"Christus
für dich" Mit den Konfirmanden sehe ich zur
Vorbereitung des Themas Abendmahl einen Film an.
Da feiern Jugendliche miteinander und geben
einander Brot und Wein weiter mit den Worten
"Christus für dich". Kürzer kann man
eigentlich das Evangelium, die gute Botschaft
nicht zusammenfassen. "Christus für
dich": für dich da in Brot und Wein, für
dich gestorben, Christus auf deiner Seite.
"ProChrist"
Von heute abend an
laden wir für eine Woche ins Gemeindehaus ein zu
"ProChrist". Das heißt auf deutsch:
"für Christus". Wir werden eingeladen,
für Christus zu sein: im Herzen, aber auch in
der Öffentlichkeit zu ihm zu stehen. Beides
gehört zusammen: "Christus für dich"
und "ProChrist". Keiner kann
"ProChrist" sein, wenn er nicht
persönlich erfahren hat, dass Christus für ihn,
auf seiner Seite ist. Warum erfahren das so viele
nicht? Warum kommen so viele ohne ihn aus und
brauchen ihn nicht?
Das ist eine alte
Frage, ein altes Leiden schon in den Evangelien.
Traurig schaut Jesus damals auf die Stadtund
klagt: Jerusalem, Jerusalem, die du tötest
die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt
sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln
wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt
unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt!
(Mt 23,37) Oder das Ende des heutigen Evangeliums
und Predigttextes: Und (die Pharisäer und
Schriftgelehrten) trachteten danach, ihn zu
ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem
Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin
dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn
und gingen davon.
Der
religiöse Betrieb muss laufen
Die
"Hohenpriester und Schriftgelehrten",
die typischen Gegner Jesu in den Evangelien. Wer
ist damit gemeint? "Die Hohenpriester."
Der Ausdruck des Markus ist ungenau. Es gab immer
nur einen Hohenpriester, einen obersten Priester
am Jerusalemer Tempel, zumindest nur einen im
Amt. Doch der Vorgänger konnte noch am Leben
sein. "Die Hohenpriester", das ist eher
pauschal gemeint: die religiösen Funktionäre,
der Klerus. Die Pfarrerschaft, würde heute
jemand pauschal sagen, wenn er etwas gegen
Pfarrer hätte. Warum waren sie nicht
"ProChrist", warum waren sie Gegner
Jesu - und umgekehrt? Es lag ihnen am Herzen,
dass der religiöse Betrieb am Tempel ungestört
laufen konnte. Und dazu gehörten auch Dinge wie
der Opfertierverkauf, Wechselstuben zum
Umwechseln der Währung der Pilger in die
Tempelwährung, Andenkenläden, Verpflegung und
Übernachtung für die auswärtigen Pilger. Kurz,
alles, was man auch heute an einem großen
Wallfahrtsort findet. Die Erzählung von der
Tempelreinigung zeigt, dass Jesus dieser ganze
fromme Betrieb sehr suspekt war. Er sah, dass
über dem ganzen Brimborium das Eigentliche bei
vielen verloren ging. Ähnlichkeiten zu Martin
Luther und seiner Kritik an der mittelalterlichen
Kirche sind da.
Ruhe ist
die erste Bürgerpflicht
Zum anderen
gehörten die Priester zur politischen und zur
gesellschaftlichen Oberschicht. Und diese
Oberschicht versuchte, auch unter der römischen
Besatzung sich so viel Freiheiten und so viel
Einfluß wie möglich zu bewahren. So lag ihnen
natürlich am Herzen, dass Ruhe im Land und unter
dem Volk war. Solange Ruhe war, hatten die Römer
keinen Grund einzugreifen und ließen sie
weitgehend in Ruhe. Jesus aber brachte gerade
Unruhe ins Volk. Er nährte bei den
Unterdrückten die Hoffnung: Glaubenshoffnung
aber auch politische Hoffnungen.
Jesus und
die Schriftgelehrten
Und die zweite
Gruppe, die Schriftgelehrten, die Rabbinen, die
hatten eine Aufgabe wie heute die Religionslehrer
und die Pfarrer. Sie legten den Menschen die
Bibel aus und achteten streng auf die richtige
Einhaltung des Glaubens. Auch sie waren in ihrer
Mehrheit nicht "ProChrist", sondern
Gegner Jesu. Vor allem waren sie seine Gegner,
weil Jesus den Anspruch erhoben hat, dass Gott
selber in ihm redet.
Ihnen allen, der
Priesterschaft, der Oberschicht und den
Schriftgelehrten, allen, die nicht für, sondern
gegen ihn arbeiteten, gilt dieses Gleichnis, das
Jesus erzählt. Und er erzählt es so, dass sie
merken müssen: Wir sind gemeint mit diesen
Mördern, die erst die Knechte des
Weinbergsbesitzers schlagen und verjagen und
zuletzt noch seinen Sohn umbringen. Und sie
trachteten danach, ihn zu ergreifen, denn sie
verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis
gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen
davon.
Wenn
jemand Verantwortung trägt
Der Weinberg, das
ist schon im alten Testament ein beliebtes Bild
für das Volk Gottes, für Gottes Menschen hier
auf der Erde. Gleich einem Weinbergsbesitzer hat
Gott sich sein Volk Israel ausgesucht und dann,
im Bild gesprochen, seinen Weinberg verpachtet:
der König, die Priester, die Schriftgelehrten,
alle die in der Gemeinschaft Verantwortung haben,
sind also in Gottes Auftrag für die Menschen
verantwortlich. Und wenn es so weit ist, müssen
sie Rechenschaft ablegen für sein Tun und
Lassen. Weil sie aber in Israels Geschichte mehr
ihren eigenen Vorteil als den Vorteil des Volkes
gesucht haben, sendet Gott seine Propheten. Sie
geißeln die Ungerechtigkeit zwischen arm und
reich, den Rechtsbruch durch die Mächtigen und
auch die heuchlerische Frömmigkeit. 2 Und er
sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den
Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern
seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs
hole. 3 Sie nahmen ihn aber, schlugen ihn und
schickten ihn mit leeren Händen fort. 5 Und er
sandte noch einen andern, den töteten sie; und
viele andere: die einen schlugen sie, die andern
töteten sie.
Gottes
letzter Versuch
Und nun, so sagt
es Jesus im Gleichnis, macht Gott so eine Art
letzten Versuch mit seinem Volk und v.a. mit den
Verantwortlichen im Volk. Er sendet das Letzte
und Wertvollste, was ihm geblieben ist, seinen
einzigen Sohn, um die Verantwortlichen nach ihrer
Rechenschaft zu fragen. Und wir erkennen in
diesem Bild unschwer Jesus selbst wieder, der -
wie es im Gleichnis heißt - am Ende dann
gegriffen, getötet und vor den Weinberg geworfen
wird, also außerhalb der Stadtmauern durch die
damals schändlichste Todesart sterben muss.
Wir
hätten es damals anders gemacht
Wir können eine
solche biblische Geschichte nicht hören, ja wir
können wohl keine Geschichte hören oder auch am
Fernsehen sehen, ohne dass wir uns heimlich
einordnen. Wir schlagen uns auf die eine oder
andere Seite - wenn es eine einfache Geschichte
ist, auf die Seite der Guten oder der Bösen. Wir
leben und leiden mit. Mit einem Fremdwort: Eine
Geschichte lädt zur Identifikation ein. Und da
wird genau diese Geschichte sehr gefährlich: Wir
stehen in der Gefahr, uns aufzuregen über die
bösen und halsstarrigen Führer des Volks
damals, die ihre Ohren vor Jesus und seinen
Worten verschließen. Wir stehen in der Gefahr,
den Kopf zu schütteln und zu sagen: "Wie
konnten sie nur! Ja, wenn wir damals gelebt
hätten, wir hätten es anders gemacht. wir
wären ProChrist gewesen und nicht gegen ihn. Wir
hätten nicht geschrien: Kreuzige, kreuzige! Wir
hätten nicht Angst gehabt wie Petrus, sondern
hätten uns öffentlich zu ihm bekannt."
Hätten wir
wirklich? Ich weiß es nicht, aber ich fürchte:
Wenn wir damals politische Verantwortung gehabt
hätten, hätten wir auch gesagt: "Schafft
ihn weg, damit Ruhe ist." Und wenn wir unter
dem Volk gewesen wären, hätte er wohl auch
unsere Hoffnungen enttäuscht. Wir stehen in
einer Geschichte nur ungern auf der Seite der
Bösen, auf der Seite der Kritisierten: Aber wie
oft mag Gott auch zu uns immer wieder Boten
gesandt haben, um uns auf ihn und auf unsere
Verantwortung aufmerksam zu machen? Und wie steht
es mit Gottes Bemühung, der auch dir und mir
sein Letztes, sein Wertvollstes angeboten hat,
seinen einzigen Sohn, also letztlich sich selbst?
Was bedeutet es für uns, dass Jesus - wie es im
Gleichnis heißt - der Eckstein geworden ist, der
Stein, ohne den ein Gewölbe zusammenfallen
würde. Bauen wir ihn ein in unser Lebenshaus
oder bauen wir ohne ihn?
Gott
streckt seine Hand aus
Ich sehe nur eine
Antwort auf diese Fragen: Wir müssen uns das
"Christus für dich" immer wieder neu
predigen lassen. Wir müssen das "Christus
für uns" immer wieder neu erfahren. Dazu
ist die Passionszeit im Kirchenjahr da. Dazu ist
auch die Aktion "ProChrist" da. Da
streckt Gott seine Hand nach uns aus.
|