Evang.-Luth. Kirchengemeinde Bayreuth-Auferstehungskirche

Die Predigt vom 31. Dezember 2007 (Altjahresabend):
»In Gottes Schoß«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Altjahresabend, wie der Silvestertag im kirchlichen Sprachgebrauch genannt wird. Sein Thema ist die Treue Gottes. Evangelium (1. Lesung) war der Aufruf Jesu zur Wachsamkeit und Epistel (2. Lesung) die Gewissheit des Paulus, dass nichts uns von Gottes Liebe trennen kann. Zum Abschluss des Paul-Gerhardt-Jahres lag der Predigt sein Lied „Nun lasst uns gehn und treten“ zugrunde:
Predigttext
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Der Predigttext
(Text siehe Predigt)
Predigt
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Die Predigt
Den Jahreswechsel mit Gott begehen

Den Paul-Gerhardt-Vers „Befiehl du deine Wege“ haben Sie jetzt fast ein Jahr lang beim Hinausgehen aus der Kirche sehen können. Er sollte Ihnen Mut machen und Kraft geben für die Wege durch die Woche.
Nun ist wieder ein ganzes Jahr Lebensweg vorbei und eine neue Etappe steht bevor. Das Mottolied in unserem Gesangbuch zum Jahreswechsel ist ebenfalls ein Lied von Paul Gerhardt. „Nun lasst uns gehen und treten“. Wie „Befiehl du deine Wege“ beschreibt es das Leben als Weg. Es lädt uns ein, dankbar auf die Wege des alten Jahres zurückzublicken und die Wege des neuen Jahres in Gottes Namen zu gehen.
Zum Abschluss des Paul-Gerhardt-Jahres möchte ich deswegen heute dieses Lied mit Ihnen bedenken.

1. Nun lasst uns gehn und treten / mit Singen und mit Beten / zum Herrn, der unserm Leben / bis hierher Kraft gegeben.
Paul Gerhardt lädt uns ein, den Jahreswechsel mit Gott und mit einem Gottesdienst begehen. Er lädt uns ein, uns aufzumachen und singend und betend vor Gott zu treten. Sie sind diesem „Nun lasst uns“ gefolgt und heute Nachmittag da.
Warum jede und jeder von Ihnen heute da ist, das kann man nicht allgemein sagen. Es ist wohl auch eine Mischung von Gefühlen, eine Mischung aus Dankbarkeit, Zuversicht und Sorge. Warum hat Paul Gerhardt damals seine Gemeinde eingeladen: Weil Gott uns bisher Kraft gegeben hat.
Ich lade Sie zu einem Moment der Stille ein: Wo hat Gott mir in diesem Jahr die nötige Kraft geschenkt? ...
Wir singen die erste Strophe des Liedes Nr. 58: „Nun lasst uns gehen und treten“.

Leben ist Pilgern

2. Wir gehn dahin und wandern / von einem Jahr zum andern, / wir leben und gedeihen / vom alten bis zum neuen / 3. durch so viel Angst und Plagen, / durch Zittern und durch Zagen, / durch Krieg und große Schrecken, / die alle Welt bedecken.
Nicht nur das Leben eines Kalenderjahres, das ganze Leben ist eine Wanderschaft. Das Leben ist Pilgern, es ist Unterwegssein von einem Jahr zum andern.
„Schon wieder ein Jahr vorbei.“ „So ein Jahr ist gar nichts.“ So ähnlich höre ich Menschen reden. Und wir wissen doch: Jedes Jahr ist gleich lang. Und die Jahre der Jugend waren auch nicht länger als die des Alters. Es ist unsere Empfindung und Lebenseinstellung. Ich denke, es gibt nur eine Möglichkeit, dass ein Jahr nicht so schnell vorbeirennt: Jeden Tag eines Jahres bewusst annehmen. Jeden Schritt eines Jahres bewusst tun.

Die Wege Paul Gerhardts und seiner Gemeinde sind durch Angst und Plagen, durch Zittern und Zagen hindurchgegangen. 1653 finden wir sein Lied in einem Gesangbuch von Johann Crüger, der als Kirchenmusiker die Gedichte von Paul Gerhardt bekannt machte. Vielleicht ist es auch schon ein bis zwei Jahre früher entstanden, denn so lange war Paul Gerhardt inzwischen auf seiner ersten Gemeinde in Mittenwalde. Was er mit Angst und Plagen, mit Krieg und Schrecken meint, braucht er der Gemeinde nicht zu erklären. Alle wissen es. Der 30-jährige Krieg ist gerade einmal fünf Jahre vorbei und alles liegt noch danieder.
Wieder lade ich Sie zu einem Moment der Stille ein: Sagen auch Sie in der Stille Gott die Angst und Plagen und Schrecken des vergangenen Jahres. ...
Wir singen die zweite und dritte Strophe des Liedes.

In Gottes Schoß sitzen

4. Denn wie von treuen Müttern / in schweren Ungewittern / die Kindlein hier auf Erden / mit Fleiß bewahret werden, / 5. also auch und nicht minder / lässt Gott uns, seine Kinder, / wenn Not und Trübsal blitzen, / in seinem Schoße sitzen.
Unsere Bibel ist in einer männerdominierten Zeit und Gesellschaft entstanden. So ist es kein Wunder, dass von Gott fast nur männlich geredet wird. Er ist Herr, Hirte, König usw. Nur wenige andere Bilder von Gott haben wir in unserer Bibel, z.B.
Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. (Jes 66,13a)
Fürwahr, meine Seele ist still und ruhig geworden wie ein kleines Kind bei seiner Mutter; wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in mir. (Ps 131,2)
Dass die Erlösten in Abrahams Schoß sitzen, davon spricht die Bibel. Dass ein Mensch in Gottes Schoß wie im Schoß der Mutter sitzt, können wir in der Bibel nicht lesen, aber ich meine, Paul Gerhardt hat trotzdem richtig von Gott geredet. Kinder flüchten sich bei Gewittern und in Zeiten der Bedrohung zu ihren Eltern. Wie viele Soldaten haben im Krieg nicht nach Gott, sondern nach ihrer Mutter geschrien!
„Also auch und nicht minder“: Mindestens genauso wie bei den Menschen ist es auch bei Gott. Wenn Kinder bei ihrer Mutter Geborgenheit suchen, dann auch wir als Gottes Kinder bei ihm.
Wieder lade ich sie zu einem Moment der Stille ein: Wo haben Sie sich in diesem vergangenen Jahr in Gottes Schoß geborgen und aufgehoben gefühlt? ...
Wir singen die vierte und fünfte Strophe des Liedes.

Nicht ohne Gott planen

6. Ach Hüter unsres Lebens, / fürwahr, es ist vergebens / mit unserm Tun und Machen, / wo nicht dein Augen wachen.
Zum Jahreswechsel gehören die sogenannten guten Vorsätze. Zum Jahreswechsel gehören Vorhaben und Planungen für das neue Jahr. Paul Gerhardt rät uns und warnt uns auch: Plane nicht ohne Gott.
So werden wir es auch in der Lesung morgen früh aus dem Jakobusbrief hören: „So Gott will und wir leben werden wir dies oder das tun.“ Oder in den Psalmen lesen wir:
Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst. (Ps 127,1)
Gottes Augen wachen über unseren Wegen: Das kann positiv und negativ gemeint sein. Er wacht über uns. Er hat ein Auge auf uns. Aber auch: Er hat den weiteren Blick und sieht, wo wir Fehler machen. Er lässt uns Fehler machen. Er lässt uns eigensinnige und falsche Wege gehen. Manchmal bremst er uns zart, manchmal auch hart, dann aber lässt er uns ganz einfach laufen.
Wieder lade ich Sie zu einem Moment der Stille ein: Wo könnte ich derzeit auf einem falschen Weg sein? ...
Wir singen die sechste Strophe des Liedes.

Gott bleibt treu

7. Gelobt sei deine Treue, / die alle Morgen neue; / Lob sei den starken Händen, / die alles Herzleid wenden. / 8. Lass ferner dich erbitten, / o Vater, und bleib mitten / in unserm Kreuz und Leiden / ein Brunnen unsrer Freuden.
Auch wenn wir falsche Wege gehen, bleibt er treu. Auch wenn wir uns von ihm entfernen. Vor Leid bewahrt er uns nicht. In vielen Fällen bin ich überzeugt, dass solches Leid nicht von Gott geschickt ist, sondern durch unseren Ungehorsam und unseren Eigensinn entsteht. Aber es gibt auch das unerklärliche Leid.
Zwei Dinge höre ich bei Paul Gerhardt, der ja selbst auch viel Leid erfahren hat, heraus: Gott begleitet uns im Leid. Er bleibt als Vater seiner Kinder mitten in Kreuz und Leid an unserer Seite. Und: Er wird das Leid wieder wenden. Es werden wieder andere Zeiten kommen. Er wird einen Weg für uns finden.
Noch einmal lade ich Sie zu einem Moment der Stille ein: Wo erhoffe ich mir in diesem kommenden Jahr einen neuen und gangbaren Weg? ...
Wir singen die siebte und achte Strophe des Liedes.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

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