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Die Predigt vom 24. Dezember 2005 (Heiligabend):
»Das Fest des Friedens«

Kirchenjahr
Informationen zum Kirchenjahr
Der Ort der Predigt im Kirchenjahr
Die Evangelische Kirche beging den Heiligen Abend mit Christvesper und Christmette. Sein Thema ist die Menschwerdung Gottes. Evangelium (1. Lesung) der Christvesper war die Weihnachtsgeschichte nach Lukas und Epistel (2. Lesung) die Erscheinung der Gnade Gottes nach Titus 2. Der Predigttext des Tages (s.u.) war die alttestamentliche Lesung aus Jesaja 9:
Predigttext
Sie können den Text auch online nachlesen. Weitere Bibellinks finden Sie unter Glaube und Leben.
Der Predigttext
1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. 2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. 4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. 5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch, Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.
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Die Predigt
Das „Fest des Friedens“

Weihnachten ist das „Fest des Friedens“. Doch nie sei die Gefahr von Unfrieden und Streit in der Familie größer als am Weihnachtsabend, meinen Familienberater und Psychologen. Zu Weihnachten gehört im tiefsten Grunde unseres Herzens die Sehnsucht nach Frieden, auch nach Frieden in der Familie. Was man das Jahr über oft nicht schafft, das muss doch wenigstens am Weihnachtsabend gelingen. Und dadurch sei der innere Erwartungsdruck so hoch, dass man sehr schnell daran scheitern kann.
Sie kennen das vielleicht: Der eine will wenigstens am Heiligen Abend den Fernseher aus lassen. Und der andere merkt schmerzlich, dass man das Reden miteinander eigentlich schon lange verlernt hat. Der eine will die Weihnachtsgeschichte lesen, weil das so dazugehört. Und der andere lieber nicht, weil es ja eh nicht von Herzen kommt. Der eine will singen und der andere kann das nicht einsehen, weil er ja auch sonst das ganze Jahr nicht singt. Viel Stoff für manche ernste Satire oder dunkle Komödie!

Unverschämte Hoffnung in friedloser Zeit

Weihnachten – das Fest des Friedens. Alle Jahre wieder kann man kurz vor Weihnachten in der Zeitung lesen, wie viele bewaffnete Konflikte die Friedensforscher im Laufe des Jahres wieder gezählt haben. 39 sind es heuer, übrigens drei weniger als im letzten Jahr. 28 davon hat man als richtige Kriege eingestuft. Ein kleiner Lichtblick, den man nicht unterschätzen sollte, ist, dass das der niedrigste Stand seit dem Ende des Ost-West-Konflikts ist.

Die oft friedlose Wirklichkeit und unsere tiefe Sehnsucht nach Frieden. An Weihnachten reibt sich beides noch mehr als sonst, weil unsere Haut so dünn ist. Und jetzt können Sie es sich vielleicht schon denken: Es war früher auch nicht anders. Sie haben vorhin diese unbändige Verheißung gehört von dem Volk, das im Finstern wandelt und ein großes Licht sieht. Worte des Propheten Jesaja an Menschen, die damals den Krieg vor der Haustür hatten. Das kleine Land Israel war hoffnungslos bedrängt von der damals übermächtigen Weltmacht Assyrien. Die Nachbarn waren schon unterworfen. Lange würde es nicht mehr dauern. Militärisch gesehen, vernünftig betrachtet, gab es keine Lösung.
Und in dieser Situation diese freche und unverschämte Verheißung. Unverschämt und frech v.a. deswegen, weil Jesaja so redet, als sei das alles schon geschehen, was er sagt; als sei die Wirklichkeit eine ganz andere; als sei alles schon gut:

9 1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. 2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. 4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. 5Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch, Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.

Leben, als sei der Friede schon da

Die Menschen im Finstern, die Menschen ohne Hoffnung, ohne Zukunft, die schon Verlorenen sehen ein Licht. Und Jesaja redet nicht nur von einem Hoffnungsschimmer, von einem kleinen Licht. Nein, die Menschen im Finstern sehen ein großes Licht und es scheint ihnen hell. Hoffnung ist da in der Hoffnungslosigkeit, Rettung in auswegloser Situation. Große Freude und Jubel sieht Jesaja da, wo niemand nach Jubeln zumute ist und keiner Grund zur Freude hat. Eine Freude wie nach der eingebrachten Ernte, wo man nach langem Mühen den Erfolg seiner Arbeit sehen und greifen kann. Eine Freude wie nach einem Sieg, wo man das Erbeutete mit vollen Händen verteilen kann.
Eine richtig unverschämte Hoffnung gibt Jesaja weiter: Vor seinem inneren Prophetenauge ist der Sieg des Zwerges Israel gegen den übermächtigen Bedrücker Assyrien schon geschehen. Das Joch der Unterdrückung ist zerbrochen. Niemand wird mehr geknechtet. Der Stecken, mit dem man getrieben wurde, wie man ein Tier zum Schlachten vor sich hertreibt, ist zerbrochen.
Ein für die damaligen Hörer bekanntes Ereignis aus alter Zeit kommt dem Jesaja zudem noch in den Sinn: der überraschende und unglaubliche Sieg des Gideon über die feindlichen Midianiter, wo in einer einzigen Nacht ein kleines Häufchen Israeliten durch die Hilfe Gottes ein ganzes Heer in die Flucht geschlagen hat. Die dröhnenden Kriegsstiefel und die blutgetränkten Kriegsmäntel der Assyrer sieht Jesaja brennen. Der Krieg ist zu Ende. Freiheit ist da.

Der Hoffnungsträger ist geboren

Ein herrliches Hoffnungsbild neben dem anderen! Wie kann Jesaja in dieser hoffnungslosen Lage so unverschämt hoffen?
Für ihn ist der Hoffnungsträger geboren. Der, durch den Gott alles anders machen wird. Vor Augen hat er vielleicht das neugeborene Kind des damaligen Königs. „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben.“ Der wird die Herrschaft antreten. Seine Königsnamen zeigen seine Kraft und Macht: Ein Wunder an Rat und Weisheit; ein Held, stark wie Gott; ein Vater auf ewig; ein Fürst des endgültigen Friedens. Einen richtigen Frieden bringt er, einen Frieden verbunden mit Recht und Gerechtigkeit.

Wie haben die Menschen im Finstern, die Menschen in auswegloser Lage, diese kühnen Worte damals wohl aufgenommen? Hat es ihnen Mut gemacht? Ich weiß nicht. Auf jeden Fall haben diese Worte so eingeschlagen, die unverschämte und freche Hoffnung war so ermutigend, dass sie aufgeschrieben wurde und uns bis heute im Alten Testament erhalten ist.
Und das, obwohl die Geschichte damals anders gelaufen ist; das darf man nicht verschweigen: Das kleine Israel hat nicht das große Assyrien besiegt. Es wurde von den Assyrern zwar nicht endgültig erobert, aber blieb dauernd in Abhängigkeit, bis dann die Babylonier, die Nachfolger der Assyrer auf der Bühne der Weltgeschichte, Israel ganz und gar ausradierten und die Mehrzahl der Bevölkerung wegschafften.

Hoffnung, die sich niemand nehmen ließ

Das kühne Wort des Jesaja vom Frieden und von der Geburt des Hoffnungsträgers - es hatte sich so nicht erfüllt. Aber es war ausgesprochen und die Menschen damals ließen es sich nicht mehr nehmen. Das Wort war da und niemand wollte es mehr hergeben. Keiner wollte sich diese unbändige Hoffnung nehmen lassen. Wenn nicht jetzt, so würde es sich später erfüllen, davon war man überzeugt und daran hielt man fest. Denn Gott verspricht nichts umsonst.

5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende.
Und dann kam Jesus: unscheinbar und arm, fern ab in der Provinz. Und doch ging ein paar Menschen, die beseelt waren von der Hoffnung der Alten Schriften ein Licht auf: Das Warten hat sich gelohnt. Er ist da, auf dem die Hoffnungen der Welt liegen. Was der Prophet damals versprochen hat: Friede, Freiheit und Gerechtigkeit, jetzt wird es wahr in diesem Kind.
Nicht alle konnten dieser Begeisterung zustimmen, denn Jesus war so ganz anders, nicht der, den Jesaja so mächtig beschrieben hatte. Ein Kind zwar wie angekündigt. Aber er trumpfte nicht militärisch auf, er schaffte nicht den großen Sieg gegen die mächtigen Nachbarn, er zerbrach nicht das drückende Joch der römischen Besatzung, der Stecken der römischen Treiber blieb heil. Es war kein Grund zum Siegesjubel und es gab keine Beute auszuteilen.
Ist es ein Wunder, wenn die Juden damals wie heute sagen: Jesus mag ein großer Prophet gewesen sein, aber der Messias, der von den Propheten versprochene Retter war er nicht: Das Kriegsgeschrei dröhnt weiter, blutige Mäntel und Stiefel gibt es immer noch, die Unterdrückung der Kleinen durch die Großen ist noch nicht zu Ende, Recht und Gerechtigkeit sind in vielen Ländern ein Hohn. Im Großen und Ganzen ist die Welt keinen Deut besser geworden mit diesem Jesus. Wie kann in ihm die alte Hoffnung erfüllt sein?

Weihnachten - das Fest des „trotzdem“

Ist das nicht auch unsere heimliche oder offene Frage und unser Leiden an jedem Weihnachtsfest: dass die Welt nicht anders werden will und alles in der Weihnacht Gehörte bei der nächsten Nachrichtensendung wie leere Worte klingt? So als würde man nach einer Begeisterung mit einem schweren Kater aufwachen?
Aber dennoch und trotz allem: Ich kann nicht anders als wie es unsere Vorfahren im Glauben damals taten: festhalten an dieser frechen und unverschämten Hoffnung, die Jesaja da in die Welt gesetzt hat. Weihnachten ist für mich das Fest dieser unbändigen Hoffnung, dass Gott es mit der Welt und mit dem Leben und mit den Menschen gut meint, auch wenn vieles dagegen spricht. Weihnachten mag das Fest des Friedens sein, aber es ist noch mehr das Fest des „trotzdem“ und des „jetzt erst recht“.

Vielleicht müssen wir uns von falschen Hoffnungen verabschieden: Weihnachten sagt mir, dass Gott entgegen der alten Hoffnung des Jesaja auf dieser Welt nicht militärisch auftrumpfen und sich durchsetzen will; dass er nicht dreinschlagen und alles mit Gewalt anders machen will. Das sehe ich an diesem Jesus, der arm, unscheinbar und ohne Medienaufsehen am Rande der Hauptstadt geboren wurde: Durch das Schwache und Unscheinbare will Gott die Welt anders machen. Durch Leiden und Geduld erreicht man die eigentlichen Siege.
Jesus hat zwar nicht die Welt anders gemacht damals, aber denen, die sich auf ihn eingelassen haben, hat er den versprochenen Frieden, die Freiheit und die Gerechtigkeit geschenkt. Mit jener ersten Heiligen Nacht hat die Welt begonnen, sich zu verändern. Unscheinbar, aber doch unaufhörlich wird sich seine Herrschaft durchsetzen. Denn eigentlich wird ja nicht die Welt geändert. Wie soll das gehen? Sondern veränderte Menschen verändern die Welt.

Die kleinen Schritte sehen

Diese Hoffnung macht mir dann auch Mut, mit Freude die kleinen Schritte zu sehen, die es doch gibt, kleine Schritte der weihnachtlichen Versöhnung zwischen Völkern und Menschen.
Deswegen ist das mein Weihnachtswunsch an Sie: Lassen Sie sich trotz allem, was dagegen spricht, als Gottes Weihnachtsgeschenk diese unverschämte und freche Hoffnung auf eine andere Welt schenken. Lassen Sie sich trotz aller Vernunft die kindliche Weihnachtshoffnung nicht rauben. Und: Übersehen Sie nicht die kleinen Zeichen, wo in Ihrem persönlichen Leben, in Ihrer Familie und auf dieser Welt unerwartete Schritte des Friedens möglich sind.
Wenn die geringste Zahl von bewaffneten Auseinandersetzungen seit Jahren gezählt wird. Wenn wir wieder ein Jahr in äußerem Frieden gelebt haben. Wenn Entführte aus Gefangenschaft frei kommen. Wenn die Naturkatastrophe von vor einem Jahr die größte Spendenwelle aller Zeiten hervorgebracht hat. Wenn die wirtschaftliche und politische Stimmung sich zusehends aufhellt. Wenn ein Fest Menschen in einer Kirche eng zusammenrücken lässt. Wenn Einsame und Alte in diesen Tagen nicht alleine gelassen werden. Suchen Sie mit Ehrgeiz und Phantasie ganz bewusst solche Pflänzchen des Friedens.
Seit der ersten Weihnacht ist Gott am Werk, unscheinbar vielleicht, langsam auch, aber unaufhaltsam. Amen

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Michael Thein • Pfarrer • Kaulbachstraße 2b• 95447 Bayreuth • Tel. 0921-65378 • Fax 03222-2426857

mic.thein@t-online.de www.michael-thein.de