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Die Predigt vom 21. April 2002 (Silberne Konfirmation): »Auf der Suche«


Kirchenjahr

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  Die Evangelische Kirche beging den 3. Sonntag nach Ostern, Jubilate („Jauchzet“). Im Mittelpunkt des Gottesdienst stand aber die Silberne Konfirmation. Evangelium ist das Gleichnis Jesu vom Weinstock, Epistel ein Aufruf zur Gottes- und Nächstenliebe. Predigttext war die sog. Areopag-Rede des Paulus in Athen in der Apostelgeschichte Kapitel 17:

Predigttext

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  22 Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, daß ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. 23 Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt. 24 Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. 25 Auch läßt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. 26 Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, 27 damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. 28 Denn in ihm leben, weben und sind wir

Predigt

  Die Geschichte von Emil

Es war einmal ein kleiner Fisch. Der hieß Emil. Emil hatte von irgendwo her gehört, dass Fische zum Leben Wasser brauchen. Da er aber noch nie Wasser gesehen hatte, wollte er aufbrechen und es suchen. Und so schwamm Emil zu seinem Freund Dagobert, der Kaulquappe. „Was suchst du?“, fragte ihn Dagobert, die Kaulquappe. „Wasser!“, antwortete Emil. „Wasser“, sagte Dagobert, „gibt es hier nicht. Hier gibt es Steine und Muscheln, grüne und braune Algen, aber Wasser habe ich hier mein Lebtag noch nicht gesehen. Und ich bin schon ziemlich lange in der Gegend hier. Du musst zu Kuno, dem Wels, gehen. Der ist viel im Meer herumgekommen, und der weiß sicher, wo es Wasser gibt.“

Wie zeigt man Gott?

So machte sich also der kleine Fisch Emil auf und schwamm vorbei an Felsspalten, durch Höhlen, durch Schlingpflanzen, bis er zu der Höhle von Kuno kam, dem Wels mit dem dicken Kopf und dem breiten Schnurrbart. Ein dicker Kopf, ein breiter Schnurrbart und zwei gutmütige Fischaugen schoben sich hervor und fragten: „Was suchst du?“ „Guten Tag, Kuno“, antwortete Emil. „Ich bin schon lange unterwegs und suche das Wasser! Aber keiner kann es mir zeigen.“ „Das Wasser ist vor dir“, antwortete Kuno, der Wels. „Aber vor mir bist du doch!“ widersprach Emil, und er schaute noch ein bisschen nach rechts und nach links. Aber außer dem Eingang der Höhle und ein paar Muscheln konnte er nichts entdecken. „Das Wasser ist hinter dir“, sagte Kuno. Und als Emil sich umdrehte, sah er nichts als die blauschwarze Tiefe und einen Heringsschwarm, der entlangzog. „Ich verstehe dich nicht“, sagte der kleine Fisch Emil verzweifelt, „du willst mich wohl zum Narren halten.“ „Du bist noch sehr jung“, sagte gutmütig der alte Wels, „wenn du Wasser sehen willst, musst du zum großen Meeresschloss schwimmen. Dort wirst du den alten Wal Juno treffen. Aber pass auf, sei vorsichtig, es ist sehr gefährlich!“

Nach Luft japsen

Nun machte sich unser kleiner Fisch auf, um das große Meer zu suchen und den großen Wal Juno um Rat zu fragen. Sieben Tage und sieben Nächte schwamm er durch tiefe Meeresschluchten, bis er zu einem riesigen, grünbewachsenem Schloss kam. Die Pforte stand auf, und der kleine Fisch schwamm hindurch. Da sah er im weiten Bogen des Schlosses ein großes, schwarzes Ungeheuer mit Zähnen wie Gartenzäune und einem Bauch so breit wie ein Hoftor. Er erschreckte und wollte schon zurückstecken. Doch das Ungeheuer hatte ihn bereits gesehen. „Du bist Emil, der kleine Fisch, der das Wasser sucht? Ich habe schon auf dich gewartet.“ „Und wer bist du?“, fragte Emil vorsichtig. „Ich bin Juno, der Wal. Leg dich auf meinen Rücken. Ich werde dir zeigen, wie notwendig der Fisch das Wasser braucht! Lege dich nur ganz fest auf meinen Rücken.“ Und darauf begann der Wal, höher zu steigen und immer höher und immer schneller, dass es dem kleinen Fisch schwindlig wurde, bis der Wal schließlich aufgetaucht war und wie ein Berg aus dem Wasser ragte. So blieb er auf der Oberfläche liegen und rührte sich nicht. Dem kleinen Emil schien der Kopf zu zer­springen. Er zappelte auf dem Rücken des Wals, und es war ihm, als müsste er in der Sonne braten und sterben. „O, wenn ich doch im Wasser geblieben wäre!“ zuckte es ihm durch seinen kleinen Fischkopf – und dann konnte er sich an nichts mehr erinnern. Als er wieder aufwachte, lag er auf dem Grund des Meeres im großen Meeresschloss neben dem Wal Juno. „Na, weißt du jetzt, wo das Wasser ist, das die Fische so notwendig zum Leben brauchen?“, fragte ihn der Wal und zwinkerte mit seinen Fischaugen. „Das Wasser, das ich so lange gesucht habe, hat mich immer umgeben“, sagte Emil etwas verschämt. „Jetzt schwimm zurück“, sagte der Wal, „weil es dir selbstverständlich war, hast du es suchen müssen!“ (Quelle: H.Arens, Positiv predigen, 1977, S. 32-34)

„Ohne Gott bin ich ein Fisch am Strand“

Nur auf den ersten Blick eine Kindergeschichte, auf den zweiten dann eine hintergründige Geschichte auch für Erwachsene. Eine Geschichte für Glaubende und eine Geschichte für Zweifler. „Ohne Gott bin ich ein Fisch am Strand.“ So hat der Pfarrer und Liederdichter unseres Gesangbuchs Jochen Klepper einmal formuliert. Also: Ein Mensch braucht Gott zum Leben, so wie ein Fisch das Wasser braucht. Und Gott ist schon immer um uns, so wie das Wasser den Fisch umgibt, ob wir es nun spüren oder nicht, ob wir danach fragen oder nicht, ob wir ihn suchen oder nicht. Gott ist nicht erst dann da, wenn man nach ihm fragt. Aber er erschließt sich uns erst, wenn wir zu fragen beginnen.

Da macht sich jemand in der Mitte seines Lebens auf, neu nach Gott zu suchen. Und er tut, was man als Einziges tun kann: er versucht, Antwort zu bekommen bei anderen Menschen. Da trifft er einen wie jene Kaulquappe Dagobert: einen, der sich noch nie tiefere Gedanken gemacht hat. Er sieht nur, was eine Armlänge weit von ihm weg ist, oder auch, so weit die Fernbedienung des Fernsehers reicht, oder eine Tankfüllung des Autos. Damit gibt er sich zufrieden. Gott braucht er nicht und Gott sucht er nicht.

Erlebst du was, dann bist du was

Aber er schickt ihn weiter zu einem Menschen, der sich schon mehr Gedanken gemacht und auch schon mehr gesehen hat in seinem Leben. So wie jener Wels Kuno. „Nach Gott fragst du? Dumme Frage! Gott ist vor dir, Gott ist hinter dir, Gott ist um dich herum!“, sagt er und merkt dabei, wie schwer es ist, einem Menschen das, was man selber glaubt, weiterzusagen. Dass Gott überall ist, stimmt durchaus, aber es bleibt doch Theorie. Es hilft dem Suchenden nicht, solange er diesen Gott um sich herum noch nicht gespürt hat. Erleben muss man ihn. Nicht nur, weil wir heute in einer Erlebnisgesellschaft leben: Erlebst du was, dann bist du was. Sondern vor allem, weil Gott nicht so sehr Theorie, sondern vielmehr Praxis ist.

Gott erleben positiv oder negativ: im tiefen Erschrecken, Zweifeln und Hadern oder im Gefühl tiefer Geborgenheit. Mancher begegnet Gott spürbar erst dann, wenn er einmal dem großen Erschrecken begegnet, wie der kleine Fisch durch den Wal Juno. Der erzählt ihm nicht nur theoretisch von Gott, sondern er lässt ihn Gott spüren: seine Gottesbedürftigkeit, seine Angewiesenheit auf ihn, aber auch seine Geborgenheit bei ihm. Was, wer und wie Gott ist, erkennt mancher erst, wenn ihn eine Situation in seinem Leben nach Luft japsen lässt wie diesen kleinen Fisch, und wenn er anschließend die Bewahrung ebenso deutlich spürt. Doch ein Gesetz will ich daraus nicht machen: Man kann Gott auch entdecken, ohne vorher durch die seelische Wüste gehen zu müssen. Man kann Gott auch entdecken in Momenten der Bewahrung, in einem Gefühl tiefer Geborgenheit und Dankbarkeit, in Meditation oder Ekstase.

Die alte Suche nach Gott

Sich auf die Suche nach dem Gott machen, der eigentlich schon lange um einen ist. Ein altes und doch ewig junges Thema, wenn man der Apostelgeschichte glauben kann. Da wird im Kapitel 17 erzählt, wie vor fast 2000 Jahren die Menschen in Athen nach dem wahren Gott gesucht haben, und manches kommt einem dabei ganz modern vor. Der Apostel Paulus kommt auf einer seiner Reisen auch nach Athen, der heutigen Hauptstadt Griechenlands. In dieser damaligen Hafen- und Weltstadt gab es nichts, was es nicht gab. Ein großer Markt, auch für religiöse Angebote. Alles, was neu ist auf dem Sinnmarkt, saugen die Athener gierig auf. Findet man Neues und Besseres, lässt man Altes fallen. Auch was Paulus ihnen zu erzählen hat, ist ein Angebot unter vielen.

22 Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. 23 Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt. 24 Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. 25 Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. 26 Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, ... 27 damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. 28 Denn in ihm leben, weben und sind wir.

Die heutigen Götter

Paulus sieht in Athen viele Altäre zur Verehrung vieler Götter für die verschiedensten Situationen des Lebens. Er sieht: Die Leute brauchen etwas, woran sie sich halten können. Für jede Sorge den entsprechenden Altar, für jede Sorge den passenden Gott. Statt auf die Suche nach dem Einen zu gehen, der alle Fragen beantwortet und den ganzen Hunger stillt, machen sie sich ihre Götter selber. Ähnlichkeiten mit der heutigen Zeit werden dem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen:

Auch heute haben die Menschen ihre Altäre und ihre Opfer, eine Religion, von der sie gar nicht merken, dass es Religion ist. Anstatt den Lebenswandel zu hinterfragen, für jedes körperliche und seelische Wehwehchen die passende Medizin. Für die mehr vordergründigen Bedürfnisse die Knoblauchdragées, die Zaubermittelchen für die Manneskraft, die äußere Schönheit und das lange Leben. Für die tiefer sitzenden Wehwehchen die Horoskope, die Kupferarmbänder, die Edelsteine und die Bachblüten. Wellness- und Einkaufs-Center als moderne Tempel. Animateure und Motivationstrainer als die Priester der Erlebnisgesellschaft. Man versucht, Sinn zu kaufen, anstatt sich auf die – zugegebenermaßen mühsame – Suche zu machen.

Paulus sieht, wie fruchtlos diese krampfhafte Bemühung der Athener um das wahre Leben ist. Wie kann er den Menschen klar machen, dass sie darüber das Nächstliegende, den Nächstliegenden glatt übersehen? Kritik hilft nicht weiter. Man kann nur freundlich zum Nachdenken anregen. Er erinnert sich an einen Altar mit der Inschrift: „Dem unbekannten Gott“. Da setzt er an: „Diesen Gott, den Ihr verehrt, ohne ihn zu kennen, will ich euch jetzt bekanntmachen.“ Da haben die Athener anscheinend aus Angst, einen Gott zu vergessen, der ihnen dann böse sein könnte, zur Sicherheit auch Altäre für unbekannte Götter aufgestellt.

Das Ja bei der Konfirmation

Als Jugendliche haben Sie damals Ihr „Ja, mit Gottes Hilfe!“ auf die Konfirmationsfrage gesagt. Ich weiß nicht, wie ernst Ihnen damals dieses Ja gewesen ist. Nicht alle sind in diesem Alter auf der Suche nach Gott. Zur Pubertät gehört immer ein gesundes Maß an Protest gegen die Erwachsenen und ihre Antworten, und auch ein gesundes Maß an Zweifel. Doch Pubertät ist eine Reifungs- und Durchgangsstation. Früher oder später muss sich jeder Mensch dieser Frage nach Gott stellen, er Frage nach dem festen Boden unter den Füßen, der Frage nach dem Sinn, der Frage, was mich im Leben hält und trägt. Sonst wird er nicht wirklich erwachsen. Man kann nämlich durchaus körperlich erwachsen werden, ja gesellschaftlich rundum erfolgreich, und in Glaubensdingen ewig ein pubertierender unreifer Jugendlicher bleiben.

Und dann?

Ob und wie oft Sie nun in diesen vergangenen 25 Jahren nach Gott gefragt haben – eines steht fest: Er hat nach Ihnen gefragt, und er war Ihnen in der ganzen Zeit unaufdringlich nahe. Oder wie Paulus den zweifelnden Athenern sagt: „Fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, handeln und sind wir.“ Er war um Sie herum und hat Sie getragen wie das Wasser den Fisch oder die Luft den Vogel.

Beruflich und familiär sind die meisten von Ihnen auf der Höhe Ihrer Kraft. Sie haben Lehrzeit, Ausbildung und erste Schritte längst hinter sich und haben sich auch die sogenannten Hörner abgestoßen. Sie wissen: Wenn im Beruf nicht eine vielfältige Praxis und die Weiterbildung folgt, ist die Gefahr groß, auf der Strecke zu bleiben. Ich möchte das auch auf die innere Entwicklung übertragen: Verstehen Sie den Religions- und Konfirmandenunterricht Ihrer Jugendzeit als die Phase der Ausbildung, die Konfirmation als die bestandene Lehrzeit, von mir aus das Gesellenstück. Wer aber dann keine Praxis hat, sich nicht auf dem Laufenden hält und nicht um Weiterbildung bemüht, der kann schnell in Situationen kommen, wo er mit dem Latein seines Lebens am Ende ist.

Immer neu auf die Suche machen

Wenn Sie es nicht sowieso schon immer tun, dann nehmen Sie doch diese Lebensphase als Anstoß, sich neu mit den Sinnfragen auseinanderzusetzen und neu nach jenem Gott zu fragen, zu dem Sie einmal Ja gesagt haben, und der sie umgibt wie das Wasser den Fisch. Paulus: „Und er hat ... die Menschen gemacht, ... damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten.“ Dazu ist es nie zu spät, auch für einen äußerlich Erwachsenen nicht.

Noch einmal will ich Ihnen deswegen den Konfirmationssegen von damals weitersagen: Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist gebe euch seine Gnade: Schutz und Schirm vor allem Argen, Stärke und Hilfe zu allem Guten, dass Ihr bewahrt werdet im rechten Glauben zum ewigen Leben. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de