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predigt[e].de

Die Predigt vom 23. März 2008 (Ostern):
»Ende des 1. Aktes«

Kirchenjahr
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Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die christliche Kirche beging das Osterfest. Sein Thema ist die Auferstehung Jesu und sein Sieg über den Tod. Evangelium (1. Lesung) war die Auferstehung nach Markus und Epistel (2. Lesung) die Auferstehungstradition des Paulus. Der Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war aus dem 1. Korintherbrief des Paulus Kapitel 15:
Predigttext
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Der Predigttext
20 Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. 21 Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. 22 Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden. 23 Ein jeder aber in seiner Ordnung: als Erstling Christus; danach, wenn er kommen wird, die, die Christus angehören; 24 danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat. 25 Denn er muss herrschen, bis Gott ihm »alle Feinde unter seine Füße legt« (Psalm 110,1). 26 Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.
27 Denn »alles hat er unter seine Füße getan« (Psalm 8,7). Wenn es aber heißt, alles sei ihm unterworfen, so ist offenbar, dass der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. 28 Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem.

Weil dann ein neues Thema angeschnitten wird, das eine eigene Predigt wert ist, habe ich mich auf die Verse 20-26 beschränkt.
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Die Predigt
Die Gretchenfrage

Wer heute am Ostersonntag im Predigttext noch einmal die Osterbotschaft hören will, der wird erst einmal enttäuscht: Darüber brauchen wir nicht diskutieren, sagt Paulus. Mit einem großen „Aber“ beginnt er: „Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten.“ Basta! Möchte man mit dem vorherigen Kanzler hinzufügen. Wenn wir uns darüber nicht einig sind, so Paulus, dann brauchen wir gar nicht weiterreden, dann haben wir keine gemeinsame Gesprächsgrundlage. Wichtiger als die Diskussion, ob und wie Christus auferstanden ist, ist die Frage, was das für mich und dich, was das für heute und jetzt bedeutet.
Das ist die Gretchenfrage von Ostern: Wie hältst du’s mit der Auferstehung? Ändert sich dein Alltag, wenn du weißt, dass Christus auferstanden ist? Und inwiefern ändert er sich? Was hat das für Folgen für deinen Umgang mit dem Tod, für deinen Umgang mit Krankheit und Leid, für deinen Umgang mit den Mächten dieser Welt?

Die Frage ist klar. Die Antwort aber ist nicht so einfach. Denn Paulus redet hier von Dingen, die weit weg sind von uns: Er redet vom Ereignis der Auferstehung, dass fast 2.000 Jahre her ist. Und er redet von Jesu Wiederkunft, von der wir nicht wissen, wie weit sie noch in der Zukunft liegt. Hand aufs Herz: Wer rechnet mit Jesu Wiederkunft noch zu seinen Lebzeiten? Also: Die Auferstehung weit hinter uns. Seine Wiederkunft weit vor uns. Und wir heute mittendrin. Wagen wir uns ran an die heikle Frage!

Jesus Christus als Prototyp

In einer Art Bildersprache beginnt Paulus: Christus ist der Erstling, den der Tod nicht festhalten konnte. „Erstling“, mit diesem Kunstwort versucht es Martin Luther in seiner Bibelübersetzung auszudrücken. „Prototyp“ würden wir heute vielleicht mit einem Fremdwort sagen. „Erlkönig“ heißt es dichterisch bei geheim gehaltenen Automodellen, die neu auf den Markt kommen sollen. Etwas respektlos gesagt: Mit Jesus hat Gott, der Schöpfer, den Prototypen geschaffen. Wenn dann die Zeit da ist, wird er in Serie gehen.
Und dann vergleicht Paulus den auferstandenen Jesus mit einem anderen Erstling: Adam ist der Prototyp des todverfallenen Menschen, des Menschen, der nach dem Sündenfall nur ein begrenztes Leben hat und sich dann dem Tod beugen muss.
Von beiden haben wir etwas, sagt Paulus: Wir sind alle Adam. Wir werden alle sterben. Aber in der Folge Christi wird uns alle der Tod nicht festhalten können. Mit ihm als Prototyp hat ein Prozess angefangen, den niemand mehr aufhalten kann:
„Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden.“

Leben in einer Zwischenzeit

Wir leben also in einer Art Zwischenzeit. Wir leben zwischen Auferstehung und Wiederkunft Christi. Wir leben in einer Zwischenzeit, aber wir hängen nicht in der Luft. Das, was war, und das, was kommt, wirkt in unsere Gegenwart hinein. Die Botschaft von der Auferstehung, also der erste Sieg über den Tod, ist nicht einfach nur ein Wort. Sie ist wirkmächtige, die Gegenwart verändernde Botschaft. Die Botschaft von der Wiederkunft Christi, also der endgültige Sieg über den Tod, ist nicht einfach nur ein Wort. Sie ist wirkmächtige und unsere Gegenwart verändernde Botschaft.

Was bedeutet das nun mit den Worten des Paulus für den Tod? Und was bedeutet es für all die anderen lebensfeindlichen Mächte?

Inwiefern ist der Tod entmachtet?

26 Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.
Paulus kommt eindeutig von der Auferstehung her, aber er ist trotzdem ganz illusionslos: Wir müssen bis zur Wiederkunft Christi mit dem Tod leben. Er ist seit der Auferstehung zwar grundsätzlich und prinzipiell entmächtigt, aber er ist noch nicht besiegt. Seine Macht ist grundlegend gebrochen, doch er herrscht noch.
Das ist, wenn man den ganzen Brief liest, wohl erst einmal an einige sehr euphorische Gemeindeglieder in Korinth gerichtet: Sie schwebten sozusagen schon über dem Boden. Sie meinten, sie seien auch schon auferstanden und die Welt sei nur noch ein Schein. Sie kannten keine Pflichten und keine Ordnung mehr. Sie hatten keine Augen mehr für die Kranken und Armen. Sie muss Paulus auf den Boden der Tatsachen herunterholen und sie an die Regeln des Zusammenlebens erinnern: Lasst euch nicht verführen! Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten. (15,33). Werdet doch einmal recht nüchtern! (15,34) Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen! (16,13) Ordnet euch allen unter, die mitarbeiten und sich mühen. (16,16)

Der Tod als „Ende des 1. Aktes“

Während solche Menschen erst einmal wieder auf den Boden geholt werden müssen, ist es bei den meisten heute wohl eher umgekehrt: Das Starren auf den immer noch mächtigen Tod zieht sie so nach unten, dass sie von Ostern her aufgehoben und aufgebaut werden müssen.
Man kann es wie bei Paulus wohl auch nur mit Bildern sagen. Vor allem scheint unsere Seele, die die Osterbotschaft viel nötiger hat als unser Verstand, am besten Bilder zu verstehen:
Z.B. wie es die Offenbarung sagt: Nur der erste Tod kann uns etwas anhaben, nicht aber der zweite.
Oder: Der Tod ist Durchgangstation, aber nicht das Ende. Der Tod macht einen Doppelpunkt, nicht einen Punkt hinter unser Leben.
Oder wie es auf einer schönen Karikatur zu lesen ist: Ein Grabstein mit dem Namen und den Lebensdaten eines Menschen. Und darunter die Inschrift: „Ende des 1. Aktes.“

Lebensfeindliche Mächte beim Namen nennen

Und ähnlich wie es vom Tod gesagt ist, sagt es Paulus auch von den herrschenden Mächten:
24 danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat.
Mit Herrschaft, Macht und Gewalt wird im Urtext alles bezeichnet, was auf dieser Welt Macht hat und sich als Macht aufspielt. Ähnlich wie bei dem bekannteren Pauluswort:
38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Mächte in der Höhe noch in der Tiefe noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. (Röm 8,38-39).
Auch hier ist Paulus sehr illusionslos und nüchtern: Es gibt diese Mächte, jawohl. Sie sind noch nicht ent-machtet. Aber ihre Tage sind gezählt, und Gott ist stärker. Von der Auferstehung her mit solchen Mächten umgehen, heißt z.B. sie beim Namen nennen und, soweit es in unserer Macht ist, gegen sie angehen:

Alkohol, Geld, Geschwindigkeit, Waffenstolz ...

Z.B. die Verführungsmacht des Alkohols nicht verharmlosen. Die, die so lautstark darüber klagen, dass sie nun in ihrer Kneipe nicht mehr rauchen dürfen, sollten vorher mindestens genauso laut anprangern, wie kinderleicht Kinder an harte Getränke und Zigaretten kommen.
Oder die Verführungsmacht des Geldes. Die Medien dürfen weiter nicht verschweigen, wie die Macht des Geldes manchen Menschen in Politik und Wirtschaft unanständig, gierig und abgehoben werden lässt.
Oder die Verführungsmacht von Autos? Darf man vielleicht auch einmal zaghaft fragen, warum jemand mit 180 Sachen ungebremst bei Bayreuth in einen anderen Wagen rast? Und muss unbedingt ein Automobilclub am Karfreitag eine Gaudirallye, eine lustige Hasenjagd anbieten?
Oder diese teuflische Verführungsmacht der Waffen, die die großen Nationen in ihren Bann zieht: Da stellt Frankreich stolz ein atomares U-Boot in den Dienst, das ganz offen und unverblümt „Le terrible“, der Schreckliche, heißt. Und weil Frankreich auf die Seiten der „Guten“ gehört, spricht keiner aus, dass dieses Mordinstrument wie ein riesiger Phallus einen obszönen Männlichkeitswahn befriedigt.
Oder ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat muss sich von seinem Pfarrer distanzieren, obwohl er, wenn auch sehr einseitig, die Wahrheit über amerikanische Machtpolitik sagt. Eine Wahrheit, die aber leider unpatriotisch und deswegen im Wahlkampf sehr unbequem ist.

Die noch subtileren Mächte

Aber auch all die innermenschliche Mächte, die psychischen Gefängnisse, die Menschen in Bann halten, müssen wir beim Namen nennen: Ängste und Neurosen und Depressionen, die Menschen klein halten. Nur kann man da seelsorgerlich natürlich nicht so frech vom Leder ziehen wie bei den politischen Mächten. Es hilft ja nicht, ja es kann geradezu lieblos sein, einem Menschen zu sagen: Die Macht, die dich bedrängt, hat doch in Wirklichkeit nur eine Scheinherrschaft. Der andere wird antworten: Du hast leicht reden. Für mich das alles ganz real.
Wenn wir aber glauben, dass auch solchen Mächten ein Ende angesagt ist, müssten wir da nicht neben der nötigen medikamentösen Behandlung viel mutiger mit Gebet, Handauflegen, Segen und Salbung eine Gegenbotschaft verkünden?
So sagte es der ehemalige Bundespräsident Gustav Heinemann. Sie können es nach dem Lied 147 lesen: „Lasst uns der Welt antworten, wenn sie uns furchtsam machen will: Eure Herren gehen, unser Herr aber kommt.“

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de