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Die Predigt vom 16. März 2003 (2. Sonntag der Passionszeit):
»ProChrist – damals und heute«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 2. Sonntag der Passionszeit (Reminiscere). Evangelium und Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war das sog. Gleichnis von den bösen Weingärtnern. In der Epistel geht es darum, wie schwer es ist, sich etwas schenken zu lassen.
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
1 Und er fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. 2 Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole. 3 Sie nahmen ihn aber, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. 4 Abermals sandte er zu ihnen einen andern Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. 5 Und er sandte noch einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie. 6 Da hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn; den sandte er als letzten auch zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. 7 Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, laßt uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! 8 Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. 9 Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. 10 Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Psalm 118,22.23): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. 11 Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen«? 12 Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, daß er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.
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Die Predigt
"Christus für dich"

Mit den Konfirmanden sehe ich zur Vorbereitung des Themas Abendmahl einen Film an. Da feiern Jugendliche miteinander und geben einander Brot und Wein weiter mit den Worten "Christus für dich". Kürzer kann man eigentlich das Evangelium, die gute Botschaft nicht zusammenfassen. "Christus für dich": für dich da in Brot und Wein, für dich gestorben, Christus auf deiner Seite.

"ProChrist"

Von heute abend an laden wir für eine Woche ins Gemeindehaus ein zu "ProChrist". Das heißt auf deutsch: "für Christus". Wir werden eingeladen, für Christus zu sein: im Herzen, aber auch in der Öffentlichkeit zu ihm zu stehen. Beides gehört zusammen: "Christus für dich" und "ProChrist". Keiner kann "ProChrist" sein, wenn er nicht persönlich erfahren hat, dass Christus für ihn, auf seiner Seite ist. Warum erfahren das so viele nicht? Warum kommen so viele ohne ihn aus und brauchen ihn nicht?

Das ist eine alte Frage, ein altes Leiden schon in den Evangelien. Traurig schaut Jesus damals auf die Stadtund klagt: Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt! (Mt 23,37) Oder das Ende des heutigen Evangeliums und Predigttextes: Und (die Pharisäer und Schriftgelehrten) trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.

Der religiöse Betrieb muss laufen

Die "Hohenpriester und Schriftgelehrten", die typischen Gegner Jesu in den Evangelien. Wer ist damit gemeint? "Die Hohenpriester." Der Ausdruck des Markus ist ungenau. Es gab immer nur einen Hohenpriester, einen obersten Priester am Jerusalemer Tempel, zumindest nur einen im Amt. Doch der Vorgänger konnte noch am Leben sein. "Die Hohenpriester", das ist eher pauschal gemeint: die religiösen Funktionäre, der Klerus. Die Pfarrerschaft, würde heute jemand pauschal sagen, wenn er etwas gegen Pfarrer hätte. Warum waren sie nicht "ProChrist", warum waren sie Gegner Jesu - und umgekehrt? Es lag ihnen am Herzen, dass der religiöse Betrieb am Tempel ungestört laufen konnte. Und dazu gehörten auch Dinge wie der Opfertierverkauf, Wechselstuben zum Umwechseln der Währung der Pilger in die Tempelwährung, Andenkenläden, Verpflegung und Übernachtung für die auswärtigen Pilger. Kurz, alles, was man auch heute an einem großen Wallfahrtsort findet. Die Erzählung von der Tempelreinigung zeigt, dass Jesus dieser ganze fromme Betrieb sehr suspekt war. Er sah, dass über dem ganzen Brimborium das Eigentliche bei vielen verloren ging. Ähnlichkeiten zu Martin Luther und seiner Kritik an der mittelalterlichen Kirche sind da.

Ruhe ist die erste Bürgerpflicht

Zum anderen gehörten die Priester zur politischen und zur gesellschaftlichen Oberschicht. Und diese Oberschicht versuchte, auch unter der römischen Besatzung sich so viel Freiheiten und so viel Einfluß wie möglich zu bewahren. So lag ihnen natürlich am Herzen, dass Ruhe im Land und unter dem Volk war. Solange Ruhe war, hatten die Römer keinen Grund einzugreifen und ließen sie weitgehend in Ruhe. Jesus aber brachte gerade Unruhe ins Volk. Er nährte bei den Unterdrückten die Hoffnung: Glaubenshoffnung aber auch politische Hoffnungen.

Jesus und die Schriftgelehrten

Und die zweite Gruppe, die Schriftgelehrten, die Rabbinen, die hatten eine Aufgabe wie heute die Religionslehrer und die Pfarrer. Sie legten den Menschen die Bibel aus und achteten streng auf die richtige Einhaltung des Glaubens. Auch sie waren in ihrer Mehrheit nicht "ProChrist", sondern Gegner Jesu. Vor allem waren sie seine Gegner, weil Jesus den Anspruch erhoben hat, dass Gott selber in ihm redet.

Ihnen allen, der Priesterschaft, der Oberschicht und den Schriftgelehrten, allen, die nicht für, sondern gegen ihn arbeiteten, gilt dieses Gleichnis, das Jesus erzählt. Und er erzählt es so, dass sie merken müssen: Wir sind gemeint mit diesen Mördern, die erst die Knechte des Weinbergsbesitzers schlagen und verjagen und zuletzt noch seinen Sohn umbringen. Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.

Wenn jemand Verantwortung trägt

Der Weinberg, das ist schon im alten Testament ein beliebtes Bild für das Volk Gottes, für Gottes Menschen hier auf der Erde. Gleich einem Weinbergsbesitzer hat Gott sich sein Volk Israel ausgesucht und dann, im Bild gesprochen, seinen Weinberg verpachtet: der König, die Priester, die Schriftgelehrten, alle die in der Gemeinschaft Verantwortung haben, sind also in Gottes Auftrag für die Menschen verantwortlich. Und wenn es so weit ist, müssen sie Rechenschaft ablegen für sein Tun und Lassen. Weil sie aber in Israels Geschichte mehr ihren eigenen Vorteil als den Vorteil des Volkes gesucht haben, sendet Gott seine Propheten. Sie geißeln die Ungerechtigkeit zwischen arm und reich, den Rechtsbruch durch die Mächtigen und auch die heuchlerische Frömmigkeit. 2 Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole. 3 Sie nahmen ihn aber, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. 5 Und er sandte noch einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie.

Gottes letzter Versuch

Und nun, so sagt es Jesus im Gleichnis, macht Gott so eine Art letzten Versuch mit seinem Volk und v.a. mit den Verantwortlichen im Volk. Er sendet das Letzte und Wertvollste, was ihm geblieben ist, seinen einzigen Sohn, um die Verantwortlichen nach ihrer Rechenschaft zu fragen. Und wir erkennen in diesem Bild unschwer Jesus selbst wieder, der - wie es im Gleichnis heißt - am Ende dann gegriffen, getötet und vor den Weinberg geworfen wird, also außerhalb der Stadtmauern durch die damals schändlichste Todesart sterben muss.

Wir hätten es damals anders gemacht

Wir können eine solche biblische Geschichte nicht hören, ja wir können wohl keine Geschichte hören oder auch am Fernsehen sehen, ohne dass wir uns heimlich einordnen. Wir schlagen uns auf die eine oder andere Seite - wenn es eine einfache Geschichte ist, auf die Seite der Guten oder der Bösen. Wir leben und leiden mit. Mit einem Fremdwort: Eine Geschichte lädt zur Identifikation ein. Und da wird genau diese Geschichte sehr gefährlich: Wir stehen in der Gefahr, uns aufzuregen über die bösen und halsstarrigen Führer des Volks damals, die ihre Ohren vor Jesus und seinen Worten verschließen. Wir stehen in der Gefahr, den Kopf zu schütteln und zu sagen: "Wie konnten sie nur! Ja, wenn wir damals gelebt hätten, wir hätten es anders gemacht. wir wären ProChrist gewesen und nicht gegen ihn. Wir hätten nicht geschrien: Kreuzige, kreuzige! Wir hätten nicht Angst gehabt wie Petrus, sondern hätten uns öffentlich zu ihm bekannt."

Hätten wir wirklich? Ich weiß es nicht, aber ich fürchte: Wenn wir damals politische Verantwortung gehabt hätten, hätten wir auch gesagt: "Schafft ihn weg, damit Ruhe ist." Und wenn wir unter dem Volk gewesen wären, hätte er wohl auch unsere Hoffnungen enttäuscht. Wir stehen in einer Geschichte nur ungern auf der Seite der Bösen, auf der Seite der Kritisierten: Aber wie oft mag Gott auch zu uns immer wieder Boten gesandt haben, um uns auf ihn und auf unsere Verantwortung aufmerksam zu machen? Und wie steht es mit Gottes Bemühung, der auch dir und mir sein Letztes, sein Wertvollstes angeboten hat, seinen einzigen Sohn, also letztlich sich selbst? Was bedeutet es für uns, dass Jesus - wie es im Gleichnis heißt - der Eckstein geworden ist, der Stein, ohne den ein Gewölbe zusammenfallen würde. Bauen wir ihn ein in unser Lebenshaus oder bauen wir ohne ihn?

Gott streckt seine Hand aus

Ich sehe nur eine Antwort auf diese Fragen: Wir müssen uns das "Christus für dich" immer wieder neu predigen lassen. Wir müssen das "Christus für uns" immer wieder neu erfahren. Dazu ist die Passionszeit im Kirchenjahr da. Dazu ist auch die Aktion "ProChrist" da. Da streckt Gott seine Hand nach uns aus.

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de