Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 7. März 2004 (Reminiscere):
»Die Tür ist offen«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 2. Sonntag der Passionszeit (Reminiscere). Sein Thema ist das „Für uns“ des Todes Jesu. Evangelium dieses Sonntags ist das Gleichnis von den bösen Weingärtnern. Epistel und Predigttext (s.u.) war ein Abschnitt aus dem Römerbrief Kapitel 5:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
1 Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; 2 durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird. 3 Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, 4 Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, 5 Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.
Predigt
Aktuelle Predigten

Gesamtübersicht der Predigten

Stichwortverzeichnis
zu den Predigten

Die Predigt

Wer lässt sich schon gerne etwas schenken?

Es war bei einem Besuch zum Geburtstag. Der Name tut nichts zur Sache. Das Ganze hätte sich auch woanders zutragen können: Nach dem 34.
Telefonanruf durfte ich das Blatt sehen, auf dem fein säuberlich notiert war, wer alles im Laufe des Vormittags schon telefonisch gratuliert hatte. Schön, wenn man nicht vergessen wird! Aber notiert wurden die Anrufe auch, weil man ja seinerseits dann auch zum Geburtstag dort anrufen muss und niemanden vergessen darf. – Leistung und Gegenleistung. Es ist gar nicht so leicht, sich einfach etwas schenken zu lassen!

Oder kennen Sie das: Sie helfen jemand mit einer Kleinigkeit aus. Ganz spontan. Ganz selbstverständlich. Von Herzen. Sie haben es schon wieder vergessen. Und dann steht der Mensch ein paar Tage später vor der Tür mit einem Riesengeschenk, um sich zu revanchieren. Am liebsten möchte man es gar nicht annehmen. Es ist ja eigentlich viel zu viel im Vergleich zu der Kleinigkeit, die man selber getan hat.

Es ist gar nicht so leicht, sich einfach von Herzen etwas schenken zu lassen. Gleich sinnen wir auf eine Gegenleistung. Und mancher seufzt
im Stillen: Schenk' mir lieber nichts, dann bin ich auch zu nichts verpflichtet.

Rechtfertigung: Sich von Gott etwas schenken lassen

So schwer es ist, sich von Menschen etwas schenken zu lassen, einfach so, mit offenem Herzen, wie ein Kind – so schwer ist es auch, sich von Gott etwas schenken zu lassen. Ja, vielleicht noch unendlich schwerer, denn wie wollte man sich denn bei seinem Schöpfer revanchieren?
Doch genau das betont der Apostel Paulus als Grund unseres Glaubens: Gott schenkt es uns, dass wir mit ihm im Reinen sind. Wir können es uns nicht verdienen. Das ist das Geheimnis dessen, was die Theologen "Rechtfertigung" nennen. Gott schenkt es uns. Und das einzige, was wir dazu tun müssen, ist ja und danke sagen dazu, und glauben, dass er es gut meint. Das ist Glauben: Es sich einfach gefallen lassen und sich von Herzen etwas schenken lassen.
Nicht deswegen ist, so vermute ich, der Glaube für viele so schwer, weil man besondere Leistungen an guten Taten und tätiger Liebe bringen müsste. Nein, deswegen ist Glaube so schwer, weil man sich als Mensch so schwer etwas schenken lässt. So auf die Art: So einfach soll das mit dem Glauben sein? Einfach ja sagen? Das kann doch nicht sein. Im Leben wird mir ja auch nichts geschenkt.

Und doch kann man diese Verse des Apostels Paulus aus dem Brief an die Gemeinde in Rom nur so verstehen:

1 Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus; 2 durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird. 3 Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, 4 Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, 5 Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.

Es ist Frieden

1 Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.
Wir sind gerecht geworden. Wir haben Frieden. "Basta", möchte man sagen. "Punktum. Kein Aber. Keine Diskussion." Lass es dir ganz einfach gefallen. Sonst brauchst du gar nicht weiterlesen.
Es ist Frieden. Auch wenn in uns vielleicht gar kein Frieden ist, sondern Zweifel, Fragen, Protest, innere Unruhe. Es ist Frieden von Gott her. Das Verhältnis zwischen Gott und uns ist in Ordnung gebracht, auch wenn das vielleicht in uns selber noch gar nicht Wirklichkeit geworden ist.
Es ist Frieden. Nicht weil wir so friedfertig wären, sondern weil Jesus durch seine konsequente Lebenshingabe und durch sein Sterben Frieden gemacht hat.

Die Tür steht offen

2 Durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade,
in der wir stehen.

Das ist die erste Konsequenz: Weil also nun Frieden ist, Frieden zwischen Gott und mir, weil durch Jesus die Barrieren niedergerissen sind, weil die Brücke geschlagen ist, haben wir nun auch einen direkten Zugang zu Gott: Er ist nicht wie eine Art himmlischer Generaldirektor, an den man erst herankommt, wenn man die Hürde einer ganzen Reihe von Sekretärinnen und Vorzimmerdamen überwunden hat. Die Tür steht offen und bleibt offen. Gehen aber müssen wir selber.

Einmal Frieden, immer Frieden

Wir rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.
Das ist die zweite Konsequenz: Einmal Frieden, immer Frieden. Nicht nur jetzt im Moment ist alles in Ordnung von Gott her. Für das ganze Leben ist alles in Ordnung. Die zukünftige Herrlichkeit: Wir können sie zwar noch nicht mit Händen greifen. Aber sie ist da. Sie liegt sozusagen postlagernd zum Abholen bereit, wenn es denn soweit ist.

Geistlicher Masochismus?

3 Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse,
weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, 4 Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, 5 Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden.

Bedrängnisse - Geduld - Bewährung - Hoffnung. Wie hängen diese vier zusammen? Wie gehen sie auseinander hervor?

"Wir" sagt der Apostel Paulus und meint zuallererst einmal sich selbst. Er weiß es und hat es am eigenen Leib erlebt: Alles ist in Ordnung. Es ist Frieden. Mit Gott ist alles klar. Und weil er genau das weiß, sieht er die
Schattenseiten seines Lebens in einem anderen Licht.
Dass er Frieden mit Gott hat, lässt sich ja nicht vordergründig an einem sorgenfreien Leben ablesen. Und auch umgekehrt: Wenn jemand alles
hat inklusive Geld und Gesundheit, muss er noch lange nicht Frieden im Herzen und mit Gott haben. Es gibt, so übersetzt Martin Luther, "Bedrängnisse" trotz dieses Friedens mit Gott. Bedrängnisse. Wir würden vielleicht sagen: Anfechtungen, Krisen, Herausforderungen, Rückschläge.
Wie kann sich aber nun ein Mensch seiner Bedrängnisse rühmen? Sie als gegeben annehmen, ja, aber rühmen? Ist das nicht ein Fall für den
Psychiater? Vielleicht liegt darin der Schlüssel:

In Krisen reifen

"Wir rühmen uns", sagt Paulus, und meint erst einmal sich selbst, wie er in allen seinen Anfechtungen und Schwächen nur umso mehr die Kraft Gottes gespürt hat. Es ist ein einladendes, kein vereinnahmendes "wir": Überlege, ob du ähnliches erlebt hast, dass Herausforderungen, Anfechtungen und Krisen dich im Nachhinein gesehen geprägt, gestärkt und reifer gemacht haben.
Oder auch so: Wer weiß, dass Gott es gut mit ihm meint, lernt neu zu fragen: Er fragt nicht mehr nur: Warum? Warum muss gerade mir das
passieren? Sondern der fragt auch: Wozu? Wozu könnte es gut sein, dass mir das oder jenes begegnet?

Geduld lernen

Und dann, so Paulus weiter, kann eines aus dem anderen hervorgehen: Geduld – Bewährung – Hoffnung.
Bedrängnisse lehren einen Geduld. Wer ohne Bedrängnisse lebt – wenn es das überhaupt gibt – wird ungeduldig, kann nicht mehr warten, wird übermütig, wird fordernd, wird undankbar, will immer mehr und hat am Ende die Überzeugung, alles stehe ihm wie selbstverständlich zu.
Geduld aber kann warten. Geduld fordert nicht. Geduld lässt für das Kleine dankbar werden.

Sich bewähren

Und Geduld ihrerseits nun führt zu Bewährung: Was ist Bewährung? Im täglichen leben bewährt sich, wer seine Sache gut kann. Ein Handwerker, ein Beamter bewährt sich, wenn er durch Üben und Fortbilden seine Sache gut und immer besser macht. Ein Christ bewährt sich in seiner Lebensführung, indem er über Bedrängnisse, also über Herausforderungen, Rückschläge und Krisen nicht jammert und sich schmollend ins Schneckenhaus zurückzieht, sondern sie als Anstoß zum Reifen annehmen kann.

Hoffnung finden

Und wiederum: Solches Reifen, solche Bewährung erzeugt Hoffnung. Also: Wer einmal und dann öfter erlebt, dass man aus Herausforderungen geändert hervorgehen kann, bei dem wächst auch die Hoffnung, dass das auch bei noch kommenden unbekannten Herausforderungen so sein kann und wird. Wer erkannt hat, dass in Herausforderungen, in Krisen eine Chance verborgen liegen kann, der fürchtet sich vor solchen Knüppeln zwischen den Lebensbeinen nicht. Er sucht sie natürlich auch nicht. Das wäre geistlicher Masochismus. Aber er kann sie geduldig auf sich zukommen lassen.

Bedrängnisse - Geduld - Bewährung - Hoffnung. Nachdem Paulus diesen inneren Zusammenhang aufgezeigt hat, kommt er in seinem schriftgelehrten Gedankengang wieder auf den Anfang zurück. Was er am Anfang sagte: Wir haben Frieden mit Gott, das sagt er nun, wie eine Klammer um das Ganze, noch einmal mit anderen Worten:

Taufe und Abendmahl als Siegel des Friedens

Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.
Hinter diesem Bild vom Ausgießen der Liebe steht vermutlich die Erinnerung an die Taufe. Die Taufe, ein für allemal geschehen, nicht mehr rückgängig zu machen. Darauf kann Paulus die ihm unbekannten Leser und Hörer seines Briefes in Rom ansprechen. Die Taufe, sie ist das äußere Zeichen für das, was er hier geduldig und hartnäckig betont: Es ist Frieden. Frieden zwischen Gott und mir.
Die Taufe schafft Frieden. Das Abendmahl aber erinnert immer neu daran. Es lädt ein, in die ausgestreckte Hand Gottes einzuschlagen. Feiern Sie heute das Abendmahl als Erinnerung und Bestärkung der Botschaft, dass Gott Frieden gemacht hat. Und dieser Frieden, wenn Sie nur bereit sind, ihn sich schenken zu lassen, wird Sie verändern.

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de