Predigt
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Lebt
in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat.
Kommt Ihnen dieser Vers aus dem heutigen Predigttext
bekannt vor? Es ist die Jahreslosung dieses Jahres 1998.
Ich habe sie am Neujahrstag ausgelegt. Weil da
naturgemäß nicht allzu viele Gemeindeglieder hier
gewesen sind, hier noch einmal zwei Gedanken aus der
damaligen Predigt:
Eigentlich müßte man den Vers umdrehen: Christus hat
uns geliebt. Also lebt in der Liebe. Den ersten Schritt
hat Gott getan, und erst dann wartet er auf unseren. Er
tut damit etwas, was wir uns ja auch unter Menschen
erhoffen: Er geht uns mit gutem Beispiel voran. Deswegen
beginnt der Abschnitt mit der Einladung: So folgt nun
Gottes Beispiel als die geliebten Kinder.
Und die zweite Erinnerung an die damalige Predigt:
"Lebt in der Liebe." Ist das nicht ein schönes
Bild? Als Christ in der Liebe leben, wie ein Fisch im
Wasser, wie ein Vogel in der Luft, wie eine Laus im Pelz.
Die Liebe könnte das Element sein, das uns hält und
trägt. Leben wir in unserem Element? Und wie tun wir
das? Wie könnte
ein Leben nach dieser Jahreslosung "Lebt in der
Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat." in
der Praxis aussehen? Was könnte es praktisch heißen, in
der Liebe zu leben, anderen mit Liebe zu begegnen? Ich
lese diese Worte aus dem Epheserbrief als eine Art Ausle-
gung dazu.
Als erstes lese ich: Liebe
bedeutet Hingabe. Liebe kann hergeben und loslassen.
Liebe opfert sich im Zweifelsfall sogar auf. Mit der
Begründung: Christus hat sich selbst für uns gegeben
als Gabe und Opfer.
Liebe ist also das Gegenteil von Egoismus, der mit sich
selber zufrieden ist und niemand anderen braucht. Liebe
gibt. Das Symbol der Liebe ist die Hand, die sich anderen
entgegenstreckt, und nicht die Hand, die sich hinter den
Rücken zurückzieht. Das Symbol der Liebe ist die
offene, gebende Hand und nicht die geschlossene oder zur
Faust geballte. Doch Liebe gibt nicht nur etwas. Liebe
gibt sich auch selber. Liebe gibt sich hin. Liebe
verschenkt sich an jemand anders. Das gilt so am
deutlichsten in der ehelichen Liebe. Hoffentlich nicht
nur körperlich, sondern auch seelisch und geistig.
Lebt in der Liebe. Lebt die Liebe. Setzt sie in die Tat
um. Der Schreiber des Briefes verdeutlicht das weiterhin,
indem er drei der uns bekannten Zehn Gebote auslegt: Von
Unzucht aber und jeder Art Unreinheit soll bei euch nicht
einmal die Rede sein. Das sollt ihr wissen, daß kein
Unzüchtiger oder Unreiner - das sind Götzendiener - ein
Erbteil hat im Reich Christi und Gottes.
Harte Worte. Aber letztlich nicht härter als ihr
alttestamentliches Original: "Du sollst nicht
ehebrechen." Liebe, gelebte Liebe ist, dem eigenen
Ehepartner nicht untreu zu werden und auch die Ehe eines
anderen Menschen zu respektieren und nicht in sie
einzubrechen.
Unzucht. Im Neuen Testament steht dafür das griechische
Wort "porneia", das wir als die erste Hälfte
des Wortes Pornographie kennen. Was ist Unzucht, was ist
Porno auf deutsch? Unzucht ist, wenn jemand mit dem
Gottesgeschenk der Sexualität lieblos und unmenschlich
umgeht. Dazu zählt die Untreue, ob nun innerhalb einer
rechtlich geschlossenen Ehe oder auch außerhalb. Dazu
zählt, wenn jemand sexuell zu einer Sache oder einem
Objekt erniedrigt wird. Dazu zählt, wenn ein Nein nicht
akzeptiert, sondern als eine angebliche heimliche
Aufforderung mißverstanden wird.
Warum ist nun jemand, wie es hier steht, in einem solchen
Fall ein Götzendiener? Vielleicht, weil ihm sein
Sexualtrieb zum Götzen geworden ist, weil er sich
zügellos von ihm bestimmen und treiben läßt.
"Alles, woran du dein Herz hängst, das ist dein
Gott." sagt Martin Luther in einer Auslegung des 1.
Gebotes. Mit dem 6. Gebot wird auch das 1. Gebot ver-
letzt. Indem jemand die Grenze der sexuellen
Selbstbestimmung überschreitet, will er den anderen zu
seinem Besitz machen, den anderen, der doch nie sein
Besitz sein kann, weil er allein Gott, seinem Schöpfer
gehört.
Und dann das nächste: Von
Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein.
Das siebte Gebot: "Du sollst nicht stehlen."
Also: Liebe, gelebte Liebe ist, das Eigentum deines
Mitmenschen zu achten, dich zufrieden zu geben mit dem,
was du dir ehrlich erworben hast. Habsucht. Vielen ist
gar nicht mehr bewußt, daß darin das Wort Sucht steckt.
Wir reden von Alkoholsucht, von Drogensucht, von
Medikamentensucht, von Spielautomatensucht, von Eßsucht.
Wir reden von Sucht, wenn jemand bei seinen Gewohnheiten
nicht mehr sein eigener Herr ist, wenn jemand keine
Grenzen mehr kennt, wenn jemand das Aufhören und die
Dosierung nicht mehr selber steuern kann. Und so kann
auch das Haben zur Sucht werden: zum Habenwollen, zum
Immer-mehr- haben-wollen, das keine Grenzen und damit
auch keine Zufriedenheit mehr kennt.
Und nun noch ein drittes
Gebot: Auch schandbare und närrische oder lose Reden
stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung.
Dahinter verbirgt sich ein recht verstandenes 8. Gebot:
"Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen
Nächsten." Damit ist ja nicht nur die falsche
Zeugenaussage vor Gericht gemeint. Nicht nur die bewußte
Unwahrheit in gesprochener, geschriebener oder in den
Medien gezeigter Form. Nein, es geht um die vielfältigen
Möglichkeiten, wie unsere Zunge, unsere Worte Schaden
anrichten können. Liebe, im Alltag gelebte Liebe ist,
sich der Macht der eigenen Worte bewußt zu werden.
Schändliche, närrische oder lose Reden, wie es hier
heißt, sind im allgemeinen Reden, wo einer sich auf
Kosten anderer hervortun will: Reden über andere
Menschen, die nicht da sind und sich nicht verteidigen
können. Weitergeben von Gerüchten, deren Wahrheit wir
nicht überprüft haben. Zoten über das andere
Geschlecht, die man in Gegenwart des eigenen Partners
normalerweise nicht in den Mund nehmen würde. Parolen
oder Witze über Menschen anderer Nationalitätande- rer
Hautfarbe, anderer Religion oder Parteizugehörigkeit.
Reden, durch die sich in den meisten Fällen jemand vor
seinen Zuhörern groß tun will.
Und noch eine zweite Gefahr wird genannt: Die Gefahr,
daß dauernd nur gejammert und nicht mehr gedankt wird.
Vielleicht entdecken Sie es an sich selber. Vielleicht
kennen Sie entsprechenden Menschen. Man kann nicht mit
ihnen ins Gespräch kommen, ohne daß sie irgendwann zu
jammern beginnen: Über die heutige Zeit allgemein. Über
das, was ihnen fehlt. Über andere Menschen. Und dann
fällt Ihnen, wenn Sie sich selbst dabei erwischen,
vielleicht ein, wieviel Grund Sie auch zu Dankbarkeit
haben. Oder Sie denken sich, wenn es um einen anderen
Menschen geht: Kann der den dies oder jenes gar nicht
mehr se hen? Weiß der nicht, wie gut es ihm eigentlich
geht?
Als Zusammenfassung dieser
drei Gebote: Liebe, im Alltag gelebte Liebe ist also nach
den Worten dieses Abschnitts letztlich, den Menschen als
Mitgeschöpf anzusehen, seine Grenzen zu respektieren und
sie nicht zu überschreiten: Die Grenzen seiner
Sexualität, die Grenzen seines Eigentums, die Grenzen
der Wahrheit und seines guten Rufes.
Das Gegenteil eines solchen Lebens, das das Licht nicht
zu scheuen braucht, ist das unselbständige Leben als
Mitläufer, heißt es hier:
Laßt euch von niemandem verführen mit leeren Worten.
Seid nicht ihre Mitgenossen.
Kann man hier nicht ganz deutlich die heutige Zeit
entdecken: Die vielen Versuchungen, denen vor allem
Jugendliche ausgesetzt sind. Die vielen leeren Worte vor
allem in den Medien, mit denen Menschen geködert werden
sollen. Billige Versprechungen, mit denen man
hinterlistig die Angel auswirft, nicht um die Menschen zu
füt- tern, sondern um sie zu fangen. "Laßt euch
von niemandem verführen mit leeren Worten." Laßt
euch nicht einfangen. Laßt euch nicht einlullen. Laßt
euch nichts vormachen. Es geht ihnen nicht um euer Wohl,
sondern um ihren eigenen Geldbeutel.
Und damit schließt das Ganze: Wer so lebt oder zu leben
versucht, der lebt als Kind des Lichts. Also: Der braucht
nichts zu verbergen. Der braucht sich nicht zu
verstecken. Der kann sich sehen lassen. Der gibt anderen
ein leuchtendes Beispiel. Der macht es bei ihnen
vielleicht auch ein wenig heller. Und das hat die Welt um
uns herum bitter nötig. Amen
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