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predigt[e].de

Die Predigt vom 24. Dezember 2008 (Heiligabend):
»Alle sind willkommen«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging Heiligabend mit Christvesper und Christmette. Sein Thema ist die Menschwerdung Gottes. Evangelium (1. Lesung) und Predigttext (s.u.) der Christvesper war die Weihnachtsgeschichte nach Lukas und Epistel (2. Lesung) die Weihnachtsbotschaft des Titusbriefs.
Predigttext
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Der Predigttext
1 Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 3 Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. 4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, 5 damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. 6 Und als sie dort waren, kam die Zeit, daß sie gebären sollte. 7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
15 Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Laßt uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
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Die Predigt
An Weihnachten sind alle willkommen

Bei uns haben Sie vorhin keinen Ausweis vorweisen müssen. Niemand hat Sie gar nach Ihrer Kirchgeldquittung gefragt, als Sie hereingekommen sind.
Da haben doch wirklich christliche Politiker vorgestern vorgeschlagen, die Kirchen am Heiligabend nur für Kirchenmitglieder zu öffnen, damit sie nicht so überfüllt sind und jeder einen Sitzplatz bekommt.

Ich vermute, sie haben die Weihnachtsgeschichte nicht gelesen oder nicht genau gelesen. Da steht nicht „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die den Christen widerfahren wird.“ Da steht: „… Freude, die allem Volk widerfahren wird.“ Allen Menschen ohne Ausnahme. Und deswegen sind im Weihnachtsgottesdienst auch die willkommen, die vielleicht schon lange nicht mehr da waren, die vielleicht gar nur Weihnachten kommen, oder die inzwischen aus welchem Grund auch immer aus der Kirche ausgetreten sind. Sie sind willkommen, weil nicht die Gemeinde oder der Pfarrer einladen, sondern Gott selber. Das Christkind breitet in unseren Weihnachtskrippen freundlich seine Arme aus, und der erwachsene Jesus hat dasselbe getan mit den Worten „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.“

Oder denken wir nur daran, wem die Weihnachtsbotschaft zuerst verkündigt wurde: „Euch ist heute der Heiland geboren.“ Das wurde nicht in der Stadt und auch nicht im Palast bekannt gegeben. Das wurde nicht dem Königshaus verkündigt und auch nicht den Priestern und Schriftgelehrten. Die Schaf- und Ziegenhirten draußen auf den Feldern waren raue Gesellen und hatten keinen guten Ruf. Gesellschaftlich standen sie ziemlich weit hinten. Und auch die Frommen konnten mit ihnen nicht viel anfangen, weil sie ungebildet waren und die Heilige Schrift nicht kannten.

Die Weihnachtsbotschaft ist die Botschaft von der Nähe Gottes. Sie gilt allen, die sie hören wollen. Aber vielleicht sind manche ein weniger offener dafür als andere:

Eine Botschaft für die, die die Nacht kennen

8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.
Menschen, die die Dunkelheit kennen, die Dunkelheit von Krankheit oder Trauer, die Nacht der Verzweiflung oder Depression oder Schlaflosigkeit oder Zukunftsangst … Für Menschen, die die Dunkelheit kennen, ist die Botschaft von der Nähe Gottes ganz besonders bestimmt. Vielleicht hören sie aufmerksamer zu. Vielleicht sind sie offener dafür.
Sie konnten heute in der Tageszeitung lesen, wie verschiedene bekannte Menschen aus der Umgebung Weihnachten feiern. Das eine hat sich deutlich durchgezogen: Nicht einsam sein. Nicht allein bleiben. Die Nähe der Familie, die menschliche Nähe suchen.
Weihnachten gilt ganz besonders denen, um die es dunkel ist und die die Nacht fürchten.

Eine Botschaft für die, die heil werden wollen

Siehe, ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geboren.
Vielleicht sind auch die offener für die Botschaft von der Nähe Gottes, die heil werden wollen. Die einen Heiland, einen Heilmacher brauchen. Die sich nach leiblicher und seelischer Gesundheit sehnen. Wer schon heil ist, bei wem alles in Ordnung ist, oder wer meint, er schaffe das alles ganz allein … Ja, wer meint, er könne sein eigener Heiland sein, der wird sich auch mit der Weihnachtsbotschaft schwer tun.
Weihnachten heißt auch, zugeben zu können: Lieber Gott, bei mir ist nicht alles heil. Manches ist zerbrochen und unfertig: Leiblich vielleicht oder seelisch, in der Familie, in der Beziehung zu den Kindern oder den Eltern …

Eine Botschaft für die, die nicht nur glauben, was sie sehen

9 Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.
Auch die sind vielleicht ein weniger offener für die Botschaft von der Nähe Gottes, die offen dafür sind, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die man nicht alle mit der Vernunft und der Wissenschaft erklären kann.
Die Engel der Weihnachtsgeschichte sind ein Hinweis darauf, dass es mehr gibt als diese sichtbare Welt. Wörtlich übersetzt sind sie Boten. Sie sind eine Art Mittler. Sie sind Grenzgänger zwischen dieser und der anderen Welt. Sie bringen Botschaften, die wir uns nicht selbst sagen können, Botschaften aus einer höheren Warte.

Eine Botschaft für die, die mehr von Gott erfahren wollen

11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
Vielleicht sind die offener für die Botschaft von der Nähe Gottes, die bereit sind, ihre Vorstellungen über Gott ein wenig auf den Kopf stellen zu lassen. Gott als Kind: schwach, hilflos, den Menschen ausgeliefert. Für philosophische Ohren zur Zeit des Evangelisten Lukas ein großer Unfug und Unsinn.
Der neue König in der Stadt Davids, auf deutsch in dem Kaff Bethlehem geboren? Natürlich werden die drei Weisen kurz darauf erst einmal in Jerusalem im Palast vorbeischauen. Aber sie lassen sich ent-täuschen im eigentlichen Sinn dieses Wortes: Sie haben sich getäuscht, als sie ganz selbstverständlich davon ausgegangen sind, der Retter müsse mit Pomp und Pracht im Königshaus geboren werden. Sie lernen, dass die Nähe Gottes nicht großmächtig und nicht spektakulär zu erfahren ist. Wer Gottes Nähe erleben will, muss sich runterbeugen können.
Und auch heute noch wäre manchem ein Gott lieber und einsichtiger, der endlich einmal mit Macht dreinschlägt, der den Finanzjongleuren ihre Gier spektakulär heimzahlt, der großspurige Politiker klein macht, einen afrikanischen Diktator vom Thron stößt, und mit einem Schlag den Hunger auf der Welt beseitigt.
Dass Gott so äußerlich schwach, so machtlos daherkommt an Weihnachten, das macht sich auf Bildern und Krippendarstellungen recht lieblich und idyllisch, aber es ist und bleibt eine Anfechtung.
Dass Gott nicht auftrumpfen will an Weihnachten, dass er klein und scheinbar hilflos und machtlos auftritt, das müssen wir alle Jahre wieder neu durchdenken und zu verstehen versuchen.

Eine Botschaft für die, die bereit sind, neue Wege zu gehen

15 Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.
Vielleicht sind die offener für die Botschaft von der Nähe Gottes, die bereit sind, in ihrem Leben einmal etwas auszuprobieren, aufzubrechen, einen neuen Weg zu gehen.
Die Hirten hätten die Achseln zucken können: Gott ein Mensch? Der Retter der Welt in einem Stall? Wie soll jemand, der noch schwächer ist als wir, unser Heiland sein? Wie soll der helfen können?
Nein, sie machen sich auf den Weg. Sie gehen … und finden. Wer nicht geht, wer innerlich zu Hause bleibt, wer nicht sucht, wer nicht bereit ist, sich überraschen zu lassen … wie will der finden?
Und so gehört beides zusammen: Im Gottesdienst mit den Hirten symbolisch zur Krippe gehen, aber auch im Leben neue Schritte zu Gott hin machen.

Eine Botschaft für die, die bereit sind, mit dem Herzen zu sehen

18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.
Vielleicht sind die offener für die Botschaft von der Nähe Gottes, die mit sich selber Geduld haben bei Fragen des Glaubens: Da ist halt manches ganz einfach un-glaublich, schwer zu glauben, schwer zu begreifen, verwunderlich. Damals schon wundern sich viele, hören wir. Und auch Maria begreift nicht gleich. Aber sie ist bereit, sich damit auseinanderzusetzen. Sie bewegt es in ihrem Herzen. Sie lässt es ganz nah an sich rankommen. Sie beschäftigt sich nicht nur mit dem Kopf damit, sondern mit dem Herzen. Sie geht längere Zeit damit schwanger. Mit einem modernen Wort: Sie meditiert es. Sie lässt es gären. Sie hat Geduld. Es gibt beim Glauben nicht immer die schnellen Ergebnisse.
Die Weihnachtsbotschaft als die Botschaft von der Nähe Gottes will offenbar weniger mit dem Kopf als mit dem Herzen, weniger mit der Vernunft als mit dem Gefühl begriffen und verstanden werden. Weihnachten rührt unsere Sehnsüchte an, unsere Gefühle, tiefe und verborgene Schichten unserer Person, die im Alltag oft zu kurz kommen. Lassen wir es zu! Öffnen wir uns doch!

Gott ist im Fleische: wer kann dies Geheimnis verstehen? Hier ist die Pforte des Lebens nun offen zu sehen. Gehet hinein, eins mit dem Kinde zu sein, die ihr zum Vater wollt gehen.
Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de