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Die Predigt |
Den Jahreswechsel
mit Gott begehen
Den Paul-Gerhardt-Vers „Befiehl du deine Wege“ haben Sie
jetzt fast ein Jahr lang beim Hinausgehen aus der Kirche sehen können.
Er sollte Ihnen Mut machen und Kraft geben für die Wege durch
die Woche.
Nun ist wieder ein ganzes Jahr Lebensweg vorbei und eine neue Etappe
steht bevor. Das Mottolied in unserem Gesangbuch zum Jahreswechsel
ist ebenfalls ein Lied von Paul Gerhardt. „Nun lasst uns gehen
und treten“. Wie „Befiehl du deine Wege“ beschreibt
es das Leben als Weg. Es lädt uns ein, dankbar auf die Wege des
alten Jahres zurückzublicken und die Wege des neuen Jahres in
Gottes Namen zu gehen.
Zum Abschluss des Paul-Gerhardt-Jahres
möchte ich deswegen heute dieses Lied mit Ihnen bedenken.
1. Nun lasst uns gehn und treten / mit Singen und mit Beten /
zum Herrn, der unserm Leben / bis hierher Kraft gegeben.
Paul Gerhardt lädt uns ein, den Jahreswechsel mit Gott und mit
einem Gottesdienst begehen. Er lädt uns ein, uns aufzumachen
und singend und betend vor Gott zu treten. Sie sind diesem „Nun
lasst uns“ gefolgt und heute Nachmittag da.
Warum jede und jeder von Ihnen heute da ist, das kann man nicht allgemein
sagen. Es ist wohl auch eine Mischung von Gefühlen, eine Mischung
aus Dankbarkeit, Zuversicht und Sorge. Warum hat Paul Gerhardt damals
seine Gemeinde eingeladen: Weil Gott uns bisher Kraft gegeben hat.
Ich lade Sie zu einem Moment der Stille ein: Wo hat Gott mir in diesem
Jahr die nötige Kraft geschenkt? ...
Wir singen die erste Strophe des Liedes Nr. 58: „Nun lasst uns
gehen und treten“.
Leben ist Pilgern
2. Wir gehn dahin und wandern / von einem Jahr zum andern, / wir
leben und gedeihen / vom alten bis zum neuen / 3. durch so viel Angst
und Plagen, / durch Zittern und durch Zagen, / durch Krieg und große
Schrecken, / die alle Welt bedecken.
Nicht nur das Leben eines Kalenderjahres, das ganze Leben ist eine
Wanderschaft. Das Leben ist Pilgern, es ist Unterwegssein von einem
Jahr zum andern.
„Schon wieder ein Jahr vorbei.“ „So ein Jahr ist
gar nichts.“ So ähnlich höre ich Menschen reden. Und
wir wissen doch: Jedes Jahr ist gleich lang. Und die Jahre der Jugend
waren auch nicht länger als die des Alters. Es ist unsere Empfindung
und Lebenseinstellung. Ich denke, es gibt nur eine Möglichkeit,
dass ein Jahr nicht so schnell vorbeirennt: Jeden Tag eines Jahres
bewusst annehmen. Jeden Schritt eines Jahres bewusst tun.
Die Wege Paul Gerhardts und seiner Gemeinde sind durch Angst und Plagen,
durch Zittern und Zagen hindurchgegangen. 1653 finden wir sein Lied
in einem Gesangbuch von Johann Crüger, der als Kirchenmusiker
die Gedichte von Paul Gerhardt bekannt machte. Vielleicht ist es auch
schon ein bis zwei Jahre früher entstanden, denn so lange war
Paul Gerhardt inzwischen auf seiner ersten Gemeinde in Mittenwalde.
Was er mit Angst und Plagen, mit Krieg und Schrecken meint, braucht
er der Gemeinde nicht zu erklären. Alle wissen es. Der 30-jährige
Krieg ist gerade einmal fünf Jahre vorbei und alles liegt noch
danieder.
Wieder lade ich Sie zu einem Moment der Stille ein: Sagen auch Sie
in der Stille Gott die Angst und Plagen und Schrecken des vergangenen
Jahres. ...
Wir singen die zweite und dritte Strophe des Liedes.
In Gottes Schoß sitzen
4. Denn wie von treuen Müttern / in schweren Ungewittern
/ die Kindlein hier auf Erden / mit Fleiß bewahret werden, /
5. also auch und nicht minder / lässt Gott uns, seine Kinder,
/ wenn Not und Trübsal blitzen, / in seinem Schoße sitzen.
Unsere Bibel ist in einer männerdominierten Zeit und Gesellschaft
entstanden. So ist es kein Wunder, dass von Gott fast nur männlich
geredet wird. Er ist Herr, Hirte, König usw. Nur wenige andere
Bilder von Gott haben wir in unserer Bibel, z.B.
Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. (Jes
66,13a)
Fürwahr, meine Seele ist still und ruhig geworden wie ein kleines
Kind bei seiner Mutter; wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in
mir. (Ps 131,2)
Dass die Erlösten in Abrahams Schoß sitzen, davon spricht
die Bibel. Dass ein Mensch in Gottes Schoß wie im Schoß
der Mutter sitzt, können wir in der Bibel nicht lesen, aber ich
meine, Paul Gerhardt hat trotzdem richtig von Gott geredet. Kinder
flüchten sich bei Gewittern und in Zeiten der Bedrohung zu ihren
Eltern. Wie viele Soldaten haben im Krieg nicht nach Gott, sondern
nach ihrer Mutter geschrien!
„Also auch und nicht minder“: Mindestens genauso wie bei
den Menschen ist es auch bei Gott. Wenn Kinder bei ihrer Mutter Geborgenheit
suchen, dann auch wir als Gottes Kinder bei ihm.
Wieder lade ich sie zu einem Moment der Stille ein: Wo haben Sie sich
in diesem vergangenen Jahr in Gottes Schoß geborgen und aufgehoben
gefühlt? ...
Wir singen die vierte und fünfte Strophe des Liedes.
Nicht ohne Gott planen
6. Ach Hüter unsres Lebens, / fürwahr, es ist vergebens
/ mit unserm Tun und Machen, / wo nicht dein Augen wachen.
Zum Jahreswechsel gehören die sogenannten guten Vorsätze.
Zum Jahreswechsel gehören Vorhaben und Planungen für das
neue Jahr. Paul Gerhardt rät uns und warnt uns auch: Plane nicht
ohne Gott.
So werden wir es auch in der Lesung morgen früh aus dem Jakobusbrief
hören: „So Gott will und wir leben werden wir dies oder
das tun.“ Oder in den Psalmen lesen wir:
Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran
bauen. Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter
umsonst. (Ps 127,1)
Gottes Augen wachen über unseren Wegen: Das kann positiv und
negativ gemeint sein. Er wacht über uns. Er hat ein Auge auf
uns. Aber auch: Er hat den weiteren Blick und sieht, wo wir Fehler
machen. Er lässt uns Fehler machen. Er lässt uns eigensinnige
und falsche Wege gehen. Manchmal bremst er uns zart, manchmal auch
hart, dann aber lässt er uns ganz einfach laufen.
Wieder lade ich Sie zu einem Moment der Stille ein: Wo könnte
ich derzeit auf einem falschen Weg sein? ...
Wir singen die sechste Strophe des Liedes.
Gott bleibt treu
7. Gelobt sei deine Treue, / die alle Morgen neue; / Lob sei den
starken Händen, / die alles Herzleid wenden. / 8. Lass ferner
dich erbitten, / o Vater, und bleib mitten / in unserm Kreuz und Leiden
/ ein Brunnen unsrer Freuden.
Auch wenn wir falsche Wege gehen, bleibt er treu. Auch wenn wir uns
von ihm entfernen. Vor Leid bewahrt er uns nicht. In vielen Fällen
bin ich überzeugt, dass solches Leid nicht von Gott geschickt
ist, sondern durch unseren Ungehorsam und unseren Eigensinn entsteht.
Aber es gibt auch das unerklärliche Leid.
Zwei Dinge höre ich bei Paul Gerhardt, der ja selbst auch viel
Leid erfahren hat, heraus: Gott begleitet uns im Leid. Er bleibt als
Vater seiner Kinder mitten in Kreuz und Leid an unserer Seite. Und:
Er wird das Leid wieder wenden. Es werden wieder andere Zeiten kommen.
Er wird einen Weg für uns finden.
Noch einmal lade ich Sie zu einem Moment der Stille ein: Wo erhoffe
ich mir in diesem kommenden Jahr einen neuen und gangbaren Weg? ...
Wir singen die siebte und achte Strophe des Liedes. |
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