Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 25. April 2004 (Konfirmationsjubiläum):
»Wir brauchen wieder Führer«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 2. Sonntag nach Ostern. Er trägt den Namen Misericordias Domini (Die Barmherzigkeit des Herrn). Sein Thema ist das Bild vom guten Hirten für Gott und Jesus. Evangelium dieses Sonntags ist die Selbstdarstellung Jesu als des guten Hirten. Epistel und Predigttext (s.u.) war ein Abschnitt aus dem 1. Petrusbrief Kapitel 2 über Jesus als den guten Hirten. An diesem Sonntag wurde die Goldene und Silberne Konfirmation begangen.
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
21 Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen; 22 er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; 23 der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet; 24 der unsre Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. 25 Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.
Predigt
Aktuelle Predigten

Gesamtübersicht der Predigten

Stichwortverzeichnis
zu den Predigten

Die Predigt

Der Herr ist mein Hirte

"Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln." Das ist wohl eines der bekanntesten Bibelworte. Und der ganze Psalm 23 vom guten Hirten ist wohl das biblische Stück, das als Gebet am häufigsten auswendig gelernt wurde. Sie, die Goldenen und Silbernen Konfirmanden haben es vermutlich damals auch gelernt. Und viele Generationen vor Ihnen haben das getan. Und auch heute noch lernen Konfirmanden diese Worte. Gott, mein Hirte: Er führt mich auf dem rechten Weg. Er führte mich zum frischen Wasser. In finsteren Tälern ist er an meiner Seite. Diese Bilder sprechen offenbar an. Sie geben Menschen Mut.

Geführt werden wie Schafe?

Und doch ist es verwunderlich, dass dieser Psalm vom guten Hirten so beliebt ist, wenn man einmal etwas näher hinschaut: Gott ist mein Hirte: Bin ich dann sein Schaf? Ein dummes Schaf gar? Ein Schaf unter vielen?
Gott ist mein Hirte: Nicht alle Menschen wollen geführt werden. Geführt wie die Schafe, die keinen Schritt allein gehen können. Mit Führern haben die Deutschen schlechte Erfahrungen gemacht.
Und: Ist das Bild noch aktuell? Wann sieht man noch einen Hirten heutzutage? Wer weiß denn, was ein Hirte, ein Schäfer zu tun hat? Auf den typischen Darstellungen sieht das so idyllisch aus, so friedlich. Aber genau das war nicht gemeint, als man im Alten Testament Gott mit
einem Hirten verglichen hat und im Neuen Testament Jesus:

Hirten damals

Ein Schaf- und Ziegenhirte in Israel hatte einen harten Job, um den sich niemand gerissen hat. Dauernd in der heißen Sonne unterwegs. Auf
der Suche nach jedem grünen Fleckchen. Meilenweit bis zur nächsten Wasserstelle. Steinige und steile Wege im Gebirge. Wilde Tiere bis hin zu Löwen. Und dann noch die große Verantwortung, dass die meisten Tiere gar nicht ihm gehörten, sondern ihm anvertraut waren. Kein Abenteurer, kein Faulenzer, sondern einer, auf den man sich durch und durch verlassen konnte.

Ein weiterer Text über diesen guten Hirten, einer, der nicht so bekannt ist, ist die Epistel des heutigen Hirtensonntags. Im 1. Petrusbrief wird Jesus mit einem Hirten verglichen. Und wieder in aller Deutlichkeit: Jesus ist Hirte, ist glaubwürdige Leitfigur deswegen, weil er den Ernst des Lebens kennt. Er ist Leitfigur, weil er nicht wie andere Führer seine Leute vorausschickt, sondern selber den Weg vorausgeht. So heißt es dort in Erinnerung an Passion und Ostern:

21 Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen; 22 er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; 23 der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet; 24 der unsre Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. 25 Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.

Gute und schlechte Führer

Hirte und Bischof. Wie passt beides zusammen? Wenn man "Bischof" hört, denkt man zuerst an die katholischen Bischöfe. Und man denkt nicht immer nur an Gutes. Von der Grundbedeutung des Wortes her war ein Bischof damals vor 2.000 Jahren einer, der Verantwortung hatte und wahrnahm für Gemeinden und Gemeindeleiter. Einer, der sich um die kümmerte, die ihm anvertraut waren.

Noch einmal zurück zum Anfang: Wer will schon gerne ein Schaf sein? Wer will schon gerne dauernd gezeigt kriegen, wo es langgeht? Wer will wieder einen Führer? Aber dennoch: Einer, der Zeit für einen hätte. Einer, der einem zuhört. Einer, der sich um einen kümmert. Einer, der einem einen Rat gibt, wenn man sich zwischen verschiedenen Wegen entscheiden muss. Wäre so einer nicht trotzdem gut? Ein Führer im guten Sinn. Ein Führer, der sich nicht als Ver-führer entpuppt.

Auf der Suche nach Orientierung

"Denn ihr wart wie die irrenden Schafe." Wer wäre nicht manchmal wie ein Schaf, das sich verirrt hat: kopflos, ratlos, durcheinander, ohne Ziel, ohne Richtung, ohne Perspektive. Immer komplizierter und unüberschaubarer wird die Welt.
Wenn es Euch so oder ähnlich geht, hin und wieder wenigstens, und wenn ihr dann Orientierung, Leitung und Wegweisung sucht, dann - so sagt Petrus in seinem Brief - dann hätte ich was für euch. Ich hätte einen, auf den man sich verlassen kann und der vor allem glaubwürdig ist.
Und dann erzählt er von Jesus von Nazareth. Und er beschreibt ihn als einen, der den Weg gezeigt hat. Ja noch mehr: Er hat diesen Weg nicht nur gezeigt wie ein Wegweiser, der stehen bleibt und die Richtung angibt, sondern er ist den Weg vorausgegangen. Seinen Fußtapfen, seinen Spuren, seinem Vorbild könnt ihr nachgehen.
Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass
ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen.


Wir brauchen Vorbilder

Vorbilder brauchen wir. Ohne Vorbilder geht es nicht. Ohne Vorbilder gibt es keine Erziehung. Und Kinder sehen genau hin. So genau, dass dann mancher später in seinen Kindern seine eigenen guten und weniger guten Eigenschaften wiederentdecken kann.
Was das menschliche Wesen angeht, ändert sich die Welt ja gar nicht sehr: Sie als Konfirmanden damals hatten vermutlich dieselben Probleme mit der Autorität wie heute. Mit der Autorität von Eltern, Pfarrern und Lehrern. Gegen Führer sind wir allergisch. Und vor allem gegen solche, die einen Weg zeigen, aber ihn nicht selber gehen.


Jesus: Ein Verlierer als Vorbild

Vorbilder aber, Idole, die gab es damals wie heute. Menschen, für die man schwärmt, an denen man sich ausrichtet. Und nun macht Petrus einen Leidenden zum Vorbild. Einen, der auf den ersten Blick mit seiner Aufgabe gescheitert ist, der sein Ziel nicht erreichte, einen "Loser", so würden manche heute neudeutsch sagen.
Aber doch gefällt mir dieser angefochtene und verlassene Jesus als Vorbild besser als manches Idol der heutigen Zeit, denn er weiß etwas vom richtigen Leben. Die Welt der Sportidole, der Filmidole und der Kaiser- und Königshöfe ist nicht die richtige Welt. Es ist eine Scheinwelt der Sieger, der Reichen, der Erfolgreichen. Wir sind aber nicht dauernd Sieger. Wir sind nicht dauernd gesund und glücklich. Unser Leben ist Gesundheit und Krankheit, Freude und Niedergeschlagenheit, Gewinnen und Verlieren, Erfolg und Misserfolg.

Einer, der auch die dunklen Seiten des Lebens kennt, als Vorbild. Und das andere lässt auch aufhorchen: Einer, der sich ohne unsaubere Mittel durchsetzt:
Er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt.
Nicht betrügen, nicht schmähen, nicht drohen, sich nicht mit Gewalt durchsetzen wollen. Wandelt sich nicht auch in der Gesellschaft langsam etwas? Setzt sich nicht langsam die Erkenntnis durch, dass die kleinen und großen Betrügereien aufhören müssen, wenn wir wirtschaftlich auf die Beine kommen wollen. Sicher, ein großer Wirtschaftbetrüger oder ein begehrlicher Politiker wiegen so viel wie tausend kleine Steuersünder oder Schwarzarbeiter. Aber Betrug bleibt Betrug. Selbstbedienung bleibt Selbstbedienung. Ehrlich sein, geradlinig sein muss wieder "in" werden, und wenn man wie Jesus damit vielleicht von manchen ausgelacht wird. Aber wer damit nicht selber im Kleinen anfängt, verliert das Recht, über Politik oder Wirtschaft zu schimpfen.

Jesusgemäß leben

Der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er
litt.

Das ist eine Erinnerung an die Passion Jesu, an seine Gefangennahme, sein Verhör, seine Folterung. Wenn das doch mehr könnten: Das Böse nicht mit Bösem beantworten. Einen nervenden Nachbarn trotzdem immer wieder freundlich anlächeln. Den Arbeitskollegen nicht als Arbeitsplatzkonkurrenten betrachten. Dann hätte man das neue Fremdwort "Mobbing" nicht erfinden müssen. Dann würden die Gerichte nicht überschwemmt mit Nachbarschaftsstreitigkeiten über Gartenzwerge, die dem anderen den Hintern hinstrecken, oder Äpfeln, die auf die verkehrte Seite fallen.

Der unsre Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden.
Wie sagte es der vorherige Bundespräsident: ein Ruck müsste durchs Land gehen. Jawohl: ein Ruck hin zu einer Gesellschaft der Gerechtigkeit, zu einer Gesellschaft, die Wunden heilt in der Nachfolge und nach dem Vorbild dieses Jesus von Nazareth.

Wir brauchen wieder Führer

Wenn wir auch gebrannte Kinder sind in Deutschland, wir brauchen doch wieder Führer: Nicht Führer im alten Stil, sondern solche, die selber den Weg gehen, den sie anderen empfehlen. Nicht Führer, die Wasser predigen, und Wein trinken. Glaubwürdige Vorbilder und nicht Verführer. Führer nach dem Vorbild des Guten Hirten der Bibel. Und wir müssten selber im Kleinen unseren Teil dazu beitragen.

Herr, erwecke deine Kirche und fange bei mir an. / Herr, baue deine Gemeinde und fange bei mir an. / Herr, lass Frieden überall auf Erden
kommen, und fange bei mir an. / Herr, bringe deine Liebe und Wahrheit zu allen Menschen und fange bei mir an.
Amen

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de