhe bringt.
Die in ihm den versprochenen Retter, den Messias sehen, so hören wir im Evangelium, hauen nach alter Tradition Palmzweige ab und legen sie wie einen roten Teppich auf den Weg. Das war ihre Art, den zu empfangen und zu würdigen, von dem sie sich so viel erhoffen.
Meine Art, dich zu empfangen, sagt Paul Gerhardt – meine Art, dir den Weg zu bereiten, mich innerlich vorzubereiten, das sind meine Lieder. Palmen und Psalmen – ein ganz bewusstes Wortspiel. Die altbekannten Adventsliedern singend bereite ich mich innerlich auf dich vor, Gott. Grüne Zweige wie die Menschen damals in Jerusalem habe ich nicht, aber mein Herz halte ich dir hin. Es ist ein grünes, ein lebendiges, kein vertrocknetes und versteinertes Herz.
Wir singen die zweite Strophe des Liedes.

Wenn jemand um Hilfe schreit

3. Was hast du unterlassen / zu meinem Trost und Freud, / als Leib und Seele saßen / in ihrem größten Leid? / Als mir das Reich genommen, / da Fried und Freude lacht, / da bist du, mein Heil, kommen / und hast mich froh gemacht.

Im Jahr 1653 ist das Lied entstanden. Seit zwei Jahren ist Paul Gerhardt auf seiner ersten Pfarrstelle in Mittenwalde bei Berlin. Die unsicheren Zeiten seiner Hauslehrertätigkeit sind vorbei. Er predigt nicht mehr nur zur Aushilfe, sondern er steht Sonntag für Sonntag vor seiner Gemeinde. Das ganze Kirchenjahr verdichtet er in seinen Liedern. Und doch hat er Sorgen: Ein Kollege macht ihm große Sorgen. Kurz nach dem 30-jährigen Krieg gibt es nicht viele Pfarrstellen. Und jener andere hätte die Stelle dort in Mittenwald offenbar auch gerne bekommen, und intrigiert, wo es nur geht.
„Als Leib und Seele saßen in ihrem größten Leid.“ „Als mir das Reich genommen, da Fried und Freude lacht.“ Vielleicht denkt Paul Gerhardt aber neben diesen beruflichen Sorgen auch an das viele Sterben durch Krieg und Pest, das er drei Jahrzehnte lang erlebt hat. Krank an Körper und Seele erlebt er sich. Ohne Freude und ohne Frieden. Doch da hat ihn Gott nicht alleine gelassen. Er hat ihn nicht sitzen lassen. Er hat Trost erfahren und Freude. Gott ist zu ihm gekommen und hat ihn wieder froh gemacht.
Advent ist nicht nur im Dezember. Advent ist immer dann, wenn jemand nach Gott schreit, wenn jemand um Hilfe schreit, und Gott hört ihn und begegnet ihm. Advent – Gott kommt. Unabhängig von der Jahreszeit.
Wir singen die dritte Strophe des Liedes.

Wir sind von Gott umfangen

5. Nichts, nichts hat dich getrieben / zu mir vom Himmelszelt / als das geliebte Lieben, / damit du alle Welt / in ihren tausend Plagen / und großen Jammerlast, / die kein Mund kann aussagen, / so fest umfangen hast.

Was treibt Gott dazu, sich der Probleme der Menschen anzunehmen? Könnte er es sich nicht so leicht machen wie wir, die wir uns lieber heraushalten, die wir uns ungern einmischen?
Nein, Gott macht es sich nicht leicht. Er mischt sich ein. Er mischt mit. Er bleibt nicht in seinem Himmel. Er schaut nicht einfach von ferne zu. Er kommt zu den Menschen. Die Liebe treibt ihn. Die Plagen und der Jammer der Menschen lassen ihn nicht kalt.

Das Lied ist zweigeteilt: In den ersten fünf Strophen redet Paul Gerhardt in der Ich-Form. Er lässt uns teilhaben an seinen Sorgen und an seinem Gespräch mit Gott. Aber natürlich in der Hoffnung, dass wir als Hörer und Sänger auch in seine Gedanken einstimmen können. In der Hoffnung, dass er auch unseren Sorgen Worte verleihen kann.
Der Beginn des ersten Abschnittes und das Ende werden bewusst eingeklammert und zusammengehalten durch zwei Worte: empfangen und umfangen. Es ist nicht entscheidend, wie ich Gott empfange. Nicht mein Tun ist entscheidend. Nicht an mir hängt es, ob Gott kommt oder nicht. Schon immer hat er mich umfangen. Ich bin umfangen. Ich bin geborgen. Von guten Mächten, von Gottes Händen wunderbar geborgen.
Wir singen die fünfte Strophe des Liedes.

Die Hilfe naht

6. Das schreib dir in dein Herze, / du hochbetrübtes Heer, / bei denen Gram und Schmerze / sich häuft je mehr und mehr; / seid unverzagt, ihr habet / die Hilfe vor der Tür; / der eure Herzen labet / und tröstet, steht allhier.

So erzählt Paul Gerhardt also in den ersten fünf Strophen, wie es ihm ging, wie er in seinen Sorgen und Nöten Gottes Nähe erlebt hat und es dadurch bei ihm Advent wurde.
Und nun wendet er sich an seine Hörer. Er ist ja nicht nur Prediger, sondern auch Seelsorger und kennt die Nöte seiner Gemeindeglieder: Wenn es euch auch so geht wie mir, wenn ihr genauso betrübt seid, dann hab ich eine Botschaft für euch. Hört her. Schreibt es in euer Herz:
Der Jammer der Welt lässt Gott nicht kalt. Auch dein Jammer lässt Gott nicht kalt. Wenn sich Gram und Schmerz bei dir aufhäufen. Wenn du denkst: Warum schon wieder ich? Hört denn das nie auf?
Dann höre: Die Hilfe naht. Er kommt. Er steht schon vor der Tür. Er ist da.
Wir singen die sechste Strophe des Liedes.

Und wenn wir nicht vorbereitet sind?

7. Ihr dürft euch nicht bemühen / noch sorgen Tag und Nacht, / wie ihr ihn wollet ziehen / mit eures Armes Macht. / Er kommt, er kommt mit Willen, / ist voller Lieb und Lust, / all Angst und Not zu stillen, / die ihm an euch bewusst.

Und noch einmal wie schon in der fünften Strophe: Gott sei Dank liegt es nicht an uns, ob es Advent wird. Wenn der Advent abhängig wäre von unserer Vorbereitung, dann würde er wohl öfter ausfallen. Wenn Gottes Kommen abhängig wäre von meiner inneren Bereitschaft, dann müsste ich wohl oft vergeblich auf ihn warten.
Nein, es liegt nicht an meiner Kraft, an meinen Bemühungen, an meinem Sorgen. Von sich aus will er kommen. Die Liebe treibt ihn. Er kennt meine Angst und meine Not.
Wir singen noch einmal die erste, die sechste und die siebte Strophe des Liedes und sammeln dazu im Klingelbeutel die Kollekte ein. Sie ist heute für die sog. Diasporawerke bestimmt. Sie unterstützen evang.-luth. Christen, die im Ausland als Minderheit leben.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de