Startseite | Impressum | Kontakt
predigt[e].de

Die Predigt vom 4. Mai 2003 (Misericordias Domini):
»Worte für Herz und Gemüt«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den 2. Sonntag nach Ostern (Misericordias Domini). Sein Thema ist Jesus, der gute Hirte. Evangelium und Predigttext dieses Sonntags (s.u.) war Jesu Rede vom guten Hirten aus Johannes 10. In der Epistel verweist der Petrusbrief auf Jesus, den guten Hirten.
Predigttext
Sie können Texte auch online nachlesen. Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
11 Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte läßt sein Leben für die Schafe. 12 Der Mietling aber, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verläßt die Schafe und flieht - und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie -, 13 denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe. 14 Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, 15 wie mich mein Vater kennt, und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe. 16 Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muß ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden. 27 Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; 28 und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. 29 Mein Vater, der mir sie gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus des Vaters Hand reißen. 30 Ich und der Vater sind eins.
Predigt
Aktuelle Predigten

Stichwortverzeichnis
zu den Predigten

Links zu anderen Predigtseiten

Die Predigt
Worte für viele Generationen

Was verbindet die Konfirmanden des vergangenen Sonntags mit ihren 14 Jahren mit Ihnen, den sog. Silbernen Konfirmanden mit Ihren fast 40 Jahren, und mit Ihnen, den sog. Goldenen mit Ihren ca. 65 Jahren. Es ist u.a. jener Psalm 23 vom Guten Hirten, der vorhin gebetet wurde. Sie alle haben ihn gelernt. (Wie gut, das konnten Sie vorhin heimlich überprüfen.) Auch die jetzigen Konfirmanden lernen ihn noch, wenn sie auch insgesamt weniger lernen als Sie früher.

Offenbar haben diese Psalmworte eine Kraft, die die Generationen übergreift, eine Kraft, die unabhängig ist vom Alter und von der Mode. Die Bilder und Worte dieses Psalms rühren Dinge in uns an, die nicht nur mit dem Kopf zu tun haben. Sie erreichen Herz und Gemüt. Man redet nicht viel darüber, aber man spürt es: Gott als der Hirte, der seine Menschen führt. Wer bräuchte nicht jemand, auf den er sich verlassen kann, eine Hand neben sich, nach der er greifen kann. Frisches Wasser. Erfrischung für die Seele. Der rechte Weg. Beistand in finsteren Tälern. Ein gedeckter Tisch. Liebevolle Zuwendung. Und es wird voll eingeschenkt. Wer bräuchte das alles nicht? Wer lässt sich das nicht gerne schenken?

Das biblische Bild vom Hirten

Und genauso ist Gott, sagt der Psalm. Doch es hat so ein Problem mit dem Bild von Gott als dem guten Hirten. Den Sinn eines Bildes verstehen wir nur richtig, wenn wir auch das Bild kennen. Aber wer weiß denn schon noch aus eigener Anschauung, was es mit einem Hirten, einen Schäfer auf sich hat? Und wenn, wer hat Einblick in seine tägliche Arbeit? Vermutlich sind deswegen viele heimlich geprägt von einem alten, lieblichen, oft kitschigen Hirtenbild aus der letzten Jahrhundertwende. Vielleicht kennen Sie das, was ich gerne als "Schlafzimmer-Christus" bezeichne: Jesus als schöner junger Mann, mit Bart, lockigem Haar, und über die Schulter gelegt ein weißes niedliches Schäflein.

Genau das hat Jesus nicht gemeint, als er sich selber als den guten Hirten bezeichnet hat. Jesus, der gute Hirte, das ist keine sentimentale oder romantische Sache, sondern eine ernste, ja geradezu todernste Angelegenheit: Der Hirte zur Zeit Jesu war in einer karstigen, eher lebensfeindlichen Landschaft unterwegs. Auf der Suche nach jedem einzelnen Grashalm und nach jedem einzelnen Tropfen Wasser. Er hatte täglich mit wilden Tieren, mit Dieben und Räubern zu tun, vor denen er seine Herde unter Einsatz seiner Gesundheit verteidigen musste. Kein Wunder, dass nicht nur für die Israeliten, sondern auch für die Nachbarvölker der Hirte zum Inbegriff für den verlässlichen Führer geworden ist. Kein Wunder, dass sich auch die Könige an diesem Bild messen lassen mussten.

Ein Hirte, wie er im Buch steht

11 Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. 12 Der Mietling aber, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht - und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie.

Der gute Hirte, also der Hirte an sich, der Inbegriff eines Hirten ist Jesus, indem er all das erfüllt, was man sich damals von einem Hirten erwartete. Ja, indem er es auf eine Weise erfüllte, wie man das von keinem menschlichen Hirten letztlich erwartet hat: Dass er nämlich, wenn es hart auf hart geht, sogar mit seinem Leben für die einsteht, die ihm anvertraut sind. Das Gegenteil davon ist der "Mietling", wie Martin Luther übersetzt, also der gemietete, der nur angestellte Hirte. Die Schafe gehören ihm nicht. Deswegen fühlt er keine Verantwortung und tut nur seinen Job.

Ob wir die rechte und die für uns passende Vorstellung von Gott haben, zeigt sich im allgemeinen dann, wenn es im Leben kritisch wird. Wenn es durch das finstere Tal geht, von dem der 23. Psalm auch spricht. "Ist dein Gott groß genug, wenn ..." heißt der Titel eines Büchleins. "Dein Gott", das ist nicht Gott allgemein, sondern deine persönliche Vorstellung von Gott – Gott, wie du ihn glauben kannst. Ist dein Gott groß genug, wenn du eine schwere Krankheit durchzustehen hast? Ist dein Gott groß genug, wenn du einen lieben Menschen hergeben musst? Ist dein Gott groß genug, wenn dir das Wasser bis zum Hals steht? Der von sich gesagt hat "Ich bin der gute Hirte", der ist groß genug. Der ist da, auch wenn das Tal noch so finster ist. Der bewährt sich in der Not. Nicht, indem er keine Not kommen lässt, sondern, indem er durchhilft.

So als wärest du der einzige auf der Welt

14 Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, 15 wie mich mein Vater kennt, und ich kenne den Vater.

Gott kennt mich. Er kennt jeden Einzelnen. Und mag es Menschen geben, die auf uns herabschauen oder uns belächeln – Gott kennt und akzeptiert uns. Und mag sich mancher vielleicht wie ein kleines Rädchen in einer großen Maschine fühlen – vor Gott ist er eine eigene und unverwechselbare Persönlichkeit. Ersetzbar und austauschbar, in einem Betrieb vielleicht oder in einer Mann­schaft – unersetzbar und unverwechselbar aber vor Gott.

Fragen Sie mich nicht, wie das geht, dass Gott dich und mich unter Milliarden von Menschen einzeln beachtet. Fragen Sie mich nicht, wie ein Schäfer – und da kommt dieser Gedanke ja her – es schafft, 200 Schafe, die für uns alle eins wie das andere aussehen, mit Namen auseinanderzuhalten. Verlassen Sie sich einfach ganz frech auf Martin Luthers Worte: Stelle dir vor, Gott nimmt dich so ernst, als seist du der einzige Mensch auf der Welt.

Verbindung aufnehmen

27 Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir.

Das ist nun der springende Punkt, den man nicht verschweigen darf: Damit man die Hilfe dieses guten Hirten, der auch in der Not nicht von der Seite weicht, erfahren kann, ist es nötig, den Kontakt zu ihm aufzubauen und zu vertiefen. Es kann keine Freundschaft durch dick und dünn halten, wenn sie nicht gepflegt wird. Es kann sich keiner in seinem Beruf auf das Gelernte verlassen, wenn er es nicht immer wieder einübt. Es kann die Hilfe Gottes in schlechten Zeiten nur erfahren, wer schon in guten Zeiten auf ihn hört, nach ihm fragt und ihm folgt.

Gott ist ganz gewiss keine knickrige alte deutsche Krämerseele, die erst hilft, wenn sie eine Vorleistung bekommen hat. Aber es könnte doch sein, dass Gott zwar nahe ist, doch das taube Ohr, das ungeschulte Auge und die unerfahrene Seele erfahren ihn nicht und fragen: "Wo bist du, Gott? Und warum lässt du das zu?"

Was es sonst noch zu sagen gäbe

Ich nehme die Kurve zum Schluss hin: Was müsste man nicht alles noch erzählen und auslegen, wenn man sich in die nächsten Verse dieses Evangelium vom guten Hirten hineinvertieft: Von der körperlichen und geistlichen Vorbereitung müsste man erzählen, die man braucht, um Gottes Stimme zu hören: Vom Rückzug in die Stille. Von Gebet und Meditation in dieser so lauten Zeit, wo die Stimme des guten Hirten vom alltäglichen Lärm verdeckt wird.

Von den falschen Hirten müssten man erzählen. Von den Mietlingen, die nur ihren Job tun und nicht mit ganzen Herzen bei den ihnen anvertrauten Menschen sind.

Die Ökumene dürfte man nicht vergessen, denn hier steht ja dieser zentrale Satz, dass eine Herde und ein Hirte sein sollen. Eine tiefe Wunde, in die jetzt wieder hineingebohrt worden ist durch den päpstlichen Hinweis, dass wir nicht gemeinsam Abendmahl feiern dürfen.

Mehrere Predigten könnten das noch werden. Vielleicht ein Anreiz für Sie, sich mit diesen Worten aus Johannes 10 heute oder in der kommenden Woche selbst noch einmal auseinanderzusetzen.

Der Schluss- und Höhepunkt

Schliessen und zubinden möchte ich mit dem Höhepunkt dieser Worte Jesu, dem Höhepunkt, dem nichts, aber auch gar nichts mehr hinzugefügt werden kann:

27 Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; 28 und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. 29 Mein Vater, der mir sie gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus des Vaters Hand reißen.

Was könnte man einem getauften und konfirmierten Menschen Größeres und Endgültigeres weitersagen als das: Keine Macht der Welt, nicht einmal der Tod, kann dich seiner Hand entreißen.

Ich steh in meines Herren Hand und will drin stehen bleiben; nicht Erdennot, nicht Erdentand soll mich daraus vertreiben. Und wenn zerfällt die ganze Welt, wer sich an ihn und wen er hält, wird wohlbehalten bleiben. Amen

nach oben

Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de